BERUF & KARRIERE Allerdings ist grundsätzlich anerkannt, dass sich die Münzbilder im Lauf der Jahre allmählich veränderten. Auf der Vorderseite der Münze öffnete sich das frontal dargestellte, sog. archaische Auge der Athena ein wenig nach vorne, auf der Rückseite vergrößerten sich der Kopf und die Augen der Eule, und den Buchstaben ATE des Stadtnamens wurde mehr Raum gegeben. Wenn bei diesem Stand der Forschung ein neuer Fund aus einer fachgerecht dokumentierten Ausgrabung auftaucht, könnte man auf einen chronologischen Anhaltspunkt für den Ablauf der sog. Massenprägung hoffen. Dann wüsste man, wie die Münzen Athens zu Beginn des Peloponnesischen Kriegs aussahen. Und wenn aufgrund der Größe des Funds vielleicht erstmals auch die Zahl der bei der Prägung eingesetzten Stempel festgestellt werden könnte, ließe sich das tatsächliche Prägevolumen dieser Blütejahre Athens – und damit auch die damalige Wirtschaftskraft – besser abschätzen. Das Ende der Massenprägung (404 bis 390 v. Chr.) Nach allgemeiner Auffassung stellen die Kapitulation Athens und das Ende des Peloponnesischen Kriegs einen Fixpunkt in der Münzgeschichte Athens dar. Dieser Wendepunkt der Geschichte wird uns durch zwei denkwürdige Emissionen illustriert. Zur Finanzierung des Baus einer neuen Kriegsflotte hat Athen im Jahr 406 erstmals Goldmünzen ausgegeben. Dabei griff die Stadt auf die Reserven in der Staatskasse zurück: Die mit Goldplatten behängten Nike-Statuen von der Akropolis. Wenig später gab die Stadt in ihrer Not erstmals plattierte Münzen, also Silbermünzen mit Kupferkern, aus. Die in den letzten Kriegsjahren ausgegebenen Goldmünzen bzw. plattierten Münzen vermitteln uns ein Bild vom Aussehen der Ende des 5. Jh. v. Chr. üblichen Darstellung der Athena. Vor allem ist der Trend zu dem nach vorn geöffneten Auge der Athena für diese Prägungen kennzeichnend, auch wenn diese Darstellung nur schlecht in unsere Vorstellung von der klassischen griechischen Kunst passt. Über die damals üblichen Münzbilder werden wir auch durch die Münzen informiert, die in letzter Zeit in Ägypten und im Nahen Osten ans Licht kamen. Bei der Publikation eines großen, in Fayum (Ägypten) gemachten Funds wurde zunächst angenommen, dass diese Münzen nicht in Athen, sondern in Ägypten geprägt wurden. Durch diese Funde stellte sich also zunehmend die Frage der Abgrenzung der athenischen Prägungen von den Auslandsemissionen. Probleme einer Weltwährung: Auslandsemissionen Münzen von Athen waren schon zu Beginn des 5. Jahrhunderts im Ausland imitiert worden. Der Münzausstoß Athens ging am Ende des Peloponnesischen Kriegs zurück, zum einen, da die Kriegsreserven verbraucht waren, zum anderen, weil der Silberabbau im Laurion-Gebirge eingestellt werden musste. Von dieser Zeit an erhöhte sich das Volumen der im Nahen Osten und in Ägypten umlaufenden „Eulen“. Daher wurde immer intensiver die Frage diskutiert, wo die Münzen in dem Stil M, B und X geprägt worden sind: In Athen oder im Ausland? Zu der Lösung dieser Frage wurden in den letzten Jahrzehnten unterschiedliche Wege eingeschlagen: Auf einer Reihe von Münzen meinte man, die Porträts von aus der Literatur bekannten Heerführern, wie das des persischen Prinzen Kyros oder des Satrapen Tissaphernes, zu erkennen. Es wurden auch immer mehr Münzen gefunden, die mit aramäischen Buchstaben versehen waren. Diese Münzen waren mit Sicherheit nicht in Athen geprägt worden. Ein großer, im Irak gemachter Fund wurde von P. G. van Alfen [2] zum Anlass genommen, alle Gegenstempel zusammenzustellen, die sich auf den Fundmünzen befanden – 84 07 // 2019
BERUF & KARRIERE gleichgültig, ob es sich nach ihrem Aussehen um original athenische oder Auslandsprägungen handelte. Gegenstand der Untersuchungen waren schließlich auch Einhiebe, die auf den ersten Blick nur zur Prüfung des Metalls gemacht worden waren, von denen man dann aber aufgrund der Regelmäßigkeit der Einhiebe vermutete, dass dahinter eine ausländische staatliche Autorität stand. Die Frage „athenisch oder ausländisch“ ist bis heute für Überraschungen gut. Eine erst vor wenigen Jahren veranlasste Metalluntersuchung führte zu dem Ergebnis, dass Münzen, die in Israel gefunden und zunächst für ausländische Imitationen gehalten wurden, wegen ihres Silbergehalts Athen zuzuordnen sind. Noch spektakulärer war es nun, dass in Ägypten Münzstempel zur Prägung von „Eulen“ gefunden wurden. Diese Münzstempel könnten sogar in Athen hergestellt worden sein. Was ist der Hintergrund dieser in Ägypten umlaufenden „Eulen“? In Ägypten wurde der Handel seit alters her nicht mit Münzen, sondern mit Hacksilber abgewickelt. Wie man aus den vielen Einhieben auf Münzen schließen kann, wurden die athenischen Münzen von den Ägyptern vor allem wegen ihres hohen Silbergehalts von rund 98 Prozent geschätzt. Nach der Niederlage im Peloponnesischen Krieg verfolgte Athen zwar eine neutrale Politik, musste aber beobachten, dass Persien die Herrschaft über Ägypten erobern wollte. Der daraufhin von Athen gegründete 2. Attische Seebund war zwar ein Defensivbündnis, aber in den Kriegen um Ägypten kämpften griechische Söldner mit. Diese waren an die Bezahlung in der damaligen „internationalen Währung“, eben den „Eulen“ von Athen, gewöhnt. Nach den erwähnten neueren Metalluntersuchungen und den Funden von Münzstempeln Athens im Ausland setzt sich allmählich die Meinung durch, dass Münzen mit den Bildern von Athena und Eule sowohl in Athen als auch im Ausland geprägt worden sein können. Wegen der Masse dieser Münzen sind zwar Stempelstudien nicht möglich, jedoch liegt wegen abnehmender Prägequalität die Annahme nahe, dass Münzen mit den stilistischen Merkmalen M und B bis um 360 v.Chr. und Münzen im Stil X sogar bis in die Zeit Alexanders des Großen geprägt worden sind. Für diese Entwicklung gab es ein Enddatum: Nach der Eroberung Ägyptens im Jahr 340 v. Chr. hat der persische Großkönig Artaxerxes III. in Ägypten Münzen mit den dort bekannten Bildern Athena und Eule ausgegeben und darauf seinen Namen und den Titel Pharao gesetzt. Er hat dazu die ägyptisch-demotische Schrift benutzt. Diese Münzen können sowohl für die ägyptische Bevölkerung als auch für die griechischen Söldner bestimmt gewesen sein. Jedenfalls hat Artaxerxes in diesem Rahmen zwei Münztypen ausgegeben: Der eine mit dem Auge der Athena in archaisch-frontaler Form, der andere mit dem Auge der Athena im Profil. Daraus wurde mit Recht der Schluss gezogen, dass in Ägypten der Wechsel des Münzbilds der Athena erst zu einer Zeit stattfand, als in Athen schon längst Münzen mit dem Auge der Athena im Profil üblich waren. Der neue Münztyp: Athena im Profil (404 bis 354 v. Chr.) Nach allgemeiner Meinung setzte die Münzprägung in Athen nach dem Ende des Peloponnesischen Kriegs, spätestens aber um 390 v. Chr. wieder ein. Bei der Kapitulation Athens waren die siegreichen Spartaner überraschend human mit der athenischen Bevölkerung umgegangen und beließen den Bürgern ihre Privatvermögen. 393 v. Chr. siegten die Athener im Bund mit den Persern über die spartanische Flotte. Im Gegenzug erhielten sie von den Persern Mittel, um die Stadtmauern wieder aufzubauen. Ab dem Jahr 390 erhielten Bürger, die öffentliche Ämter wahrnahmen, wieder Gehäl- 07 // 2019 85
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