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diebank 10 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT zehn Jahre

MANAGEMENT zehn Jahre ihre Preise angepasst. Inzwischen tun sie das, zumindest in Teilen, alle drei bis vier Jahre. Aktuell läuft keine größere Preisrunde bei Geschäftsgirokonten, wie die Benchmark- Studie zeigt. Von den untersuchten jeweils größten Sparkassen und VR-Banken sowie führenden Geschäftsbanken wie Deutsche Bank, Commerzbank und Postbank haben seit Anfang 2019 lediglich 39, also knapp ein Fünftel, die Preise angepasst oder diesen Schritt angekündigt. Verglichen mit anderen Branchen agieren Banken damit beim Geschäftsgirokonto noch immer sehr zurückhaltend. Die Privatgiropreise hingegen wurden im Jahr 2019 bereits von 400 Banken und Sparkassen erhöht, und auch Bahntickets oder Flug- und Reisepreise zum Beispiel werden jedes Jahr ein paar Prozent teurer. Preiserhöhungen brauchen Transparenz Die Schmerzgrenze für Bankkunden wird häufig dann überschritten, wenn mehr als zwei Gebührenerhöhungen innerhalb von drei bis vier Jahren ohne wahrnehmbare Leistungsverbesserungen erfolgen. Hier kann es dann schnell zu einer Verdopplung der üblichen Abwanderung kommen, die bei etwa zwei Prozent pro Jahr liegt. Wichtig ist, dass ein Kunde verstehen kann, warum sich Preise ändern. Ihm muss mit einer gut umgesetzten und kommunizierten Preisanpassung ein klar erkennbarer Mehrwert vermittelt werden. Dieser kann zum Beispiel in der Einführung alternativ wählbarer Kontomodelle liegen, die nicht nur im Preis variieren, sondern sich auch nach Leistungen unterscheiden. So kann es gelingen, dem Kunden ein Kontoangebot zu machen, das seine Bedürfnisse besser abdeckt – dadurch wird er bereit sein, für diese bessere Leistung mehr zu bezahlen. So gibt es zum Beispiel Kundengruppen, die auf ein bequemes Bargeld-Handling angewiesen sind, während andere Wert auf bestimmte Leistungen im Bereich Electronic Banking legen. Wieder andere haben speziellen Bedarf angesichts eines Geflechts zahlreicher internationaler Kontobeziehungen. Differenzierte Kontomodelle setzen sich durch Trotz dieser Erkenntnis führen viele Institute im Standardgeschäft noch immer nur ein Kontomodell im Regal und gehen damit nicht auf unterschiedliche Bedarfe und Nutzungsintensitäten ein. Die Geschäftsbanken sind den Weg zu differenzierten Kontomodellen bereits gegangen. Auch rund zwei Drittel der VR-Banken mit einer Bilanzsumme von über 2 Mrd. € bieten ihren Kunden differenzierte Kontomodelle. Bei den Sparkassen hingegen sind es erst 37 Prozent. Dabei ist es essenziell, dem Geschäftsgiro hohe Aufmerksamkeit zu widmen: Der über das Girokonto laufende Zahlungsverkehr definiert in den Augen vieler Geschäftskunden die Hausbankfunktion – es ist das Ankerprodukt für die Kundenbeziehung. ÿ 2 Vor diesem Hintergrund sollten Banken und Sparkassen den Zahlungsverkehr für Firmenkunden nicht als lästige Pflicht, sondern als Chance zur Kundenbindung und -begeisterung sehen. Es empfiehlt sich, das Geschäftsgirokonto nicht allein unter Kostenund Ertragsaspekten zu optimieren. Stattdessen sollten sich Banken mehr darum bemühen, ihren Kunden ein optimales Serviceerlebnis im Zahlungsverkehr zu bieten. Denn in einem weitgehend gesättigten und damit wettbewerbsintensiven Markt werden Bestandskunden zur wichtigsten Quelle des Ertragswachstums – als Anker der Geschäftsbeziehung sind Girokonto und Zahlungsverkehr die zentralen Treiber der Provisionserträge. Ein bedeutender Erfolgsfaktor bei der Neuausrichtung der Geschäftsgirokonten ist somit ein tiefes Verständnis über die sehr heterogenen Kundenbedarfe. Zugleich gilt es, Nutzergruppen im Kundenbestand zu identifizieren, die ähnliche Bedarfe haben und mit optimal zugeschnittenen Angeboten von höheren Preisen überzeugt werden können. Effizienz darf die Kundenbeziehung nicht schwächen Banken müssen in diesem Zuge jedoch auch achtgeben, dass sie sich nicht durch falsch verstandene Effizienzstrategien zu weit von ihren Kunden entfernen, die mehr und mehr von neuen Wettbewerbern umworben werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist, dieses Kundensegment von den eigenen Leistungen zu überzeugen, es stärker mit Produkten und Dienstleistungen zu durchdringen und die Kunden auch emotional zu binden. Das funktioniert auf Dauer nur, wenn eine Bank die Bedürfnisse ihrer Kunden kennt, diese ernst nimmt und sich über alle Bereiche kundenzentriert ausrichtet. Hier gibt es einen enormen Nachholbedarf, da fast alle Banken immer noch sehr angebots- und engpassorientiert denken und handeln. Zwar ist der Anteil der Kunden, die in den vergangenen zehn Jahren ihre Hausbank gewechselt haben, seit 2012 von 36 auf 30 Prozent gesunken. Doch die Gefahr, die Kundenschnittstelle zu verlieren, ist größer denn je. Etablierte Anbieter wie die Targobank nehmen die Geschäftskunden stärker ins Visier, hinzu kommen neue Wettbewerber wie Kontist, Penta oder Holvi, die bevorzugt beim Geschäftsgirokonto und Zahlungsverkehr angreifen, ebenso Anbieter mit breiterem Kun- 34 10 // 2019

MANAGEMENT 2 | Das Geschäftsgirokonto als zentrales Ankerprodukt der Hausbankbeziehung Hieran mache ich fest, dass eine Bank meine Hausbank ist ... Am Geschäftsgirokonto als Ankerprodukt für meinen Zahlungsverkehr 79 % 52 % An der Finanzierung für mein Unternehmen 60 % 52 % An der Geldanlage für mein Unternehmen 53 % 52 % An der Anzahl an unterschiedlichen Bankprodukten, die ich bei der Bank führe 59 % 52 % An meinem persönlichen Berater als erstem Ansprechpartner bei Bankangelegenheiten 64 % 52 % An der Dauer meiner Geschäftsbeziehung 66 % 52 % An der Nähe bzw. Erreichbarkeit der Bank 70 % 52 % An der Möglichkeit, über das Netzwerk meiner Hausbank auch meine Kunden zu erreichen 52 % 52 % Trifft (voll und ganz) zu Trifft (gar) nicht zu Quelle: IM Geschäftsführerstudie 2018, N=230. denfokus wie Fidor oder N26, die mit kostenlosen Geschäftskonten in den Markt treten. Ihr Marktanteil ist zwar noch sehr niedrig. Doch um die Kundenschnittstelle auch in Zukunft zu besetzen, müssen Filialbanken diese Entwicklung im Auge behalten. Angriffe von unerwarteter Seite Bereits mit großer Marktmacht ausgestattet sind Angreifer wie Paypal, Amazon oder Google, die ihre Ambitionen durchaus ernst meinen, wie das mit hohem Druck breit lancierte Apple Pay zeigt. Doch selbst dieser Blick könnte zu kurz greifen – möglich ist, dass sich die potenziell wirklich relevanten Herausforderer noch gar nicht zu erkennen gegeben haben. So könnten Anbieter von Finanzsoftware im Grunde Zahlungstransaktionen oder Cash Management direkt selbst und ohne die Bank des Kunden abwickeln, da sie ohnehin vollen Zugriff auf die Buchhaltungssysteme ihrer Kunden haben. Selbstverständlich müssen Banken ihre Produktwelt sauber aufgestellt haben. Mit Produktdifferenzierung allein werden Banken den Kampf um die Kunden jedoch nicht gewinnen. Sie können im Wettbewerb nur bestehen, wenn sie sich nicht nur auf das Produkt, sondern auf den Kunden fokussieren. Es geht darum, dass auch der Geschäftskunde sich bei seiner Bank wohlfühlt, dass Bankgeschäfte für ihn einfach und komfortabel sind, er sich fair behandelt und wertgeschätzt fühlt – damit er gar nicht erst das Bedürfnis entwickelt, nach Alternativen zu suchen. FAZIT Trotz der zum Teil großen Preisunterschiede sowie dem Eintritt neuer Wettbewerber, die meist über Kampfpreise agieren, führt der Preis (noch) zu keinen deutlichen Wechselbewegungen bei Firmenkunden. Es wäre deshalb nur wenig erfolgversprechend oder sogar hinderlich, in einen Preiswettbewerb zu treten. Stattdessen bestehen weitere Ertragspotenziale und gleichzeitig die Chance zur besseren Kundenbindung, wenn Banken und Sparkassen bei der Neuausrichtung der Geschäftsgirokonten das Preis-, Leistungsund Serviceerlebnis optimal auf die spezifischen Kundenbedarfe in den verschiedenen Segmenten ausrichten. Das gilt nicht nur im Zahlungsverkehr, sondern auch bei der Umsetzung einer Vertriebsstrategie der Zukunft: Mit einer kundenorientierten Differenzierung lassen sich nachweislich bessere Ergebnisse erzielen. Autoren Thomas Wollmann ist Vorstand der auf Finanzdienstleister fokussierten Managementberatung Investors Marketing AG. Thierry Burckhart ist als Senior Manager im gleichen Unternehmen in Frankfurt am Main tätig. 1 Benchmark-Studie der Managementberatung Investors Marketing unter mehr als 200 der jeweils größten Sparkassen und VR-Banken sowie den führenden Geschäftsbanken, 2019. 10 // 2019 35

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