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diebank 10 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT steuerung

MANAGEMENT steuerung sehr rasch effizienter und besser. Die beobachtbaren positiven Effekte des Weglassens waren zudem oft größer als die einer nachfolgenden Optimierung. Strategische Primärziele gegen mögliche Nebenbedingungen Um mit derart einfachen Maßnahmen diese verblüffenden Erfolge generieren zu können, braucht es klare Ansagen des Vorstands. Die Grundlage dafür ist absolute Klarheit darüber, was unbedingt – und was im Optimalfall – erreicht werden soll. Die Erfahrung aus zahlreichen strategischen Management-Diskussionen über eine zukunftssichere Ausrichtung von Geschäftsfeldern zeigt allerdings, dass der Hang zu Kompromissen groß ist. Zu oft erscheinen alle denkbaren Ergebnisdimensionen als wichtig und unverzichtbar. Nachhaltiger Erfolg toleriert aber keine halbherzigen Kompromisse. Eine konsequente Unterteilung in unbedingt zu erreichende strategische Primärziele und bestmöglich zu erfüllende Nebenbedingungen hat dieses Dilemma in der Regel aufgelöst. Nur so konnte eine eindeutige Prioritätenreihenfolge definiert werden bzw. wurde ein Wildwuchs an Steuerungsimpulsen vermieden. Megatrend Nr. 2: Kunden wollen nicht mehr aktiv betreut werden Die Digitalisierung hat die Kundenerwartungen in kürzester Zeit massiv verändert. Noch nie war die Veränderung so groß wie heute. Konkrete Praxiserfahrungen zeigen, dass mittlerweile in manchen Kundensegmenten bis zu 70 Prozent der Kunden nicht aktiv betreut werden wollen. Die Kunden wollen selbst entscheiden, wann sie mit ihrer Bank in Kontakt treten. Und wenn sie das tun, dann erwarten sie einen raschen Zugang zu kompetenten Beratern, optimale Beratungsleistungen mit echtem Nutzwert und vor allem schnelle Lösungen. Auf diese Kundenerwartungen sind Finanzinstitute organisatorisch oft nicht vorbereitet. Die aktuell vorliegenden Konzepte haben dazu geführt, dass die Betreuungskapazitäten auf Basis einer datengestützten Kundensegmentierung in Verbindung mit theoretischen Betreuungsintervallen bemessen wurden. Diese Konzepte rechneten allerdings nicht damit, dass Kunden die für sie vorgesehene Betreuung nicht schätzen. Noch dazu in so hohem Ausmaß. Der Markt wurde sozusagen durch die Bankbrille gesteuert, und die Kundensicht wurde vergessen. Das hat dazu geführt, dass Banken in der Regel zu viele Generalisten, aber zu wenige Spezialisten im Einsatz haben. Duale Betreuung erhöht die Kosten Dieses Dilemma versuchen etliche Häuser durch eine duale Betreuung, bei der ein Kundenbetreuer im Bedarfsfall einen Spezialisten zuzieht, zu lösen. Das mag für viele Kunden angenehm sein. Es verursacht aber auf Dauer deutlich zu hohe Kosten und belastet massiv die im Kundengeschäft erzielten Ergebnisse. Die zuvor beschriebene Problematik der als praxisfern empfundenen Steuerungsimpulse wird durch eine solche Vorgangsweise weiter verschärft. Ein Zuviel an umfassenden Kundenbetreuern trifft auf immer mehr unwillige Kunden, die sich den gutgemeinten Betreuungsangeboten entziehen. Die Kundenbetreuer können so ihre theoretischen Aktivitätsvorgaben kaum erfüllen. Die Spirale aus gegenseitigen Vorwürfen dreht sich immer schneller, und die „Kreativität“ von Mitarbeitern bei der Erfüllung von unrealistischen Zielen wird immer mehr gefordert. Die Rasanz, mit der die Digitalisierung diese zentrale Kundenerwartung geändert hat, überfordert nicht selten alle Beteiligten. Ein Festhalten an überholten Konzepten ist aber mit Sicherheit der falsche Weg. Derart signifikante Veränderungen verlangen deutliche Reaktionen. Erste Banken beginnen bereits, umfassende Kundenbetreuung nur mehr in ganz wenigen Kundensegmenten anzubieten, und das Gros der Privatkunden nur mehr anlassbezogen zu betreuen. Diese radikale Veränderung wird nicht für alle Banken passen. Aber zumindest sollte auf jene Steuerungsimpulse verzichtet werden, die das Wunschdenken der Vergangenheit zementieren. Megatrend Nr. 3: Kundenbeziehungen besser schützen Ein weiterer Effekt der Digitalisierung ist der oft sehr hohe Informationsgrad der Kunden. Die Diskrepanz aus bestens informierten Kunden auf der einen Seite und auf der anderen Seite dem Versuch, Transparenz so gut wie möglich zu vermeiden, führt immer häufiger zu massiver Verärgerung. Das Bestreben, die eigenen Kunden mit möglichst vielen hauseigenen Produkten auszustatten und deshalb auf transparente Informationen über Marktangebote weitgehend zu verzichten, mag kurzfristig erfolgreich sein. Langfristig führt dies jedoch zu einem kaum mehr gutzumachenden Vertrauensschaden. Im Rahmen einer aktuellen Studie der Sparkassenhochschule Bonn wurden 1.500 Kunden nach ihrem Rechercheverhalten bei wichtigen Finanzentscheidungen befragt. Dabei hat sich gezeigt, dass mittlerweile der überwiegende Teil der Kunden Konditionen im Internet recherchiert. Aber fast jeder dieser 28 10 // 2019

MANAGEMENT Bankkunden gibt seiner Hausbank eine Chance und führt ein Beratungsgespräch oder holt Angebote ein. Bislang hatten die Regionalbanken bei diesen Vergleichen oft das Nachsehen. Nun zeigen aber erste vielversprechende Praxiserkenntnisse, dass sich bewusste Transparenz und Ehrlichkeit trotz Konditionsnachteilen lohnen. Auch deshalb, weil Kunden die Vor-Ort-Betreuung durch ihre Hausbank als wertvoller erachten, als anonyme Kostenvorteile im Internet. Man könnte sagen, das Blatt wendet sich ganz langsam. Aus „Geiz ist geil“ wird immer häufiger „Zurück zu den guten alten Werten“. Transparenz gegenüber Konkurrenzangeboten Dazu liegen konkrete Praxiserfahrungen aus dem hart umkämpften Baufinanzierungsmarkt vor. Im Wissen um die teilweise signifikanten Konditionsnachteile entschieden sich einzelne Regionalbanken bewusst dafür, ihre Kunden in Beratungsgesprächen offensiv mit Konkurrenzangeboten zu konfrontieren. Immer dann, wenn die eigenen Konditionen nicht konkurrenzfähig waren, wurden den Kunden anhand eines sorgfältig erarbeiteten Wordings bestehende Vermittlungsmöglichkeiten zu Mitbewerbern präsentiert. Was auf den ersten Blick als paradoxe Intervention erscheinen mag, erwies sich als goldrichtig: Acht von zehn Kunden entschieden sich nämlich dafür, trotz teilweise signifikanter Konditionsnachteile das Angebot ihrer Hausbank zu nutzen. Noch nicht geklärt ist, ob nun das ehrliche Bemühen um Authentizität und transparente Informationen oder schlicht die Annehmlichkeiten der verlässlichen und verfügbaren Vor- Ort-Betreuung das bedeutendere Motiv waren. Wichtig ist, dass Banken die Beziehungsqualität zu ihren Kunden schützen. Der langfristige Erhalt der wirtschaftlichen Basis ist wichtiger als ein kurzfristiger Verkaufserfolg, der eventuell sogar auf Kosten der Zukunft erzielt wurde. Für den Erhalt der Kundenbasis ist in Zeiten der umfassenden Digitalisierung maximale Transparenz eine Grundvoraussetzung. Es muss ja nicht gleich die Maxime einiger momentan erfolgreicher FinTechs gelten, wonach sich die Qualität von Geschäftsmodellen nur über die Größe des Marktanteils und nicht an der damit erzielten Rentabilität bemisst. FAZIT Für ein auch in Zukunft erfolgreiches Kundengeschäft braucht es klare und allgemein akzeptierte Botschaften an die Mitarbeiter. Dafür ist eine massive Reduktion der Steuerungs-Komplexität oft unabdingbar. Das gelingt durch konsequente Konzentration auf die dominierenden Megatrends und den bewussten Verzicht auf Nebenthemen. Autoren Martin Bücher ist Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Biberach. Zuvor war er Vertriebsvorstand der Sparkasse Leipzig. Dr. Andreas Kronabitleitner ist Strategieberater für Banken. Er konzentriert sich seit 20 Jahren auf eine zukunftssichere Steuerung des Kundengeschäfts. 10 // 2019 29

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