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diebank 09 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG 1 |

DIGITALISIERUNG 1 | Hoher Reifegrad der Effizienzhebel generiert bessere Leistungsfähigkeit 15 Top Performer Anzahl der umgesetzten Effizienzhebel Average Performer Low Performer 1 Ratenkredite Baufinanzierungen Gewerbliche Kredite Unterdurchschnittlich Durchschnitt Durchlauf- und Bearbeitungszeiten Überdurchschnittlich Quelle: Horváth & Partners. bereich, wodurch die hohe Relevanz des Vertriebskanals in diesem Segment unterstrichen wird. Wir gehen für die Zukunft von einer zunehmenden Bedeutung von Plattformen für das Kreditgeschäft in allen Kreditarten aus. Bei den befragten Instituten ist die Digitalisierung insbesondere beim Kreditbeschluss, bei den Online-Antragsstrecken, der Bilanzanalyse und der elektronischen Kreditakte weit verbreitet. Die Digitalisierung der Kundenschnittstellen durch Self-Service-Tools (18 Prozent) weist bei den Teilnehmern hingegen einen weniger weit fortgeschrittenen Reifegrad auf. Kaum eingesetzt werden RPA-Lösungen (3 Prozent). Zur Hebung der Effizienzpotenziale ist die vollständige End-to-End-Digitalisierung des Kreditprozesses empfehlenswert. 42 Prozent der befragten Institute setzen bereits auf Online-Antragsstrecken im Kreditgeschäft, 18 Prozent planen die zeitnahe Einführung einer solchen Anwendung. Durch die Digitalisierung der Kundenschnittstelle erweitern Anbieter ihr Leistungsportfolio unabhängig von Öffnungszeiten und Standorten. Gerade die aktuelle Corona-Krise und der damit einhergehende Lockdown haben die Relevanz verdeutlicht. Wir gehen davon aus, dass Online- Antragsstrecken zum neuen Standard werden. Bereits 61 Prozent aller Teilnehmer nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung beim Kreditabschluss. Dies erhöht die Handlungsund Entschlussfähigkeit der Marktfolge sowie der beteiligten Gremien und senkt gleichermaßen die Durchlaufzeit der Kreditanträge spürbar. Investitionen sind schnell amortisiert und erfahren dadurch immer größere Beliebtheit. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer nutzt bereits die Digitalisierung im Rahmen der Bilanzanalyse, 24 Prozent planen dies. Durch die automatisierte Auswertung und direkte Migration der Daten in die internen Systeme verringert sich die Bearbeitungszeit signifikant. 88 Prozent der Teilnehmer nutzen zumindest teilweise oder vollumfänglich die elektronische Kreditakte zur effizienten Bearbeitung einer Kreditanfrage. Die elektronische Kreditakte schafft eine einheitliche Aktenstruktur, stellt die gewünschten Ablageformate und die Datenqualität sicher und reduziert Such- und Ablagezeiten deutlich. Durch die Digitalisierung der Kreditakte können auch standortübergreifend Marktfolgeabteilungen reibungslos zusammenarbeiten. Gerade in Zeiten von Konsolidierungen empfehlen wir daher eine Umsetzung. Robotic Process Automation noch kein Standard Der Einsatz von Robotics-Lösungen (RPA) ist im Kreditgeschäft nicht als Marktstandard einzustufen. Bisher werden diese Lösungen vor allem für die Datenanlage und -eingabe sowie für die Vertragserstellung genutzt. Der kombinierte Einsatz einer Online-Antragsstrecke im Frontend und einer RPA-Lösung im Backend sorgt für eine hohe Prozesseffizienz und schafft eine bessere Datenqualität. Bestehende systemseitige Hürden können durch eine RPA-Lösung schnell und einfach beseitigt werden und so die Durchlaufzeit steigern. Self-Service-Tools werden zwar aktuell nur von 18 Prozent der Teilnehmer genutzt, jedoch planen bereits 48 Prozent eine Einführung. Die steigende Kundennachfrage und -erwartung dürfte ein weitreichendes Self-Servicing im Kreditgeschäft, beim Ratenkredit und bei der Baufinanzierung erforderlich machen. Die Kunden adaptieren Marktstandards aus anderen Branchen und erwarten diese zukünftig ebenfalls von ihrem Institut zur orts- und zeitunabhängigen Durchführung von Anfragen. Die Nutzung von Data Analytics im Kreditgeschäft ist mäßig verbreitet und findet nur bei gut einem Drittel der befragten Institute 66 09 // 2020

DIGITALISIERUNG statt. Am häufigsten wird Data Analytics für die Erstellung von Ratings oder Scorings und zur Risikofrüherkennung eingesetzt. Das Potenzial durch die Nutzung von Data Analytics wird somit im Markt noch nicht wahrgenommen. Dabei können Risiken in mehreren Dimensionen bewertet werden, was gerade in der aktuellen Krise von Vorteil ist, da bestehende Ratingsysteme an ihre Grenzen stoßen. Ebenso arbeiten aktuell nur 12 Prozent der Institute mit einem FinTech zusammen. Interessanterweise scheinen die Potenziale einer solchen Kooperation hingegen im Markt erkannt worden zu sein: 26 Prozent der Institute streben zeitnah eine Zusammenarbeit mit einem FinTech im Kreditgeschäft an. Um die Kundenschnittstelle nicht zu verlieren, sollten FinTechs also punktuell in die eigene Wertschöpfungskette eingebunden werden. Optimierung der Kreditprozesse Zur Optimierung der Kreditprozesse sind unserer Meinung nach zwei Handlungsfelder konsequent zu verfolgen. Das erste Handlungsfeld ist die aktive Prozessgestaltung, die sich in sechs Effizienzhebel untergliedert: Z Etablierung Fallabschluss, Z Überarbeitung Aktivlinie, Z Einführung differenzierter Prozessstraßen, Z bessere Workflow-Unterstützung, Z Erweiterung der Grenzen und Kompetenzen, Z Optimierung der Gutachter. Das zweite Handlungsfeld ist die Umsetzung der Digitalisierung im Kreditprozess, untergliedert in die Effizienzhebel, Z Einführung Plattformgeschäft, Z Etablierung digitale Kreditakte, Z Nutzung von Data Analytics, Z Etablierung von Online-Antragsstrecken, Z Nutzung der digitalen Bilanzanalyse, Z Einbindung von Self-Service-Tools, Z Anwendung des digitalen Kreditabschlusses, Z Hinzunahme der RPA-Technologie, Z Kooperieren mit FinTechs. Diese beiden Handlungsfelder sind von strategischer Bedeutung für Institute, um den zukünftigen Marktanforderungen des wachsenden Kreditgeschäfts Rechnung zu tragen. FAZIT In einem sich schnell und kontinuierlich verändernden Umfeld wandeln sich auch die Kreditprozesse. Die Studienergebnisse zeigen jedoch, dass der überwiegende Anteil der Institute bei weitem noch nicht so fortschrittlich ist wie bislang angenommen. Viele kämpfen noch immer mit historisch gewachsenen, komplexen Prozessstrukturen sowie inkonsequent umgesetzter Digitalisierung. Die Top Performer können bereits optimierte Durchlauf- und Bearbeitungszeiten vorweisen, wodurch die Dauer von der ersten Kundenanfrage bis zur verbindlichen Zusage (Time to Yes) erheblich verkürzt wird. Zusätzlich weisen die Top Performer eine optimierte Dauer von der ersten Kundenanfrage bis zur Auszahlung (Time to Cash) auf. Nur wenn Institute die vorstehend genannten Handlungsfelder für die Optimierung der Kreditprozesse stringent umsetzen und verfolgen, können sie ihre aktuell starke Position halten und absichern. Je besser dies gelingt, desto erfolgreicher werden die Institute in einem immer anspruchsvoller werdenden Marktumfeld in den kommenden Jahren bestehen und wachsen können. Autoren Moritz Meyer (Foto links) begleitet als Managing Consultant Banken bei der digitalen Transformation und der Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Dr. Ingo Kipker (Foto rechts) ist Partner und verantwortet alle Strategie-, Innovations- und Vertriebsprojekte bei Banken. Beide sind tätig im Competence Center Financial Industries bei Horváth & Partners Management Consultants. Studiendesign Über einen Online-Fragebogen hat Horváth & Partners für die Studie „Kreditprozesse der Zukunft 2020” im Zeitraum November 2019 bis Mär 2020 die Teilnehmer zu den Kreditprozessen im eigenen Institut befragt. Dabei wurden sowohl qualitative als auch quantitative Angaben erhoben. Die Auswertung der Umfrageergebnisse erfolgte mittels deskriptiver Statistik. Die Teilnehmer stammen aus Volks- und Raiffeisenbanken (33 Prozent), Geschäftsbanken (27 Prozent), Sparkassen (24 Prozent), Spezialinstituten (11 Prozent) und Service-Dienstleistern (5 Prozent). Innerhalb ihrer Institute sind die Teilnehmer als Verantwortliche in der Marktfolge/Backoffice oder im Vertrieb tätig. An der Umfrage haben mehrheitlich größere Institute teilgenommen, die unterschiedlichste Kreditvolumen betreuen. Knapp mehr als die Hälfte der Teilnehmer betreute im Zeitraum der Datenerhebung mehr als 2 Mrd. € Kreditvolumen. 09 // 2020 67

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