REGULIERUNG EUROPÄISCHE BANKENUNION Die Vollendung wurde erstmal auf Eis gelegt Im letzten Jahr drückte Bundesfinanzminister Olaf Scholz ordentlich aufs Gaspedal, als es um die Vollendung der EU-Bankenunion ging. Im Blick stand vor allem die Schaffung einer gemeinsamen Europäischen Einlagensicherung (EDIS), bei der die Allgemeinheit bei einer Bankenpleite haftet. Die Lage bleibt jedoch verfahren, denn die komplexen Folgen einer Bankenpleite werden sehr unterschiedlich eingeschätzt. Nun haben sich auch die Eurofinanzminister gegen die Aufnahme von Verhandlungen über eine Europäische Einlagensicherung ausgesprochen. Die Europäische Bankenunion beschäftigt Kritiker und Befürworter sowie auch die Gerichte seit einigen Jahren gleichermaßen. Erst im letzten Jahr legten mehrere Privatpersonen Verfassungsbeschwerde gegen die erste und zweite Säule der Europäischen Bankenunion und die ihnen zugrunde liegenden Verordnungen und Gesetze ein. Die Beschwerdeführer waren der Auffassung, dass die Europäische Union durch Erlass bestimmter Rechtsakte ihre Kompetenzen überschritten habe, für die Übertragung derart weitreichender Kompetenzen auf europäische Ebene also die rechtliche Grundlage fehle. Die Karlsruher Richter wiesen am 30. Juli 2019 (Az. 2 BvR 1685/14 und 2 BvR 2631/14) zwei Verfassungsbeschwerden gegen die Europäische Bankenunion und die ihr zugrunde liegenden Verordnungen SSM- Verordnung 1 und SRM-Verordnung 2 sowie das zur Zustimmung ermächtigende Bundesgesetz SSM-VO-Gesetz ab. Sie entschieden, dass die Europäische Union durch die Regelungen zur Europäischen Bankenunion, namentlich zum Einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) und zum Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM), bei strikter Auslegung ihre durch die Verträge zugewiesenen Kompetenzen nicht überschritten hat. Mit anderen Worten: Die SSM- und SRM-Verordnung zur Umsetzung der beiden zentralen Säulen der Europäischen Bankenunion sind durch die europäischen Verträge gedeckt und berühren auch nicht die Verfassungsidentität des Art. 79 III GG. Europäische Bankenunion verfassungsgemäß Die SSM-Verordnung bildet die Grundlage für den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus mit dem Ziel, bedeutende bzw. systemrelevante Banken zum Schutz vor neuen Finanzkrisen unter eine einheitliche Aufsicht zu stellen. Die direkte Aufsicht über systemrelevante Banken erfolgt durch die Europäische Zentralbank (EZB). Unter ihrer Aufsicht stehen derzeit 114 Großbanken, darunter 19 deutsche Banken. Für die weniger bedeutenden Institute sind die nationalen Aufsichtsbehörden zuständig, für deutsche Geldhäuser also die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank. Für das Urteil war ausschlaggebend gewesen, dass die Europäische Zentralbank die Aufsicht über die Kreditinstitute in der Eurozone nicht vollständig übernommen hat, sondern auch die nationalen Aufsichtsbehörden über umfangreiche Befugnisse verfügen. Auch das SSM-VO-Gesetz ist laut der Karlsruher Richter vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Deutsche Bundestag hat mit ihm vielmehr seine Integrationsverantwortung wahrgenommen, heißt es vonseiten des Gerichts. Die SRM-Verordnung bildet hingegen das Fundament für den Europäischen Abwicklungsmechanismus als zweitem zentralen Pfeiler der europäischen Bankenunion. Seine Aufgabe ist es, insolvenzgefährdete Banken in geordneter Weise und mit minimalen Kosten für die Steuerzahler und die Realwirtschaft abzuwickeln oder aber zu sanieren. Ein einheitlicher Abwicklungsfonds im Sinne eines Notfallfonds für teure Rettungsaktionen (Single Resolution Fund, SRF) zählt ebenfalls zum institutionellen Rahmen der SRM-VO. Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus als erste Säule der Bankenunion ist weitestgehend vollendet. Die zweite Säule zur Restrukturierung zahlungsunfähiger Banken, der Einheitliche Abwicklungsmechanismus, ist zwischenzeitlich weiter ausgebaut worden. Bei der Gestaltung einer Europäischen Einlagensicherung, die die bestehenden nationalen Einlagensicherungssysteme (Deposit Guarantee Schemes, DGS) ergänzen soll und bei Schieflage einer Bank in einem Mitgliedsland die Sparguthaben durch einen Fonds sichert, gibt es hingegen nur wenig Fortschritte, auch wenn sie bereits vor einigen Jahren im Fokus der EU-Kommission stand. Ursächlich hierfür ist die Haftungsfolge, die eine Europäisierung der Einlagensicherung zum Schaden der Banken und der Sparer vorsieht. ÿ 1 58 04 // 2020
REGULIERUNG eines systemrelevanten Instituts zum Einsatz kommen würden. Kann kein reguläres Insolvenzverfahren durchgeführt werden, kommen die in der SRM-Verordnung geregelten Abwicklungsinstrumente zur Anwendung. Hierzu zählt insseiten der EU hat diese Aussage ihre Gültigkeit leider bisher nicht verlieren können, auch wenn dies von anderer Seite gerne so behauptet wird. Dazu ist es notwendig, sich vor allem die Haftungsfolgen und die geschaffenen Töpfe einmal anzuschauen, die bei Schieflage Die Haftungsfrage und die Bail-in- Haftungskaskade Vor dem Ausbruch der Finanzmarktkrise wurde immer wieder kritisiert, dass Gewinne privatisiert und Verluste vergemeinschaftet würden. Doch trotz unzähliger Maßnahmen von- 04 // 2020 59
NR. 4 2020 ZEITSCHRIFT FÜR BANKPOL
EDITORIAL » Zu viele Fragen, keine
Prozessgestaltung der Zukunft: effi
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