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KINOTE 02.2019

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Um einen Wandel der Finanzbranche erfolgreich zu meistern, müssen Kreditinstitute sowohl Chancen als auch Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz (KI) erkennen. Unter der neuen Marke KINOTE der Bank-Verlag GmbH finden Sie Meldungen, Studien und Fachartikel zum Themenkomplex KI. Wir beantworten Ihre Fragen rund um KI. Wir berichten über Trends, neue Technologien, Forschungsergebnisse und daraus entstehende Möglichkeiten, die KI Ihrem Unternehmen bietet.

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10 02 | 2019 per Textnachricht oder telefonisch mit den Kunden interagieren und versuchen, deren Anliegen ohne Beteiligung eines Bankmitarbeiters zu bearbeiten. ■ Darüber hinaus testen die Banken, inwieweit KI Angaben visualisieren (z. B. in juristischen Dokumenten oder Jahresberichten) und wichtige Punkte herausfiltern kann. KI- Algorithmen entwickeln anhand der Daten selbstständig Modelle und führen ein Backtesting durch. So lernen sie aus früheren Fehlern und erhöhen ihre Treffsicherheit. ■ Einige bereits existierende Finanztechnologie-Anwendungen entwickeln sich im Zeitablauf ebenfalls zu umfassenden KI-Lösungen. Dies gilt z. B. für Robo-Advisors, die eine vollständige Automatisierung bestimmter Asset-Management-Dienstleistungen möglich machen, oder Online- Finanzplaner, mit deren Hilfe die Kunden besser begründete Konsum- und Sparentscheidungen treffen können. Mit zunehmender Reife nutzen diese Finanztechnologielösungen immer intensiver Techniken, um selbstständig Daten zu durchsuchen und Muster darin zu finden. 04 | Nutzung von KI durch Banken Kundenorientierte Frontoffice-Anwendungen Prozessorientierte Backoffice-Anwendungen Handel und Portfoliomanagement Einhaltung rechtlicher Vorschriften Quelle:FSB (2017), Deutsche Bank Research. - Bonitätsbewertung - Versicherungspolicen - Chatbots - KYC - Kapitaloptimierung - Modell-Risikomanagement - Stresstests - Betrugserkennung - Handelsausführung - Portfoliomanagement - Regulierungstechnologie (RegTech) - Makroprudentielle Überwachung - Datenqualitätssicherung - Aufsichtstechnologie (SupTech) In ihrem Streben nach mehr Effizienz scheinen die Banken vor allem auf KI-Anwendungen zu setzen, die kostspielige, arbeitsaufwendige und sich wiederholende Tätigkeiten übernehmen können. Es geht insbesondere um die Verbesserung des operationellen Risikomanagements, z. B. durch Betrugserkennung oder bessere KYC-Verfahren, sowie um Kostensenkungen, etwa durch Chatbots oder Robo Advisors. Hindernisse für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bankensektor Trotz des enormen Potenzials wird der Einsatz von KI im Bankensektor möglicherweise durch einige externe Faktoren gebremst. Zunächst enthält die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die im Jahr 2018 in Kraft trat, präventive Klauseln zu automatisierten Entscheidungen. Dies betrifft nicht nur die Finanzbranche, sondern alle Sektoren. In Artikel 22 der DSGVO heißt es: „Die betroffene Person hat das Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden...“. Dies wirft besondere Probleme für KI-Anwendungen auf, deren Entscheidungen ja per Definition automatisch erfolgen. Um die Einschränkungen des Artikel 22 umzusetzen, könnte an einem gewissen Punkt des Prozesses ein Mensch eingebunden werden, der am Ende der KI-Kette letztendlich die Entscheidung trifft. Artikel 13 der DSGVO enthält zudem bestimmte Offenlegungsvorschriften. Sollte etwa ein KI-Programm die Eröffnung eines Kontos oder die Gewährung eines Kredits ablehnen, hat der Kunde das Recht, über die Gründe für diese Entscheidung informiert zu werden. Artikel 13 verlangt nicht unbedingt, dass der Quellcode des KI-Algorithmus im Einzelnen offengelegt wird. Es müssen jedoch gewisse Angaben gemacht werden, welche Parameter einfließen. In jedem Fall dürften Eingriffe von Programmierern erforderlich sein, um diese und zahlreiche andere Datenschutzvorgaben zu erfüllen. Dadurch fallen die zu erwartenden Effizienzgewinne durch KI geringer aus. Dass Big Data möglicherweise in böser Absicht manipuliert werden könnte, dürfte den Einsatz von KI im Bankensektor ebenfalls hemmen. Zum Beispiel könnten Hacker versuchen, die Systeme mit fiktiven Daten zu füttern (falsche Social-Media-Konten, Internetseiten oder Nachrichten) und so Einfluss auf KI-Entscheidungen zu nehmen. Diese könnten dadurch verzerrt sein und bestimmte Personen diskriminieren – oder Hacker könnten sogar die KI-Systeme an sich unter ihre Kontrolle bringen. Dass KI-Systeme miteinander verbunden sind, macht das Problem noch brisanter. KI selbst kann zwar Cyber-Angriffe und Malware recht gut erkennen, dennoch müssten mögli-

02 | 2019 11 cherweise Programmierer die Systeme laufend überwachen und kontrollieren, um eventuelle Cyber-Sicherheitsprobleme zu lösen. In diesem Zusammenhang könnte es hilfreich sein, sogenannte Regulatory Sandboxes einzuführen. Dabei kann die Sicherheit neuer KI-Anwendungen unter realen Bedingungen überprüft werden. Nach Auffassung mancher Beobachter ist die Logik von KI und insbesondere von neuronalen Netzwerken intransparent; die Systeme funktionieren demnach wie eine Black Box. 6 Diese Befürchtung ist darauf zurückzuführen, dass die KI-Algorithmen unter Umständen sehr komplex sind und Menschen sie nicht ohne Weiteres visualisieren und verstehen können. Das Komplexitätsproblem verschärft sich dadurch, dass sich KI-Algorithmen im Zeitablauf aktualisieren und enger miteinander verknüpfen. Wohlgemerkt können KI-Prognosen und -Entscheidungen letztendlich ganz ähnlich wie Prognosen und Entscheidungen von Menschen ausfallen. Im Gegensatz zu Menschen kann KI jedoch per Definition die entsprechenden Gedankengänge nicht erläutern. Dies erschwert den Einsatz von KI insofern, als Prozesse im Bankensektor auch dann vollständig nachvollziehbar sein müssen, wenn die getroffenen Entscheidungen angemessen und gerechtfertigt sind. Falls ein Problem mit einer Entscheidung auftritt, muss klar erkennbar sein, an welcher Stelle der entsprechende Fehler erfolgt ist. Der gesamte Entscheidungsprozess hat den regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen und muss vollständig transparent sein. Durch die Einbeziehung menschlicher Programmierer und eine Beaufsichtigung durch Menschen würden die Effizienzgewinne zwar zum Teil wieder zunichtegemacht, aber die KI-Algorithmen würden auch transparenter sein. Ungeachtet dieser potenziellen Hindernisse werden die Banken weiterhin die Möglichkeiten von KI testen, was beträchtliche Folgen für die Rentabilität haben könnte. Fazit KI könnte unseren Alltag in mancherlei Hinsicht grundlegend verändern. Insbesondere in den USA und China wurde in den vergangenen Jahren viel in KI investiert, die auch zunehmend eingesetzt wird. In Europa ist das Bild uneinheitlich; einige Länder sind auf dem Gebiet der KI sehr aktiv, andere hinken hinterher. Angesichts des beträchtlichen Potenzials der neuen Technologien wurden auf europäischer Ebene Maßnahmen ergriffen, um die KI-Aktivität zu steigern. Auch im Finanzsektor könnte KI zu einem grundlegenden Wandel führen. Bisher wird sie allerdings im Bankensektor nur in moderatem Umfang genutzt. Datenschutzvorgaben und die strikte Regulierung im Bankensektor könnten den Einsatz von KI hemmen. Der Wettbewerb im Bankensektor wird immer intensiver – nicht zuletzt dadurch, dass datengestützte Finanzdienstleister wie FinTech-Startups und große Technologiekonzerne die traditionellen Geschäftsmodelle der Banken infrage stellen. In einem solchen Umfeld hängt es möglicherweise von einem raschen Einsatz von KI-Technologien ab, ob die Banken konkurrenzfähig bleiben. Literatur Bathaee, Yavar (2018). The Artificial Intelligence Black Box and the Failure of Intent and Causation. Harvard Journal of Law & Technology, 31 (2), 889-938. FSB (2017). Artificial intelligence and machine learning in financial services: Market developments and financial stability implications. Humphrey, David B., Magnus Willesson, Göran Bergendahl und Ted Lindblom (2003). Cost Savings from Electronic Payments and ATMs in Europe. FRB of Philadelphia Working Paper No. 03-16. Inaba, Takashi und Mariagrazia Squicciarini (2017). ICT: A new taxonomy based on the international patent classification. OECD Science, Technology and Industry Working Papers, 2017/01. OECD Publishing, Paris. Mai, Heike (2018). Kartenbetrug in Deutschland: Geringer Anteil, aber hohe Kosten. Deutsche Bank Research. Aktueller Kommentar. McCarthy, John, Marvin L. Minsky, Nathaniel Rochester und Claude E. Shannon (1955). A proposal for the Dartmouth summer research project on artificial intelligence. Postbank Digitalstudie (2018). Der digitale Deutsche und das Geld. WIPO (2019). Künstliche Intelligenz: WIPO Technology Trends. 1 Laut Definition der OECD handelt es sich bei KI-Start-ups um Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich auf Folgendes konzentriert: i) „Künstliche Intelligenz“, „maschinelles Lernen“ und „maschinelle Intelligenz“; ii) „neuronale Netze“, „Deep Learning“ und „bestärkendes Lernen“ und iii) „maschinelles Sehen“, „Predictive Analytics“, „Spracherkennung“, „autonomes Fahren“, „intelligente Systeme“ und „virtuelle Assistenten“. 2 Vgl. WIPO (2019). 3 Für eine genauere Erläuterung vgl. Inaba und Squicciarini (2017). 4 Ein detaillierter Überblick über den Einsatz von KI in den einzelnen Kategorien der Tabelle 8 findet sich in FSB (2017). 5 Vgl. Mai (2018). 6 Für eine genauere Erläuterung vgl. Bathaee (2018). Autor Dr. Orçun Kaya ist Economist bei der Deutsche Bank Research, Frankfurt am Main.

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