REGULIERUNG EU-PLÄNE ZUR NACHHALTIGKEIT Neue regulatorische Großbaustelle für die Finanzindustrie Die EU-Kommission will im Kampf für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit zahlreiche Finanzmarktregulierungen durch Nachhaltigkeitskomponenten ergänzen. Zudem soll Nachhaltigkeit als weiterer Risikofaktor für Finanzinstrumente berücksichtigt werden. Der Branche droht damit eine neue regulatorische Großbaustelle, den Kunden weitere Kostenbelastungen und Zwangsvorschriften. Viele Fragen zur Umsetzung und den Auswirkungen sind noch offen. 52 07 // 2019
REGULIERUNG Das Thema Nachhaltigkeit ist für die Finanzbranche zwar seit Jahren von hoher Relevanz, führte aber bisher vorwiegend ein Nischendasein im Asset Management. Mit den aktuellen regulatorischen Aktivitäten der Europäischen Union (EU) auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit gewinnt die Thematik nun rapide an Bedeutung, da weitere Marktteilnehmer und deren Kunden betroffen sind. Doch eine einheitliche Definition, was zum Beispiel eine nachhaltige Geldanlage ist, gibt es bis heute nicht. Im Allgemeinen versteht man darunter das Investieren nach ethischen, sozialen, religiösen und ökologischen Kriterien bzw. nach Anlageprozessen, die den Einfluss von Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsfaktoren (ESG) berücksichtigen. Die EU-Kommission hat hingegen ein eigenes Verständnis von einem nachhaltigen Finanzwesen. ÿ 1 Nachhaltige Fondsanlagen Institutionelle Investoren wiederum definieren eigene Präferenzen und darauf basierende Anlagerichtlinien. Privatanleger sind zumeist auf nachhaltige Fondsanlagen angewiesen, von denen es jedoch bereits hunderte mit einer breiten Palette von Ansätzen gibt. Bei entsprechender Größe kann auch eine individuelle Vermögensverwaltung bzw. ein Depot nachhaltig ausgerichtet werden. Die Beweggründe, nachhaltig zu investieren, sind vielfältig. Bei institutionellen Anlegern geben die Unternehmenspolitik oder die Institution selbst (z. B. Kirchen oder Stiftungen) den Ausschlag. Privatpersonen handeln meist aus persönlichen Motiven. Dabei stehen nicht nur gesellschaftliche und ökologische Aspekte im Vordergrund. Oft ist damit auch die Erwartung verbunden, mit nachhaltigen Anlagen bessere Ergebnisse erzielen zu können als mit konventionellen Anlagen. In der Vergangenheit wurden zahlreiche mehr oder wenige unabhängige Studien über die Wertentwicklung von nachhaltigen Anlagen erstellt. Eine umfassende Metastudie fasste 2015 mehr als 2.200 empirische Analysen zusammen. Bei Fonds, die für Privatanleger eher als Anlageobjekt infrage kommen, verglich der Fachverlag Absolut Research die Performance von mehr als 800 Nachhaltigkeitsfonds mit über 8.000 traditionellen Publikumsfonds in Europa. Keine systematisch bessere Performance Nachhaltige Fonds erzielen demnach über die verschiedenen Vergleichsgruppen hinweg bei Aktien und Anleihen keine systematisch bessere Performance. Zwar unterscheiden sich einige Kennzahlen traditioneller und nachhaltiger Fonds etwas, weichen aber nicht signifikant voneinander ab. Bei Bonds haben die nachhaltigen Fonds sogar eher einen Renditenachteil. Unterschiede finden sich vorwiegend auf der Risikoseite. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nachhaltige Fonds zwar keine Nachteile, aber auch keine Vorteile bei der Performance bringen. Einige (supranationale) Institutionen initiierten in der Vergangenheit eigene Labels und Zertifizierungen. Eines der bekanntesten ist das UN-Programm „UN Principles for Responsible Investment“ (UNPRI). Dem Programm können Finanzdienstleister beitreten, die sich damit verpflichten, bei allen Aktivitäten sechs definierte ESG-Faktoren zu beachten und diese insbesondere in ihre Investmentprozesse zu integrieren. Mitglieder können zudem von ihren Partnern den Schutz der Umwelt, die Einhaltung sozialer Standards sowie gute Unternehmensführung verlangen. Finanzindustrie mit Schlüsselrolle Ein Faktor kann als Konstante beim nachhaltigen Investieren gesehen werden: Die Anleger handeln freiwillig. Das soll sich nach den Plänen der EU-Kommission künftig ändern. Die Brüsseler Behörde geht davon aus, dass im Kampf gegen die „katastrophalen und unvorhersehbaren Folgen des Klimawandels und der Ressourcenverknappung“ der Finanzindustrie eine Schlüsselrolle zukommt. Die Kommission identifizierte drei Herausforderungen und Defizite, die man mit verschiedenen regulatorischen Maßnahmen in den Griff bekommen will: Z Zuverlässige Informationen: Es gibt keine einheitliche Definition von nachhaltigen Investments; es besteht zudem das Risiko der „Grünfärberei“ (Greenwashing) von Investmentprodukten. Z Nachhaltigkeit und Risikomanagement: Klima- und Umweltrisiken werden häufig nur unzureichend berücksichtigt; Investoren ignorieren allzu oft Nachhaltigkeitsfaktoren oder unterschätzen deren Auswirkungen. Z Langfristigkeit in der Unternehmensführung: Firmen sind oft zu kurzfristig orientiert; es gibt zu wenige Informationen über nachhaltigkeitsbezogene Aktivitäten von Unternehmen. Aufgrund dieser Mängel will die Kommission die Finanzindustrie zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Zielen verpflichten. Im Unterschied zu bisherigen Regulierungen soll es kein in sich geschlossenes, regulatorisches Rahmenwerk geben, vielmehr sollen bestehende Regulierungen um Nachhaltigkeitselemente angereichert werden. Betroffen sind etwa UCITS (Investmentfonds), AIFMD (Alternative Assets), MiFID II (Kundenberatung, Vertrieb, Finanzprodukte), IDD (Versicherungen), Benchmark-Verordnung (Indices), EbAV-II (betriebliche Altersversorgung), CRD (Banken). Allein an dieser Vielzahl lassen sich die weitreichenden Auswirkungen der ESG-Regulierung auf die Finanzbranche erkennen. Mit der Nachhaltigkeitsregulierung wird ein neues Regelwerk eingeführt, das nicht nur auf Marktstabilität und Risikominimierung abzielt, sondern der Finanzbranche und ihren Kunden als Reaktion auf globale Probleme bestimmte Bewertungskriterien und Verhaltensweisen vorschreibt, die adäquater sein sollen. Dieses Vorgehen, in den letzten Jahren unter dem Begriff Nudging in der Politik weit verbreitet, findet nun erstmalig Eingang in die Kapitalmarktregulierung. 07 // 2019 53
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