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diebank 06 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULIERUNG

REGULIERUNG AGB-rechtliche Zulässigkeit der Erhebung von Verwahrentgelt Mit dieser Einordnung der vertraglichen Grundlage von Einlagen als gemischttypische Verträge ist allerdings noch nicht gesagt, ob die Kreditinstitute solche Entgelte durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder durch deren nachträgliche Änderung erheben dürfen. Die Mehrzahl der juristischen Autoren verneint dies mit Hinweis auf § 307 Absatz 1 Nr. 1 BGB als „nicht mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung vereinbar“. Eine Festlegung von Negativzinsen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen würde die Anleger „entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen“. Wenn man einmal von der Beurteilung der Frage absieht, ob ein Verwahrgeld für Einlagen als Preisabrede überhaupt einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterfällt, würde allerdings die herrschende Meinung wohl im Kern Folgendes besagen: Allein durch den Umstand, dass ein Unternehmen dem Prinzip des wirtschaftlichen Handelns folgt, verstößt es gegen die Gebote von Treu und Glauben und damit gegen die Rechtsordnung. Die Grundsätze wirtschaftlichen Handelns besagen nämlich, dass jedes Unternehmen zumindest auf Dauer gesehen seine durch die Geschäftstätigkeit entstehenden Kosten verdienen muss, um keine Verluste zu erzielen. Die Realität ist, dass deutsche Kreditinstitute jährlich Milliarden an Negativzinsen an die EZB zahlen, weil sie – mangels Alternativen – gezwungen sind, ihre überschüssige Liquidität dort anlegen. Daraus ergibt sich unmittelbar, dass ein solches Ergebnis, zu dem die herrschende Meinung gelangt, für sich genommen rechtlich nicht zutreffend sein kann: Ein Kreditinstitut verstößt nicht von vornherein bereits dadurch gegen „Grundsätze der Rechtsordnung“, wenn es versucht, nach den Gesetzen des wirtschaftlichen Handelns einen Teil der real entstandenen Kosten seiner Geschäftstätigkeit auf seine Kunden abzuwälzen, die diese Kosten allein durch Begebung ihrer Einlagen dem Kreditinstitut verursacht haben. Dieses Handeln ist weder unlauter noch stellt es einen Verstoß gegen die Rechtsordnung dar. Im Gegenteil ist das Prinzip des wirtschaftlichen Handelns von Unternehmen Grundlage und fester Bestandteil der deutschen Rechtsordnung. Die Vereinbarung von Negativzinsen auf Einlagen ist AGB-rechtlich im Grundsatz möglich, stellt insbesondere keine unangemessene Benachteiligung der Kunden dar und entspricht dem gesetzlichen Leitbild eines gemischten Darlehens- und (unregelmäßigen) Verwahrvertrags mit Geschäftsbesorgungscharakter, der Einlagen regelmäßig zugrunde liegt. Die privaten Geschäftsbanken haben damit etwa die Möglichkeit, Negativzinsen als Verwahrentgelt über ihren Preisaushang und das Preis- und Leistungsverzeichnis auszuweisen (Nr. 12 AGB). Änderungen für bestehende Verträge könnten über das Verfahren nach Nr. 12 Absatz 5 AGB eingeführt werden, indem den Kunden mit einer Vorlaufzeit von mindestens zwei Monaten die Änderung in Textform angeboten wird. Negativzinsen im Darlehensvertrag – Juristisches Neuland Ein zweiter Bereich, in dem Negativzinsen demnächst Bedeutung erlangen könnten, ist die Darlehensvergabe. Im November 2019 informierte der KfW-Vorstandsvorsitzende Dr. Günther Bräunig darüber, dass die Bank sich darauf vorbereite, in bestimmten Fällen negative Zinsen auf Darlehen einzuführen, damit die Durchleitungsbanken diese über Darlehen an ihre Endkunden weiterleiten könnten. Fraglich ist, wie Negativzinsen im Darlehensbereich rechtlich zu bewerten sind. Auch ist zu beleuchten, ob der Kunde durch die Vereinbarung von Negativzinsen den Schutz des Verbraucherkreditrechts einbüßt. Zunächst stellt sich die Frage, ob überhaupt von einem Darlehensverhältnis gesprochen werden kann, wenn Negativzinsen vereinbart werden. Das gesetzliche Leitbild eines Darlehensvertrags sieht jedenfalls nicht vor, dass der Darlehensgeber den Darlehensnehmer für die Überlassung des Kapitals auch noch vergütet. Wie dargelegt, ist das Gegenteil der Fall. Die Vereinbarung von Zinsen ist abdingbar. Das zinslose Darlehen ist vom Gesetz ausdrücklich in § 488 Abs. 3 S. 3 BGB vorgesehen. Damit ist gesetzlich bestimmt, dass bei einem Darlehen Zinsen nicht geschuldet sein müssen. Entscheidend für die Bestimmung der Rechtsnatur eines Darlehens ist daher nicht, ob positive, negative oder überhaupt Zinsen vereinbart werden. Vielmehr ist der Zweck der Hingabe von Kapital durch den Darlehensgeber zur Nutzung durch den Darlehensnehmer für eine bestimmte Dauer von Bedeutung. Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, dass die KfW bei der mittelbaren Bereitstellung von Kreditmitteln an Unternehmen und Verbraucher allein den Zweck verfolgt, diesen Kapital zur Nutzung zu überlassen. Dagegen stellen weder die KfW noch die Durchleitungsbanken, über die die Auszahlung der Kreditmittel abgewickelt wird, den Kreditnehmern Kapital zum Zwecke der Verwahrung zur Verfügung. Damit bleibt der Vertrag, der der Bereitstellung von Kreditmitteln der KfW über die Hausbanken zugrunde liegt, trotz der Vereinbarung von Negativzinsen zivilrechtlich wohl ein Darlehensvertrag. Aber könnte sich ein Verbraucher als Darlehensnehmer bei der Vereinbarung von Negativzinsen auf den Schutz des Verbraucherkreditrechts berufen? Im Ergebnis ist dies zu bejahen. Zwar setzt die europarechtliche Definition des Verbraucherkredits dessen Entgeltlichkeit voraus. Es ist allerdings ein zentrales Anliegen des Verbraucherkreditrechts, den Verbraucher vor Überschuldung und übereilten Finanzierungsgeschäften zu schützen. Gerade von unentgeltlichen oder gar negativ verzinsten Darlehensverträgen dürfte eine erhebliche Gefahr der unbedachten und überhöhten Kreditaufnahme ausgehen. Es muss daher auch bei Negativzinsdarlehen zumindest der Verbraucherschutz gelten, der bei unentgeltlichen Verbrau- 64 06 // 2020

REGULIERUNG cherdarlehen zur Anwendung kommt. Negativzinsen stellen weder „Sollzinsen“ noch überhaupt Darlehenszinsen dar. Dies wirkt sich auf die Pflichtangaben aus, die hinsichtlich des Darlehenszinses bei Verbraucherdarlehen von den Kreditinstituten aufzunehmen sind. Dieses Ergebnis wird allerdings erst dann praktisch relevant, wenn auch Geschäftsbanken ihren Kunden Darlehen zu Negativzinsen anbieten. Denn allein der Umstand, dass die KfW oder andere Förderbanken den Geschäftsbanken negativ verzinste Darlehen überlassen, bedeutet noch nicht, dass diese ihrerseits Negativzinsdarlehen an Verbraucher weiterreichen. Zumindest zurzeit ist (noch) nicht absehbar, ob und wann dies geschieht. Dies kann allerdings relevant werden, wenn die EZB den Anlagezins für Einlagen von Kreditinstituten weiter senkt. FAZIT Kreditinstitute sind im Grundsatz berechtigt, sogenannte Negativzinsen auf Einlagen ihrer Kunden zu erheben. Dies gilt unabhängig von der Art der Einlage, also ob es sich um Sichtoder Termineinlagen handelt. Negativzinsen auf Einlagen sind allerdings rechtlich nicht als Darlehenszinsen, sondern als Verwahrentgelt einzustufen. Die nachträgliche Einführung eines Verwahrentgelts über Allgenmeine Geschäftsbedingungen kann über eine beidseitige Vertragsänderung erfolgen (wie etwa über Nr. 12 Absatz 5 AGB Banken). Auch bei der Vergabe von Darlehen kann ein Kreditinstitut den Darlehensnehmern Negativzinsen anbieten. Aber auch in diesem Fall handelt es sich rechtlich nicht um einen Darlehenszins. Ist der Darlehensnehmer Verbraucher, dann kommen die Vorschriften des Verbraucherkreditrechts zur Anwendung. Autoren Miriam Bouazza, ist Rechtsanwältin und Leiterin der Solution Line Legal Financial Services bei KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main. Dr. Peter Schad ist Rechtsanwalt bei der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München. 1 Vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski: Bankrechtshandbuch, 5. Auflage, 2017, zu § 70, Randnummer 25 ff. 2 Vgl. Vogel, „Negativzinsen im Einlagengeschäft der Kreditinstitute“, BKR 2018, S. 45 ff. 06 // 2020 65

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