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diebank 09 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT INTERVIEW Deutsche

MARKT INTERVIEW Deutsche Banken noch sehr vorsichtig in Afrika In Afrika kennt sich Prof. Dr. Stefan Liebing bestens aus. Seit Anfang 2012 ist er Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Als Geschäftsführer der Hamburger Conjuncta GmbH entwickelt er zudem vor Ort Projekte für die Infrastruktur, etwa in der Energie- oder in der Logistikbranche. Alle zwei bis drei Wochen reist Liebing nach Afrika, hat mittlerweile fast alle 54 Staaten besucht. Seit 2018 ist er Honorarkonsul von Kamerun. Mit Liebing sprach unsere Autorin u. a. über das Engagement deutscher Banken auf dem Kontinent. die bank: Herr Professor Liebing, wann waren Sie das letzte Mal in Afrika? Stefan Liebing: Ende Februar. Danach haben viele afrikanische Länder die Grenzen geschlossen. Seither versuchen wir, Projekte per Videokonferenzen weiterzuführen. die bank: Wie hat sich die Pandemie auf die deutsch-afrikanischen Wirtschaftsbeziehungen bislang ausgewirkt und mit welchen Folgen rechnen Sie mittelfristig? Liebing: Ich erwarte kurzfristig eine Rezession in Afrika. Die strengen Shutdown-Maßnahmen, die Reisebeschränkungen, aber auch eingeschränkte Lieferketten treffen die afrikanischen Staaten wirtschaftlich hart und führen dazu, dass auch deutsche Unternehmen in ihren Aktivitäten aktuell stark beeinträchtigt sind. Das Interesse vieler Firmen, ihre Geschäftstätigkeit in Afrika weiterzuführen, ist trotzdem unverändert. Manche Mittelständler merken jetzt auch, dass unser Nachbarkontinent interessante neue Absatzmärkte bietet und die Ausfälle beim Export in andere Regionen ein wenig kompensieren könnte. Wir sollten möglichst zügig daran arbeiten, dass die positive Entwicklung vieler afrikanischer Staaten der vergangenen Jahre beim Thema Investitionen, Handel und Projekte durch die Krise nicht zu stark beeinträchtigt wird. Bei Überlegungen über eine Diversifizierung der Lieferketten sollten Unternehmen unbedingt Afrika als eine zusätzliche Möglichkeit ins Auge fassen. die bank: Vor knapp zehn Jahren stand Afrika schon einmal vor einem großen Aufschwung, dann bremste die Rohstoffkrise viele Länder aus. Wo steht der Kontinent heute? Liebing: Bis 2016/17 hat das Geschäft stagniert, seitdem geht es aber wieder aufwärts. Für deutsche Investitionen war 2018 mit 1,5 Mrd. ¤ ein Rekordjahr. Für 2019 gibt es noch keine Zahlen, es dürfte aber ähnlich gut gelaufen sein. Beim Handelsvolumen hat Deutschland mittlerweile sogar Frankreich eingeholt. Nun macht sich durch die Krise natürlich eine zögerliche Stimmung breit. Das liegt aber an der generellen Abkühlung der Konjunktur und der Furcht vor einem Abschwung. die bank: Die Bundesregierung hat mit ihrem Marshallplan für Afrika zahlreiche Initiativen angestoßen. Wie förderlich sind diese für das Geschäft der Unternehmen? Liebing: Der größte Verdienst dieser Initiativen ist, dass sie durch große Investorenkonferenzen mediale Aufmerksamkeit bringen und Unternehmer so auf den Kontinent aufmerksam machen. Wenn Deutschland sein Geschäft ausweiten will, kommt es vor allem darauf an, wie der Mittelstand zu Afrika steht. Die großen Konzerne sind ja bereits aktiv. Derzeit sind vor Ort erst 1.000 Unternehmen, wir haben aber rund 400.000 Mittelständler, die ins Ausland exportieren oder dort investieren. Und diese Mittelständler müssen ihre übertriebene Furcht vor Afrika überwinden. Das wird aber nur gelingen, wenn der Bund die Konditionen für Her- 16 09 // 2020

MARKT Mauretanien und im Senegal Verpackungen produziert. Zunehmend verlagern deutsche Unternehmen auch Teile ihrer IT, etwa nach Ruanda oder Kenia. Allianz hat z. B. ein Rechenzentrum in der Elfenbeinküste. In Nigeria gibt es mittlerweile mehr Technologie-Hubs als in Südafrika, und Nigeria beheimatet auch die nach Indien zweitgrößte Filmindustrie der Welt, immerhin größer als Hollywood. Das sind spannende Sektoren, die viele gar nicht auf dem Schirm haben. Und dennoch: Für hochkomplexe Turbinen, eine S-Klasse oder Industrie-4.0-Produkten sind die Märkte aber sicher noch nicht weit genug entwickelt. mes-Kreditbürgschaften noch weiter verbessert, Finanzierungen erleichtert und die Länder selbst das Investitionsklima verbessern, indem sie Korruption bekämpfen, Bürokratie abbauen, Rechtssicherheit schaffen und die Infrastruktur verbessern. Afrika mag nicht perfekt sein, aber viele Länder sind besser als ihr Ruf. die bank: Ihren Entwicklungsinvestitionsfonds hat die Bundesregierung mit 1 Mrd. ¤ ausgestattet. Verglichen mit den 2018er Investitionen deutscher Firmen von 1,5 Mrd. ¤ ist das ja ein ansehnlicher Betrag. Liebing: Allein 400 Mio. ¤ stehen im Rahmen von „Africa- Connect“ zur Verfügung, um zinsgünstige Kredite ohne Sicherheit an Mittelständler zu vergeben, die in sechs ausgewählten Reformländern investieren wollen. Dabei geht es um Kredite zwischen 1 und 4 Mio. ¤ und damit um Summen, die für viele Banken angesichts des hohen Prüfaufwands eigentlich zu klein sind. Seit dem Programmstart im Sommer 2019 hat die KfW-Tochter DEG mehr als einige 100 Anfragen erhalten. Das zeigt, dass definitiv Interesse da ist. die bank: Für welche Branchen ist der Kontinent interessant? Liebing: Die Bandbreite ist groß, angefangen von Energie, Verkehrsinfrastruktur, Automobilindustrie und -zulieferer. Es passiert bereits viel mehr, als viele denken. Ich habe kürzlich ein Familienunternehmen aus Baden-Württemberg kennengelernt, das in die bank: Wie beurteilen Sie das Engagement deutscher Banken in Afrika? Liebing: Deutsche Banken agieren noch sehr vorsichtig und konservativer als die Institute der europäischen Nachbarn. Das erschwert es für die hiesigen Unternehmen, Finanzierungen für ihre Projekte zu finden. Aufgrund der Historie können französische und britische Banken die Länder und deren Risiken sicher besser einschätzen. Die Zurückhaltung hat aber auch etwas mit der strengen Regulierung des Bankgeschäfts zu tun. Und last but not least ist die Branche in Deutschland viel kleinteiliger aufgestellt als im Ausland. Für eine Sparkasse oder Volksbank dürfte es manchmal schwierig sein, die Lage etwa in Ostafrika einzuschätzen. die bank: Afrika ist ein extrem heterogener Kontinent. Gibt es trotzdem Dinge, die Sie in allen Staaten gleichermaßen schätzen? Liebing: Es wird ein sehr enger persönlicher Austausch gepflegt, ganz anders als in Deutschland, wo die Ergebnisse von Excel-Tabellen manchmal wichtiger erscheinen als die menschlichen Kontakte. Man kann in Afrika nur erfolgreich sein, wenn Vertrauen zwischen den Geschäftspartnern besteht. Und Afrika ist für Überraschungen gut. In Nairobi etwa funktioniert das Mobilfunknetz besser als in Berlin. In Addis Abeba stehen mehr Wolkenkratzer als in Frankfurt. Wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, dass manche Länder anders funktionieren, kann unternehmerisches Engagement in Afrika sehr erfolgreich sein. die bank: Herr Liebing, vielen Dank für das Gespräch. Die Fragen stellte Eli Hamacher. 09 // 2020 17

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