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diebank 06 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT IM SPAGAT

MANAGEMENT IM SPAGAT ZWISCHEN QUIRIN UND QUIRION Der Querdenker-Banker Mit Consors gründete Karl Matthäus Schmidt einen der ersten Online-Broker Deutschlands. Jahre später steigt er in eine Privatbank ein, macht sie zur ersten Honorarberaterbank Deutschlands und erweitert deren Geschäft um einen Robo Advisor zu einer Zeit, als digitale Vermögensverwaltung kaum jemand auf dem Schirm hatte. Über seine Pläne als Banker und FinTech-Unternehmer sprach Schmidt mit unserer Autorin. Ein gutes Händchen muss man Karl Matthäus Schmidt zugestehen. Mit 25 Jahren gründet der Sohn einer fränkischen Bankiersdynastie 1994 Consors, einen der ersten Online-Broker in Deutschland. Wie die zeitgleich gestartete Direkt Anlage Bank will er das damals teure Wertpapiergeschäft revolutionieren. Auf dem Höhepunkt der Neue-Markt-Euphorie bewertet die Börse den Aufsteiger 1999 mit 4,5 Mrd. €. Die Wirtschaftswoche kürt Schmidt zum Unternehmer des Jahres, der Branchendienst Horizont ernennt ihn zum Mann des Jahres. Im Jahr 2001 betreut Consors 450.000 Kundendepots und expandiert in die Schweiz sowie nach Frankreich, Italien und Spanien. Doch mit dem Platzen der Dotcom-Blase und dem Untergang der vom Vater geführten traditionsreichen SchmidtBank, die an Consors beteiligt war, findet die Erfolgsgeschichte des jungen Senkrechtstarters ein jähes Ende. Eine Auffanggesellschaft verkauft den Broker 2002 an die französische Großbank BNP. Vier Jahre später meldet sich Schmidt zurück, zieht von Nürnberg nach Berlin, und rückt an die Spitze der CCB Bank, die kurz darauf in Quirin Bank AG umfirmiert. Wieder denkt der Banker quer, bricht mit traditionellen Regeln, dieses Mal in der Vermögensverwaltung: Statt Verkaufsprovisionen verlangt die Bank pauschale Honorare auf das angelegte Vermögen von ihren Kunden. Eine Strategie, die sich auch im Logo der Bank niederschlagen soll. Es zeigt Quirinus, den römischen Kriegsgott. „In der provisionsfinanzierten Welt schlagen wir uns auf die Seite des Kunden und lassen uns nicht vom Produktanbieter bezahlen. Dafür soll Quirinus stehen, der die Lanze für den Privatkunden bricht“, formuliert der Qui- rin-Chef den hehren Anspruch. Schließlich folgt der dritte Coup, wofür das mit Lob sonst eher sparsam umgehende manager magazin Schmidt als „Bankenrevoluzzer“ adelt. 2013 gründet die Quirin Bank als erste deutsche Privatbank einen Robo Advisor. „Seitdem sind wir eine Privatbank mit angeschlossenem Fin- Tech“, sagt der Banker. Zum Interview mit die bank erscheint der 51-Jährige in grauem Anzug, hellem Hemd und ohne Krawatte – typisch Banker. Dazu trägt er Sneaker und iWatch – typisch Techie. In den Geschäftsräumen am Berliner Kudamm dominiert hingegen das Ambiente einer Privatbank mit eleganten Möbeln und Leuchten, aparten Blumensträußen und moderner Kunst. Das wuselige Durcheinander der Großraumbüros von FinTechs sucht man hier vergebens. Immerhin gab es mal einen Kicker, der musste aber aus Platzmangel weichen. Im Konferenzraum „Dahlem“, benannt nach einem der exklusiven Berliner Stadtteile, erzählt Schmidt, wie er sich in turbulenten Zeiten mit seiner Privatbank Quirin und dem digitalen Vermögensverwalter quirion behaupten will. „Viele Banken, auch die Privatbanken, haben heute mehr denn je zu kämpfen. Die Branche ist gekennzeichnet von einbrechenden Erträgen, veralteten IT-Strukturen, die riesige Investitionen erfordern, und einem immer härter werdenden Wettbewerb durch FinTechs, aber auch branchenfremde BigTechs wie Google, Amazon und Facebook“, sagt Schmidt. Hinzu kämen niedrige Zinsen und eine strenge Regulierung. Und er setzt noch eins drauf. „Die Branche hat über Jahrzehnte ihre Kunden nicht mehr in den Mittelpunkt gestellt. Sie hat nichts unternommen, um es den Menschen leichter zu ma- 30 06 // 2020

MANAGEMENT chen, etwa Geld zu überweisen, anzulegen oder sich einen Überblick über ihre Ausgaben zu verschaffen. Das haben die neuen Player mit ihrer absoluten Kundenorientierung konsequent gemacht. Diese Services bilden die Fin- Techs mit ihren digitalen Lösungen perfekt ab.“ Das sei der Sargnagel für die Branche, die das zwar erkenne, aber nicht kontern könne, weil die IT-Infrastruktur es nicht leiste oder nicht auf der Höhe der Zeit sei. „Der Investitionsdruck steigt, insbesondere auf die IT, und das schmälert die Margen.“ Inmitten dieses turbulenten Umfelds fühlt sich der Geschäftsführer mit seinem Geschäftsmodell auf dem richtigen Weg. „2019 war eines der erfolgreichsten Geschäftsjahre seit Gründung der Bank“, sagt Schmidt. Das Geschäftsmodell ruht auf drei Säulen: dem unabhängigen, gegen Honorar betriebenen Anlagegeschäft für Privatkunden, der Unternehmerbank, die Mittelständler bei Finanzierungsmaßnahmen auf Eigenkapitalbasis berät, sowie der digitalen Vermögensverwaltung quirion. Schwerpunkt der Quirin Privatbank ist und bleibt laut Schmidt das Privatkundengeschäft. In den Aufbau des Filialnetzes und des Robos sei viel investiert worden. Allein im stationären Privatkundengeschäft seien die Nettomittelzuflüsse im vergangenen Jahr um 60 Prozent auf 350 Mio. € gestiegen. Hinzu kamen 190 Mio. € neue Kundengelder bei der digitalen Tochter quirion. Historisch war jedoch das Corporate-Finance-Geschäft der Bank sehr stark und steuert immer noch den Großteil der Erträge bei. „Diese Erträge haben den Aufbau des Privatkundengeschäfts erst ermöglicht“, so Schmidt. Für das um 50 Prozent nach Steuern gestiegene Ergebnis von 5,9 Mio. € war auch 2019 vor allem das Kapitalmarktgeschäft verantwortlich. Kunden des Corporate Finance sind stark kapitalmarktorientierte Unternehmen, zuletzt zum Beispiel Immobilienfirmen, für die Anleihen herausgegeben wurden. Der Bereich beschäftigt rund 30 Mitarbeiter. Insgesamt waren es bei Quirin Ende vergangenen Jahres 235 Mitarbeiter, plus rund 20 bei quirion. Früher als viele Konkurrenten hat der Banker erkannt, dass zwar viele Kunden auch im Zeitalter des Internet weiterhin auf eine persönliche Beratung nicht verzichten wollen, aber andere sehr wohl die digitalen Kanäle nutzen möchten. „Das ist nicht nur eine Frage des Vermögens, sondern auch der Einstellung. Es gibt auch Menschen mit großen Vermögen, die es einfach, schnell, praktisch und günstig haben wollen.“ 06 // 2020 31

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