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diebank 10 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT ratersicht

MANAGEMENT ratersicht aus: „In Projekten besteht oft Bedarf, mit allen Beteiligten zunächst einen einheitlichen Wissensstand zu erarbeiten, um anschließend Projektziele und Aufgabenfelder näher abgrenzen zu können“ berichtet Robert E. Bopp, der zu den „alten Hasen“ der Nachhaltigkeitsberatung bei EY gehört. Beschaffungsmanagement mit neuen Aufgaben Traditionell subsummieren Finanzinstitute unter dem Beschaffungsbegriff operative und strategische Tätigkeiten für den Bezug von Waren oder Dienstleistungen. Als Leitgrößen stehen Versorgungssicherheit, Kostenorientierung sowie Qualität für das Beschaffungsmanagement im Fokus. Einkaufsvorgänge folgen definierten Strategien und Prozessen. Sie sind vereinfacht im oberen Bereich der Abbildung ÿ 1 dargestellt. Während die traditionelle Sicht sich auf den Bezug einer meist bekannten und klar definierten Ware oder Dienstleistung richtet, ergeben sich im Nachhaltigkeitskontext erweiterte Anforderungen. Zwar greift das Beschaffungswesen vieler Unternehmen heute auf Einkaufspolitiken oder Verhaltenskodizes für Lieferanten zurück, die Nachhaltigkeit explizit ansprechen und kriterienbasiert einfordern. Soweit es um den Einkauf von Beratungsleistungen mit Nachhaltigkeitsbezug geht, können diese Richtlinien aber nur eine Grundlage bilden. Betrifft hier das Engagement externer Berater doch nicht selten komplexe Fragen der Geschäftsausrichtung und Unternehmenstransformation, Aspekte einer wertbezogenen Positionierung im Marktumfeld, das F&E-Management von Neuprodukten oder das Umfeldmanagement in Übereinstimmung mit Stakeholder-Anforderungen sowie internationalen Standards. Ferner spielt neben der eigentlichen Beratungsleistung auch die Nachhaltigkeitsperformance des Beraters selbst eine Rolle, um Qualität und Kredibilität im Dienstleistungsprozess zu sichern. Geht es um bereichsüberschreitende Nachhaltigkeitsthemen, kann das anzustrebende Ziel eines Beratungsprojekts häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt präzise festgelegt werden. Auch kritische Punkte und der tatsächliche Ressourcenbedarf werden nicht selten erst spät im Projektablauf erkennbar. Grundsätzlich kann es daher empfehlenswert sein, größere Beratungsprojekte in kleinere Teilprojekte zu unterteilen und sequenziell zu vergeben. Schon beim Einkauf einer Beratungsleistung stellt die Abkehr von einem unidirektionalen Beschaffungsprozess einen möglichen Weg zur Komplexitätsreduktion und Effizienzsteigerung dar. Dabei können Elemente des agilen Projektmanagements Anwendung finden, um bei einigen Themenstellungen auf die dynamische Projektumgebung zu reagieren. Auch ein stärker iteratives Vorgehen unter Rückgriff auf inkrementelle oder morphologische Ansätze bietet sich sowohl für die Beschaffung als auch für die spätere Projektgestaltung an. Spätestens mit der Lieferantenauswahl übersteigen der Umfang der an einen Nachhaltigkeitsberater zu stellenden Fragen und der Austauschbedarf mit dem Unternehmen das traditionelle Maß (ÿ 1, unterer Bereich) . Eine der Ausschreibung vorgeschaltete Eignungsprüfung nach definierten Kriterien (Präqualifikation) oder eine spezifische Leistungsanalyse potenzieller Berater (Pitch Consulting) kann hier hilfreich sein. Beide Instrumente sind in der Realwirtschaft und im Medienbereich verprobt und begünstigen die zielorientierte und kosteneffiziente Ausschreibung eines Beratungsmandats. Nur potenzielle Berater, die diese erste Hürde der Lieferantenauswahl genommen haben, erhalten anschließend die Aufforderung zur Angebotsabgabe. Ferner rückt, soweit Präqualifikation oder Pitch Consulting intern realisiert werden, bereits ein Projektelement in den Vordergrund, das typisch für Vorhaben zu Nachhaltigkeitsthemen ist: Interaktion, konkret die stärkere themenübergreifende innerbetriebliche Zusammenarbeit zwischen Beschaffung, bedarfsführendem Fachbereich und weiteren Einheiten des Unternehmens. Belastbares Risikomanagement durch TCFD Zu den häufig von Banken und Versicherungen abgerufenen nachhaltigen Beratungsleistungen zählt Unterstützung im Zusammenhang mit dem Klimaschutz. Vor allem die Umsetzung der Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) hat sich dabei zum „Lieblingsthema“ entwickelt. Die 2015 vom Financial Stability Board (FSB) ins Leben gerufene Initiative veröffentlichte Mitte 2017 Empfehlungen für eine bessere Erfassung, Bewertung und Offenlegung von Klimadaten. Sie betreffen alle Branchen und sollten zunächst dazu dienen, die Messlatte freiwilliger Transparenzstandards höher zu legen. Die Empfehlungen und ihre Handlungshilfen fanden unvermittelt sektorübergreifend breite Akzeptanz. Erstens, weil die TCFD ihre Arbeit auf die prospektive Betrachtung der Wirkung von physischen und transitorischen Klimarisiken auf die Geschäftsmodelle von Unternehmen ausgerichtet hatte. Zweitens, weil die Verwendung von Szenariotechniken, wie sie die TCFD vorschlägt, zu den bereits bekannten Prognoseansätzen in Unternehmen zählt. Drittens, weil die Umsetzung der Empfehlungen hoch anschlussfähig zu etablierten Managementkonzepten ist. Und viertens, weil die Empfehlungen Unternehmen einen niederschwelligen Zugang und die Ausgestaltung unternehmensindividueller Konzepte in einem neuen Themenfeld gestatten. Obwohl erst vor drei Jahren veröffentlicht, haben sich die Empfehlungen der TCFD daher bereits als faktisch regulativ wirkender Standard etabliert. Sie sind u. a. ab 2020 Voraussetzung für eine Berichterstattung nach Maßgabe der Principles for Responsible Investment (UN- PRI) und haben Eingang in den Aktionsplan der EU gefunden. 22 10 // 2019

MANAGEMENT 1 | Präqualifikation und Pitch Consulting bei Beschaffung nachhaltigkeitsbezogener Dienstleistungen Einkaufsstrategie Produkt- und Leistungsmanagement Lieferantenmanagement Prozessmanagement Risikomanagement Prozessebene Bedarfs- und Lieferantenerklärung Einkaufsprozess Controlling Aufgabenebene Bestandsevidenz & Bedarfserhebung Ausschreibung & Angebot Projekt- & Budgetfreigabe Lieferantenauswahl Vertragsverhandlung & Abschluss Beschaffungsüberwachung Leistungs-/ Warenempfang Projektcontrolling & Zahlungsabwicklung Projekt- und Aufgabenoptimierung durch Präqualifikation und Pitch Consulting Nachhaltigkeitsstrategie Weitere Elemente der Geschäftsstrategie Quelle: ecofin (2019). Methodisch stellten die Empfehlungen der TCFD auf die vorausschauende Betrachtung der Wirkungen des Klimawandels auf Geschäftsmodelle von Unternehmen ab. Dabei wird analysiert und berichtet, welche Konsequenzen sich aus der Erderwärmung unter Annahme verschiedener Klimaszenarien für die Risikoexposition oder auch die Ertragssituation eines Unternehmens ergeben. Ein häufiges Klimaszenario – unter vielen möglichen – basiert auf dem international anerkannten Schutzziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf 2° Celsius gegenüber vorindustriellem Niveau. Grundlage sind die Zielsetzungen der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris (COP21). Die Finanzwirtschaft blickt als Dienstleister aller Wirtschaftszweige hierbei besonders sorgsam auf Risikopositionen, die ihr aus dem Kundengeschäft entstehen. Dies gilt vor allem bei Sektoren, deren Geschäftsmodelle von der Transformation zu einer klimaverträglicheren Wirtschaftsweise besonders betroffen sind, etwa Energieversorgung, Mobilität oder Land- und Forstwirtschaft. Das Deutsche Global Compact Netzwerk (DGCN) hat die Empfehlungen der TCFD anschaulich zusammengefasst und spricht von dem Erfordernis, zunächst ein genaueres Verständnis von Risiken und Chancen in Unternehmen zu entwickeln. Dass sich gerade die Finanzbranche nun sehr offen gegenüber den Empfehlungen zeigt, begründet sich im systemimmanenten Risikobewusstsein des Sektors. Vom Asset Management bis zum Kreditrisikomanagement besteht in allen Geschäfts- und Kundenbereichen traditionell eine hohe Sensibilität gegenüber solchen Umfeldfaktoren, die die Schulddienstfähigkeit von Kreditnehmern oder die Ertragskraft von Investments gefährden können. Gleiches gilt nun für Klimarisiken. Auch das derzeit zur Konsultation stehende Merkblatt der BaFin adressiert dieses Risikobewusstsein. Beachtung verdient der Befund, dass die Kernintention der TCFD, das Risikobewusstsein durch verbesserte Transparenz zu fördern, heute nur ein Einsatzfeld ist. Denn die Empfehlungen richten sich explizit nicht nur an das Risikomanagement, sondern eben auch an Governance sowie Strategie- und Verfahrensebenen von Unternehmen. Damit sind vier Kernbereiche der Unternehmenssteuerung angesprochen, in denen klimabezogene Aspekte Relevanz besitzen. Nur mit externer Beratung ins Kerngeschäft? Das themen- und bereichsübergreifende Einsatzspektrum der Empfehlungen der TCFD veranschaulicht exemplarisch die Herausforderungen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsprojekten in Finanzinstituten. Die TCFD als Framework sind für Banken und Versicherungen neu, interne Kompetenz oder Erfahrungswissen fehlt. Auch wurden Klimathemen zumindest in der Breite der Institute bisher noch kaum aus dem Gesichtspunkt des Kerngeschäfts adressiert. Die Anwendung der TCFD betrifft darüber hinaus das Zusammenspiel mehrerer unternehmerischer Handlungsfelder, die in ihrer Gestaltung traditionell eher isoliert betrachtet wurden. Die Umsetzung eines TCFD-Projekts fordert einem Finanzinstitut daher – soll sie intern erfolgen – merklichen Planungs- und Ressourcenbedarf ab. Und sie er- 10 // 2019 23

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