26 02 | 2020 AML FIU vermeldet erhöhtes Meldeaufkommen von Geldwäschefällen Was kann Künstliche Intelligenz zur Prävention und Bekämpfung von Geldwäsche leisten? Die Herausforderung liegt im Erkennen von Vorgängen, in denen das Verhalten von bekannten Mustern abweicht. KI kommt insbesondere bei der Betrachtung des Zeitverlaufs in einem Konto und der Netzwerkebene, also in den Beziehungen zwischen mehreren Konten, in Betracht. Die Enthüllungen um die FinCEN- Files zeigen ein weltweites Problem auf: Terroristen, organisierte Kriminelle, Menschenhändler, Drogenschmuggler, korrupte Politiker – sie alle nutzen den internationalen Finanzmarkt, um ihre inkriminierten Gelder zu waschen und daraus Profit zu schlagen. Für Deutschland gibt es diverse Schätzungen, nach denen das Volumen des gewaschenen Geldes bis zu 110 Mrd. € jährlich beträgt. Die deutsche Spezialeinheit zur Geldwäschebekämpfung, die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU), hat laut ihrem Jahresbericht im Jahr 2019 knapp 115.000 Verdachtsmeldungen erhalten, was gegenüber dem Vorjahr 2018 einen Anstieg um fast 50 Prozent darstellt. Somit hat sich das jährliche Meldeaufkommen in Deutschland in den letzten zehn Jahren knapp verzwölffacht. Schwerpunkte und Trends in der Geldwäschebekämpfung durch die FIU lagen laut Jahresbericht u. a. auf den Bereichen Immobiliengeschäfte, Glücksspiel, gewerbsmäßiger Betrug und organisierte Kriminalität. Wie diverse Medienberichte vermelden, scheinen Banken machtlos zu sein; außerdem kommen Behörden und Justiz mit ihrer Arbeit nicht mehr hinterher. Währenddessen muss die Gesellschaft taten- und hilflos zusehen, wie Kriminelle ihren Machenschaften ungehindert und häufig ungestraft nachgehen und Profit daraus schlagen. Was kann KI im Bereich AML leisten? Die IT-Systeme, die heutzutage noch bei Banken im Einsatz sind, arbeiten häufig anhand starrer Regeln, sind meist veraltet und unflexibel. Dies steht jedoch einer gesetzlich vorgeschriebenen, wirksamen Prävention von Geldwäsche entgegen und wird den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht. Dank Maschinellem Lernen und Cloud Computing ist der Stand der Technik heute so weit fortgeschritten, dass sich vielversprechende Ansätze in der Bekämpfung von Geldwäsche verwirklichen lassen und in der Finanzindustrie ein Umdenken einsetzt. Die Herausforderung in der Prävention und Bekämpfung von Geldwäsche liegt im Erkennen von Vorgängen, in denen das Verhalten abweicht von dem, was bisher bekannt ist. Hierbei kommt dann die Anwendung von Künstlicher Intelligenz ins Spiel, insbesondere bei der Betrachtung des Zeitverlaufs in einem Konto und der Netzwerkebene, also in den Beziehungen zwischen mehreren Konten. Es wird so ermöglicht, im Einzelfall das Normalverhalten von möglichen Auffälligkeiten zu un-
02 | 2020 27 terscheiden. Durch die Komplexität im Transaktionsverhalten eines Einzelnen ist die Anwendung von vorab festgelegten Regeln, wie heutzutage noch sehr häufig der Fall, zur Identifikation von Auffälligkeiten ungeeignet. Modernste Datenanalyse erhöht die Erkennungsrate von Mustern in der Geldwäsche um ein Vielfaches. Banken würden hierdurch zu einer wesentlich höheren Qualität der Verdachtsmeldungen gelangen, insbesondere würden identifizierte Fälle werthaltiger aufbereitet sein und den Behörden bessere Anhaltspunkte für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung liefern. Im Hinblick auf eine mögliche Kooperation zwischen den Finanzinstituten, beispielsweise im Rahmen der Transaktionsüberwachung, könnten sich die Banken organisieren und erhebliche Synergieeffekte in der Bekämpfung von Geldwäsche erzielen. Ein Austausch über Institutsgrenzen hinweg wäre über KI-Lösungen sehr gut möglich, denn es würden keine sensitiven Daten ausgetauscht, sondern lediglich abstrahierte Erkenntnisse geteilt. Auch Statistiken zu Fallzahlen, Netzwerkanalysen oder der konkrete Austausch zu Geldwäscheverdachtsfällen können im Rahmen von Kooperationen zu besseren Ergebnissen führen. Im Rahmen von Public-Private-Partnerships können dann auch relevante Informationen zwischen Banken und Behörden ausgetauscht werden, um den Kampf gegen Geldwäsche effizient zu gestalten. Die Kooperation von öffentlichem und privatem Sektor auf dieser Ebene ist sehr sinnvoll, um Medienbrüche und Zeitverluste zu vermeiden. Auch Behörden und Justiz könnten mit modernen, technologischen Mitteln die Bekämpfung von Geldwäsche effektiver gestalten. Die FIU könnte in der Fallbearbeitung effizienter vorgehen, insbesondere im Hinblick auf die genannten, stets steigenden Fallzahlen, und mittels Künstlicher Intelligenz würde die Behörde wesentlich besser Muster und Zusammenhänge in den Verdachtsfällen erkennen. Bereits im Jahr 2018 sprach Christof Schulte, der Leiter der Spezialeinheit, in einem Interview mit dem Handelsblatt davon, im Fall eines exponentiell gesteigerten Meldeaufkommens „Künstliche Intelligenz zur Vorfilterung der Meldungen einzusetzen“. Laut einem Medienbericht der WirtschaftsWoche gibt es bei der angedachten KI-Lösung in der FIU noch Probleme in der Testphase. Vor allem im Hinblick auf die Initiative des Bundesjustizministeriums, den Tatbestand der Geldwäsche nach § 261 StGB zu reformieren, muss die technologische Grundlage in Banken und Behörden geschaffen sein, da auch hierdurch ein erhöhtes Meldeaufkommen erwartet wird. Auch Dr. Marcus Pleyer, der amtierende Präsident der Financial Action Task Force (FATF), priorisiert für seine Amtszeit die „Digital Transformation of AML/ CFT“, also die Digitalisierung des Kampfes gegen Geldwäsche. In einem Interview spricht er sogar davon, „beim Thema Geldwäschebekämpfung einen Quantensprung“ durch den Einsatz von modernster Technologie zu machen. Fazit Moderne KI-Technologie kann Finanzinstitute und Behörden befähigen, gemeinsam besser gegen Finanzkriminalität vorzugehen. In der Welt von Morgen werden voll digitale, selbstlernende Systeme zum Einsatz kommen müssen, um Analyse und Informationsfluss zwischen den Instituten und Meldebehörden sicherzustellen, anstatt Geldwäsche mithilfe von einfachen, wenig intelligenten Systemen zu bekämpfen. Regulierungs- und Strafverfolgungsbehörden sowie Finanzinstitute, die nicht ähnlich international vernetzt wie Kriminille arbeiten, werden weiterhin leicht auszumanövrieren sein. Im Hinblick auf die enormen Kosten für das Risikomanagement in Banken sowie die Bemühungen von Behörden und Justiz kann die Antwort auf die Herausforderungen der Geldwäschebekämpfung nur Technologie sein. Autoren Tobias Schweiger ist CEO und Co-Founder bei HAWK:AI in München. Zuvor war er Vorstand der PAY.ON AG, als Chief Financial/ Operating Officer (CFO/COO) zeichnete er hier für den Aufbau von Strukturen in Vertrieb, Kundenimplementierung und im Bereich Finanzen verantwortlich. Stefan Raul ist im gleichen Unternehmen als Head of AML Compliance tätig. Zuvor arbeitete er im Bereich der Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsbekämpfung in der Financial Intelligence Unit (FIU), die zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen gehört.
Laden...
Laden...
Laden...