BERUF & KARRIERE ter aus der athenischen Staatskasse. All diese Termine klingen plausibel, was die Wiederaufnahme der Münzprägung betrifft, sagen aber nichts darüber, ob zugleich auch das Münzbild (Auge frontal oder im Profil) geändert wurde. Zuletzt hat H. J. Kroll [3] diese herrschende Meinung nochmals mit dem Hinweis auf die in Sizilien gemachten Funde begründet. Darin befanden sich in der Tat zahlreiche Münzen neuen Typs, also mit dem Auge der Athena im Profil. Die Datierung dieser Funde ist aber – wegen eines möglichen Zirkelschlusses – infrage gestellt worden. Es macht auch stutzig, dass in den Funden aus dem 4. Jh. v. Chr. die Münzen des archaischen Typs so zahlreich, dagegen die des neuen Typs nur so gering vertreten sind. Vor diesem Hintergrund sind zwei neue, bei offiziellen Ausgrabungen in Athen und Klazomenai (Türkei) gemachte Funde von besonderen Interesse. Die auf der Agora in Athen gefundenen Münzen neuen Typs wurden nicht in die Jahre um 390, sondern in die Zeit von 380-370 v. Chr. datiert. Dieser Datierungsvorschlag wird durch den 1998 in Klazomenai gemachten Fund bestätigt. Er enthielt stempelfrische athenische Münzen neuen Typs, also mit dem Auge im Profil, und konnte aufgrund des baulichen Kontexts und der bei der Ausgrabung gefundenen Keramik in die Zeit zwischen 360 bis 330 v. Chr. datiert werden. Das spricht für die Annahme, dass Athen die Münzen des neuen Typs nicht schon um 390, sondern erst um 370 v. Ch. einführte. Exkurs: Das athenische Münzgesetz An dieser Stelle kommt dem athenischen Münzgesetz aus dem Jahr 374 v. Chr., das vor einigen Jahrzehnten auf der Agora von Athen gefunden wurde, eine besondere Bedeutung zu. Das Gesetz regelte die damals unter den Händlern und Geldwechslern strittige Frage, ob Münzen, die nicht in Athen, sondern im Ausland geprägt worden waren, der gesetzlichen Annahmepflicht unterliegen. Es besagte auch, dass diese im Ausland geprägten Münzen zugelassen waren, sofern sie aus gutem Münzmetall bestanden. Im Jahr 374 v. Chr. müssen also noch so zahlreiche Münzen des archaischen Typs im Umlauf gewesen sein, dass deren Gültigkeit im Markt zu Streitigkeiten führte. Auch daraus kann man den Schluss ziehen, dass damals noch keine Münzen des neuen Typs, d. h. mit dem Auge der Athena im Profil, eingeführt worden waren. Die Währungsreform in Athen von 353 v. Chr. Die nächste Währungsmaßnahme ist aufgrund einer Publikation von H. J. Kroll [4] unstrittig. Im Jahr 353 v. Chr. hat in Athen eine Währungsreform stattgefunden, bei der umlaufende athenische Münzen für ungültig erklärt und neue geprägt wurden. Hintergrund dieser Maßnahme könnte gewesen sein, dass Athen eine drohende Finanzkrise durch den Umtausch der Münzen (gegen Gebühr) abwenden wollte. Dafür, dass damals eine Notlage bestand, spricht auch, dass Athen in diesen Jahren zum ersten Mal Bronzemünzen ausgegeben hat. Obwohl die Münzbilder – der Kopf der Athena auf der Vorderseite und die nach rechts stehende Eule auf der Rückseite – in der Währungsreform unverändert blieben, sind die neu ausgeprägten Stücke leicht zu erkennen: Die Schrötlinge sind oval und am Rand geschichtet. Die Palmette am Helm der Athena hat die Form des griechischen Buchstabens Pi, weshalb bei diesen Münzen vom Pi-Stil gesprochen wird. Dass Athen Mitte des 4. Jh. v. Chr. eine Währungsreform durchgeführt hat, war schon aufgrund des 1969 gemachten Funds von Thorikos (einem Ort im Laurion-Gebirge 86 07 // 2019
BERUF & KARRIERE nahe Athens) angenommen worden. Der bereits erwähnte neue Fund von Klazomenai bestätigte diese Annahme. Denn er enthielt mehrere stempelfrische, in der Währungsreform von 353 v. Chr. neu ausgeprägte Pi-Stil- Tetradrachmen. Politischer Bedeutungsverlust vs. wirtschaftlicher Wohlstand Trotz der – aus der Not geborenen – Währungsreform war die athenische Tetradrachme Mitte des 4. Jh. v. Chr. immer noch die wichtigste Währung der damaligen Welt. Sie dominierte den Geldumlauf vom Mittelmeer bis nach Indien. In diesen Ländern waren noch viele Münzen des archaischen Typs im Umlauf, aber ebenso gab es zahlreiche Funde von Pi-Stil-Münzen in Ägypten und im Nahen Osten. Diese Funde spiegeln die Bedeutung von Athen wider, das im 4. Jh. v. Chr. an Wirtschaftskraft gewonnen hatte und immer mehr ein Zentrum griechischer Kultur, Philosophie und Kunst wurde. Die Einnahmen des Staats erhöhten sich, zum Teil auch wegen des wieder verstärktem Silberabbaus. Selbst als Athen mit der Niederlage gegen den makedonischen König Philipp II. im Jahr 338 v. Chr. an politischem Einfluss verlor, erlebte es nochmals eine wirtschaftliche Blüte: Die Staatseinnahmen stiegen auf jährlich 1.200 Talente, mehr also als zur Zeit von Perikles. Nimmt man all diese Aspekte zusammen, kommt man zu dem Ergebnis, dass das Athen des 4. Jh. im Verhältnis zu dem des 5. Jh. v. Chr. nicht unterschätzt werden darf. Das Ende der athenischen Weltwährung (296 v. Chr.) Seine Vormachtstellung verlor Athen einige Jahrzehnte später mit der Einführung der Münzen Alexanders des Großen. Das „Alexandergeld“ setzte sich nach dessen Eroberungszug schnell durch: Zuerst mit der Soldzahlungen an die Soldaten und nach seinem Tod mit den Kämpfen unter den Diadochen. Der schon erwähnte Irak-Fund, der zwischen 323 und 315 v. Chr. datiert wird, enthielt noch 165 athenische Münzen, aber bereits 114 Tetradrachmen Alexanders. Eine letzte Blüte erlebte die Münzprägung Athens mit der Ausgabe einer Goldmünze in der Zeit der Belagerung Athens durch Demetrios Poliorketes im Jahr 296 v. Chr. Das Gold stammte wiederum aus den Staatsreserven auf der Akropolis – diesmal aus den Goldplatten an der berühmten, von Phidias geschaffenen Statue der Athena im Parthenon-Tempel. Mit der makedonischen Eroberung endete die Periode der Pi-Stil-Münzen und für einige Zeit überhaupt die Münzprägung in Athen. Trotzdem blieben die „Eulen“ von Athen die wichtigste Währung im griechischen Mutterland, bis mit den römischen Bürgerkriegen Mitte des 1. Jh. v. Chr. ein neues Kapitel der Währungsgeschichte aufgeschlagen wurde. Autor Dr. Dieter Bellinger ist profunder Kenner der antiken Münzwelt. Er betreut die Münzdatenbank der Universität Bonn und führt aufgrund eines Lehrauftrags des Archäologischen Instituts Lehrveranstaltungen über antike Wirtschaftsund Geldgeschichte durch. Literaturhinweise: [1] C. Flament, Le monnayage en argent d`Athènes, Louvain-la Neuve 2007, S. 155-276. [2] P. G. van Alfen, Mechanisms for the Imitation of Athenian Coinage: Dekeleia and Mercenaries reconsidered, Revue Belge Numismatique CL- VII (2011) S. 55-93. [3] H. J. Kroll, Athenian Tetradrachm Coinage of the First Half of the Fourth Century BC, Revue Belge Numismatique 2012, S. 3-36. [4] H. J. Kroll, The Reminting of Athenian Silver Coinage 353 B.C., Hesperia 80 (2011) S. 229-259. 07 // 2019 87
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