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diebank 09 // 2019

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT ter anderem

MANAGEMENT ter anderem auch der Zeitpunkt, an dem der jeweilige Zinssatz feststeht. Bisher melden in Deutschland die zwei Dutzend Benchmark-Banken jeden Tag ihre voraussichtlichen Zinssätze. Daraus wird dann noch am selben Tag der EURIBOR ermittelt. Bei den neuen Zinssätzen errechnen sich die Werte aber aus den tatsächlich getätigten Transaktionen eines Tages – das heißt, der daraus ermittelte Zinssatz steht erst am Morgen des nächsten Kalendertags fest. Das muss sich in den neuen Prozessen wiederfinden. Die Banken müssen auf der Grundlage der neuen Referenzzinssätze alte Produkte entsprechend anpassen bzw. neue Produkte entwickeln. Neben Geld- und Kapitalmarktprodukten geht es auch um Darlehen und Finanzierungen. Das heißt neben den Firmenkunden sind auch die Privatkunden von den Änderungen betroffen. Diese Veränderungen machen es nötig, auch die eigenen Mitarbeiter auf den Wechsel vorzubereiten und gegebenenfalls zu schulen, damit sie die Kunden zum richtigen Zeitpunkt informieren und beraten können. Die größte Gefahr, in der sich die Banken befinden, ist es, die Notwendigkeit des schnellen Handelns nicht zu erkennen und so kostbare Zeit verstreichen zu lassen, die sie sonst für sinnvolle Maßnahmen hätten nutzen können. des Transaktionsportfolios erfolgen, die darlegt, welche Verträge mit welchem Volumen von den anstehenden Änderungen betroffen sind. Je nachdem, ob eine Bank nur im Euroraum aktiv ist, oder auch Verträge in anderen Währungen im Portfolio hat, gilt es auch hier nochmal genau hinzusehen. Im Euroraum wird der EONIA durch den ESTER ersetzt, und die entsprechenden Verträge müssen gegebenenfalls neu verhandelt werden. Der EURIBOR wird gegen Ende des Jahres neu berechnet, und Banken müssen prü- Aktiv werden, und die Krise vermeiden Um die von der EU gewährte Frist so sinnvoll wie möglich zu nutzen, sollten Banken ihr Vorgehen entsprechend strategisch planen. Dazu gehört zum einen, die Umstellung als Projekt mit verschiedenen Teilprojekten anzulegen und genau zu überlegen, wo die Leitung dieses Projekts angesiedelt sein muss. Je nach Ausrichtung und interner Struktur der Bank sind ganz unterschiedliche Lösungen sinnvoll. Während es in manchen Banken folgerichtig ist, dieses Projekt beim Treasury aufzuhängen, kann es in anderen Banken zielführender sein, wenn das Projekt von den Abteilungen Legal oder Compliance geführt wird. Als nächster Schritt ist eine detaillierte Analyse der Ist-Situation erforderlich. Über ein Monitoring muss eine Bestandsaufnahme 40 09 // 2019

MANAGEMENT fen, ob hier im Einzelfall eine Neuverhandlung bzw. ein Repapering nötig ist. In den anderen Währungsregionen lassen sich bereits die neu eingeführten Zinssätze verwenden – konform mit den regulatorischen Vorgaben der EU. Hier besteht also schon die Option, nicht nur Neuverträge zu schließen, die auch über den 1. Januar 2022 hinaus die regulatorischen Vorgaben erfüllen, sondern auch bereits mit dem Repapering zu beginnen und die alten problematischen Verträge durch neue zu ersetzen. Am Ende des Monitorings kann die Bank genau abschätzen, wie viel Aufwand das Repapering mit sich bringen wird, welche Optionen sich daraus ergeben und welche Ressourcen sie dafür einplanen muss. Für Banken stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob sie die Umstellung jetzt mit größtmöglicher Energie vorantreiben wollen, um dann zeitnah neue Verträge nur noch mit den neuen, EU-konformen Zinssätzen abzuschließen. Dies setzt voraus, dass die Hausaufgaben gemacht wurden und nicht nur die Prozesse, sondern auch die Mitarbeiter in der Lage sind, die neuen Anforderungen zu erfüllen. Die fragliche Alternative wäre, mit der tatsächlichen Umstellung noch zu warten und bis dahin weiter Verträge mit den alten Zinssätzen abzuschließen. Der entscheidende Nachteil bei dieser Variante ist, dass jeder dieser neuen Verträge, der über den 1. Januar 2022 hinaus läuft, wieder nachverhandelt werden muss und damit zusätzlichen Aufwand bedeutet. Die Empfehlung kann daher nur lauten, so schnell wie möglich das Projekt-Set-up in Angriff zu nehmen und dann mit der eigentlichen Umstellung zu beginnen. Dafür gilt es, einen zeitlichen Fahrplan aufzustellen und die verschiedenen Teilprojekte wie IT-Lösung, Mitarbeiterschulungen, Portfolioanpassungen und natürlich Repapering ausreichend zu berücksichtigen. Zwischenreportings und definierte Teilziele sorgen dafür, dass das Projekt in den vorgesehenen Bahnen verläuft. FAZIT Die Ablösung der Interbank Offered Rates birgt für Banken ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Institute, die heute schon aktiv werden und die richtigen Maßnahmen ergreifen, ersparen sich selbst, ihren Mitarbeitern und auch ihren Kunden viel Ärger durch das richtige Vorgehen und müssen keine Angst vor der Umstellung haben. Autor Oliver Schlicht, Partner bei Baringa Partners in Düsseldorf, ist Experte für den Finance-Bereich und berät Banken seit vielen Jahren in unterschiedlichen Change-Prozessen. 09 // 2019 41

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