REGULIERUNG COMPLIANCE-ERFOLGE BEWERTEN Wie man Verhalten wirksam steuern kann Das öffentliche Bewusstsein für ethisches Verhalten wird zunehmend intensiver, und auch die Erwartungshaltung des Regulators, der messbare Fortschritte bei der Wirksamkeit formaler Compliance-Managementsysteme einfordert, steigt. Eine neue Befragung von Chief Compliance Officern (CCO) zeigt, dass Unternehmen aller Branchen planen, ihre Fähigkeit zum Begrenzen und Verhindern von Fehlverhalten zu verbessern. Die aktuelle CCO-Umfrage von KPMG mit dem Untertitel „Insights for the Future of Ethics & Compliance“ belegt, dass die meisten Unternehmen, unabhängig von ihrer Branche, Compliance-Risiken sehr ernst nehmen. Die Studie basiert auf der Befragung von mehr als 220 Chief Compliance Officern (CCO) aus den größten Unternehmen in verschiedenen Branchen und identifiziert u. a. fünf Hauptbereiche, in denen CCOs eine stärkere Integration ihres Compliance- Managementsystems in die täglichen Prozesse der Organisation planen: Training (67 Prozent), Investigations (55 Prozent), Monitoring & Testing (55 Prozent), Due Diligence (26 Prozent) und Governance (24 Prozent). Compliance-Managementsysteme können allgemein als formale, in Unternehmen eingesetzte Kontrollsysteme charakterisiert werden, das heißt als Systeme, die Mitarbeiterverhalten berechenbarer machen und auf eine Übereinstimmung zwischen Mitarbeiterverhalten und den Erwartungen der Organisation hinwirken sollen. In der organisationswissenschaftlichen und soziologischen Literatur sind Kontrollsysteme bereits vielfach untersucht worden, wobei eine Reihe unterschiedlicher Dimensionen dieser Systeme herausgearbeitet wurde. Demnach unterscheidet man Kontrollsysteme gewöhnlich danach, ob sie Ordnung im Verhalten der Mitarbeiter erzeugen, indem sie bestimmte Verhaltensweisen erzwingen, oder aber dafür sorgen, dass Mitarbeiter sich mit kollektiven Organisationsnormen und -werten identifizieren und sich für diese engagieren. Im ersten Fall wird ein Kontrollsystem als notwendig angesehen, um das Mitarbeiterverhalten in Übereinstimmung mit Erwartungen der Organisation zu bringen, gelegentlich auch unter Verwendung von Zwang. Im zweiten Fall geht man von der Annahme aus, dass die Ziele der Organisation derart sind, dass die Mitarbeiter sich mit ihnen identifizieren können und sich daher zielkonform verhalten – vielleicht auch deswegen, weil sie mit den Bedürfnissen, Zielen oder der Identität des einzelnen Mitarbeiters im Einklang stehen. Die Wirkungen formaler Compliance- Managementsysteme können sehr vielfältig sein, und irgendwie kann jede Maßnahme einen positiven Effekt auf die Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter haben. Solange die genaue Wirkungsweise der Maßnahmen jedoch nicht bekannt ist, können diese Effekte nicht gesteuert und belegt werden. Ziel muss es daher sein, aufzuzeigen, wie die Maßnahmen auf Mitarbeiterebene ankommen, damit vorhandene Ressourcen optimal allokiert und eingesetzt werden können, um Compliance-Managementsysteme gezielt zu verbessern. So zeigen empirische Studien, dass nicht die Breite und Vielfalt an Maßnahmen entscheidend ist, um das Verhalten der Mitarbeiter positiv zu beeinflussen, sondern deren Wahrnehmung durch die Mitarbeiter. Was nutzt ein Ethik- oder Verhaltenskodex, wenn die Mitarbeiter davon überzeugt sind, dass dieser nicht ernst zu nehmen ist? Was bringen Richtlinien und Verfahrensan- 58 07 // 2019
REGULIERUNG weisungen, wenn Mitarbeiter glauben, dass diese leicht umgangen werden können? Wie effektiv können Hinweisgebersysteme sein, wenn Mitarbeiter nicht bereit sind, Verstöße zu melden? Wirkung von Maßnahmen messen Unterstützt wird dieses Ziel durch das Compliance-Index-Modell. Es ist das Ergebnis zweier empirischer Studien, die an der Frankfurt University of Applied Sciences mit Unterstützung des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) durchgeführt wurden. Im Prinzip umfasst das Compliance-Index-Modell eine Reihe statistischer Verfahren zur Untersuchung komplexer Beziehungsstrukturen zwischen Maßnahmen und Mitarbeiterverhalten und ermöglicht so die quantitative Abschätzung der Wirkungszusammenhänge. Ein charakteristisches Merkmal des Modells ist, dass mit latenten Variablen (auch hypothetische Konstrukte genannt) gearbeitet wird. Latente Variablen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich einer direkten Beobachtbarkeit auf empirischer Ebene entziehen. Es bedarf daher zunächst geeigneter Indikatoren, mit deren Hilfe empirische Beobachtungswerte für die latenten Variablen gewonnen werden können. Indikatoren sind direkt gemessene Beobachtungen (Rohdaten), die entweder als Items (eines Fragebogens) oder als Messvariablen bezeichnet werden. Ein Beispiel für eine latente Variable im Compliance-Index-Modell ist das wahrge- 07 // 2019 59
NR. 7 2019 ZEITSCHRIFT FÜR BANKPOL
EDITORIAL » Die Wertschaffung euro
Neuerscheinung 66 Evolution statt R
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