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diebank 06 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULIERUNG

REGULIERUNG schäftsbedingungen für Sicht-, Termin und Spareinlagen einzuführen (LG Tübingen vom 26.1.2018, BKR 2018, S. 128). Dies, so das Gericht, verstoße gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Absatz 2 Nr. 1 BGB), weil das gesetzliche Leitbild eines Darlehens keine negativen Zinsen kenne. Außerdem sei dieses Verhalten des Kreditinstituts überraschend und müsse deswegen von Verbrauchern nicht hingenommen werden (§ 305 c BGB). Dieses Urteil wurde – im Ergebnis zu Unrecht – von den Verbraucherverbänden als Bestätigung dafür gewertet, dass es Kreditinstituten generell untersagt sei, Negativzinsen auf Einlagen zu verlangen. Denn das Gericht hat im Gegenteil die Einführung von Negativzinsen als im Grundsatz einer gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogen angesehen, weil es sich dabei um eine Preisabrede handele. Nur für Altverträge von Verbrauchern, worauf das Gericht am Ende seiner Entscheidung nochmals ausdrücklich hinweist, dürften Negativzinsen nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen eingeführt werden. Sind Negativzinsen Darlehenszinsen? Das BGB stellt keine Legaldefinition für den Begriff „Zins“ auf. Allerdings schrieb bereits das Reichsgericht 1942: „Zinsen sind die vom Schuldner fortlaufend zu entrichtende Vergütung für den Gebrauch eines in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehenden Kapitals, ausgedrückt in einem im Voraus (sic) bestimmten Bruchteil der geschuldeten Menge“ (RG, Urteil vom 29. Januar 1942 – II 118/41 –, RGZ 168, 284 (285)). Zwar wurde diese Definition im Lauf der Jahre angepasst, dennoch geht die Rechtsprechung bis heute davon aus, dass Darlehenszinsen eine Vergütung an denjenigen darstellen, der das Kapital überlässt. Negativzinsen werden jedoch umgekehrt von dem Kapitalnutzer, also Darlehensnehmer, 62 06 // 2020

REGULIERUNG in Rechnung gestellt. Nach dem Wortlaut des § 488 BGB unterstellt der Gesetzgeber eindeutig, dass der Darlehensnehmer Zinsen an den Darlehensgeber zu zahlen hat und nicht der Darlehensgeber den Darlehensnehmer vergütet: „Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen […]“ (§ 488 Absatz 1 Satz 2 BGB). Das gesetzliche Leitbild des Darlehensvertrags kennt keine Negativzinsen und damit auch nicht die Umkehr der Zahlungspflicht vom Darlehensnehmer zum Darlehensgeber. Negativzinsen können daher nicht als Darlehenszinsen angesehen werden. Der Umstand, dass es sich bei dem Phänomen von Negativzinsen nicht um Darlehenszinsen im Sinne des gesetzlichen Leitbilds handeln kann, besagt jedoch noch nichts darüber, ob ein Kreditinstitut berechtigt ist, Geld dafür zu verlangen, dass Kunden bei ihm Einlagen auf Konten unterhalten. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich bei Verträgen, die im Zusammenhang mit Einlagen zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut abgeschlossen werden, um Darlehensverträge handelt. Negativzinsen: Entgelt für Verwahrung und den damit verbundenen Aufwand? Die rechtliche Einordnung von Verträgen, die im Zusammenhang mit Einlagenkonten zwischen Kunden und Kreditinstituten abgeschlossen werden, ist umstritten. Als herrschende Meinung darf immer noch diese gelten, die eine nach Einlagearten differenzierende Zuordnung vornimmt: So seien jederzeit verfügbare Sichteinlagen, die etwa auf Girokonten gebucht werden, als unregelmäßige Verwahrverträge anzusehen (§ 700 BGB). Denn bei diesen stehe das Verwahrinteresse des Kunden im Mittelpunkt. Dagegen seien Termineinlagen (wie Fest- und Kündigungsgelder) und Spareinlagen als Darlehensverträge anzusehen: Bei diesen stehe das Anlageinteresse der Kunden im Mittelpunkt, also die Überlassung von Kapital zur Nutzung. Dagegen trete hier das Verwahrinteresse des Kunden in den Hintergrund. Zudem ergebe sich aus dem Umstand, dass Termin- und Spareinlagen nicht jederzeit verfügbar seien (Festgeldanlagen) beziehungsweise von dem Kunden gekündigt werden müssten (Spareinlagen), dass es sich um Darlehen handeln müsse und nicht um eine unregelmäßige Verwahrung. 1 Zunehmend wird bezweifelt, ob die klassische Differenzierung der Rechtsnatur von Einlagen zutreffend ist. Dies wird etwa damit begründet, dass die Parteien mit den Einlagen zwar unterschiedliche Zwecke verfolgten – nämlich den Zweck der Verwahrung und der Überlassung von Kapital zur Nutzung – diese Zwecke jedoch einer laufenden Änderung und Anpassung unterworfen seien: So habe etwa in den Jahren, als ein positives Zinsumfeld vorherrschte, bei Termin- und Spareinlagen eher der Zweck der Kapitalüberlassung im Mittelpunkt gestanden (Darlehen). Im Niedrigzinsumfeld bezweckten die Beteiligten eher die Überlassung von Geld zur Verwahrung. Die im Zusammenhang mit der Überlassung von Einlagen abgeschlossenen Verträge könnten jedoch nicht ihren Rechtscharakter ändern, nur weil das allgemeine Zinsumfeld positiv oder negativ sei. Tatsächlich verfolgten Kunden hinsichtlich aller Einlagearten mehrere Zwecke. Deswegen müsse man davon ausgehen, dass die Verträge, die Einlagen zugrunde liegen, gemischttypische Verträge seien, die sowohl auf darlehensvertraglichen Elementen als auch solchen der unregelmäßigen Verwahrung basieren. 2 Auch wenn der aufsichtsrechtliche Einlagenbegriff bewusst auf die Beschreibung eines Zwecks verzichtet, den die Kunden und Kreditinstitute damit verfolgen (vgl. § 1 Absatz 1 Nr. 1 Kreditwesengesetz), sind für die zivilrechtliche Einordnung der zugrunde liegenden Verträge doch die Zwecke von Bedeutung, die die Vertragsparteien mit ihrem Abschluss verfolgen. Und diese Zwecke sind für alle Einlagen gleich, wenn auch deren Gewichtung untereinander unterschiedlich sein mag: Anleger wollen mit ihren Kundeneinlagen eben nicht lediglich ihrem Kreditinstitut Kapital zur Nutzung überlassen, sondern verfolgen auch den Zweck, dass ihr Geld sicher verwahrt und über die Einlagensicherungssysteme der Kreditin-stitute abgesichert wird. Bei Sichteinlagen, die auf Zahlungskonten gebucht sind, kommt hinzu, dass die Kunden damit bezwecken, am elektronischen Zahlungsverkehr teilnehmen zu können. Andererseits nutzen Kreditinstitute in jedem Fall Einlagen als Mittel zur Refinanzierung ihres Aktivgeschäfts, mag auch in Zeiten des Überangebots von Liquidität eher der Zweck der Annahme von Geldern zur Verwahrung im Vordergrund stehen. Diese unterschiedlichen Zwecke, die Kreditinstitute und Kunden im Einlagegeschäft verfolgen, sprechen dafür, von gemischttypischen Verträgen auszugehen, die im Zusammenhang mit Einlagen abgeschlossen werden: Diese Verträge enthalten sowohl darlehensvertragliche als auch Elemente der unregelmäßigen Verwahrverträge und sind daher Verträge sui generis. Aus diesem – zumindest ebenfalls – mit den Einlagen verfolgten Verwahrzweck ergibt sich der wirkliche Charakter von Negativzinsen: nämlich als Entgelt für die Verwahrung von Kundengeldern und teilweise, soweit nicht gesondert bepreist (im Fall von Sichteinlagen auf Zahlungskonten), auch als Entgelt für die Möglichkeit zur Teilnahme am Zahlungsdienstleistungsverkehr des Kreditinstituts. Würde der Kunde sein Geld von seinem Bankkonto abheben und in ein Bankschließfach legen, würde er ebenfalls für die Verwahrung ein Entgelt in Form von Miete bezahlen. 06 // 2020 63

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