Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 12 // 2016

  • Text
  • Banken
  • Unternehmen
  • Diebank
  • Digitalisierung
  • Institute
  • Deutschland
  • Anforderungen
  • Risiken
  • Befragten
  • Banking
die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó IT & KOMMUNIKATION

ó IT & KOMMUNIKATION tet. Und zwar sowohl der Privatkunde als auch der Firmenkunde. Es ist inzwischen völlig normal, dass ein Firmenkunde im Verlauf eines Beratungsgesprächs einen Spezialisten hinzugeschaltet bekommen möchte. Was uns neben der Kundenseite natürlich auch bewegt, ist die Frage, welche Chancen uns die Digitalisierung intern bietet. Hier nenne ich nur mal das Stichwort Dr. Jan Wiedei, Bereichsleiter Digital „Kundendaten“: Der Datenschatz ist gigantisch. Man muss ihn nur intelligent und integer zu Sales, Deutsche Postbank AG nutzen wissen. Datenpunkte werden immer wichtiger und zum Kern der Kundenausrichtung. Auch für uns stellt sich die Frage also längst nicht mehr, ob wir digitalisieren oder nicht. Man kann hier einen Vergleich mit der Globalisierung ziehen: Auch ihr kann man sich nicht entziehen. diebank: Wo liegen bei der Postbank die Schwerpunkte der Digitalisierungsaktivitäten? Wiedei: Wenn wir über Digitalisierung nachdenken, bewegen uns im Prinzip vier Themenfelder: Wachstum, Effizienz, Technologie und kultureller Wandel. Wachstumsseitig geht es um neue Angebote, neue Kundenzugänge und insbesondere um die Verbindung von digital und persönlich. Aus meiner Sicht haben wir immer dann gute Chancen, wenn wir es schaffen, Produkte zu modularisieren, Angebote zu kombinieren und Kunden jeweils genau den Kanal zu bieten, den der Betreffende gerade präferiert. Was das Thema Effizienz betrifft, geht es vor allem darum, Medienbrüche abzubauen und Prozesse „end-to-end“ zu denken und zu implementieren. Das dritte Themenfeld der Digitalisierung ist die Technologie: Das Thema Daten hatte ich ja bereits erwähnt. Kombinieren von Daten, Zusammenführen von Daten, auch Kombinieren mit weiteren Daten: Für ein Haus, das so viele Kunden hat wie die Postbank, ist dies eine Aufgabe von zentraler Bedeutung. Entsprechend groß ist die Erwartungshaltung. Technologieseitig gilt es zudem, innovative Entwicklungen im Auge zu behalten. Die künstliche Intelligenz wird Teil vieler Geschäftsmodelle werden. Der vierte und letzte Punkt ist die Kultur: Menschen, die sich mit Digitalisierung befassen, sind anders – und sie „ticken“ anders. Ihre Art zu arbeiten unterscheidet sich zum Teil deutlich von dem, was wir aus dem klassischen Bankgeschäft gewohnt sind. Die unterschiedlichen Kulturen zusammenzuführen, ist eine große Herausforderung und wird entsprechend aufwendig sein. Dr. Dr. Ayad Al-Ani, Professor für Change Management und Consulting, Alexander von Humboldt Institut diebank: Wie beurteilt die Wissenschaft, wie Banken das Mega- Thema Digitalisierung angehen? Al-Ani: Die Wissenschaft ist hier ein wenig ratlos. Auch wir haben noch kein Modell für die Bank der Zukunft. Wenn man zu definieren versucht, was Digitalisierung für Banken konkret bedeutet, fallen zwei, drei Dinge auf: Zum einen ist es jetzt relativ einfach möglich, Kooperationen einzugehen. Zwar ist für Banken damit auch eine gewisse Bedrohung verbunden, weil man sie in bestimmten Prozessen nicht mehr braucht. Was aber viel wichtiger ist: Kunden und Gesellschaft konstituieren sich zum Teil vollkommen anders. Leute mit gleichen Wünschen und Bedürfnissen finden relativ einfach zusammen und bilden Communities. Für Banken stellt sich dann die Frage, wie sie mit diesen neuen Entwicklungen umgehen. Eine eigene Community bilden? Das ist ungemein schwer und selbst große Unternehmen zögern hier, weil sie bezweifeln, damit erfolgreich sein zu können. Weitaus größere Erfolgsaussichten verspricht die Option, sich einer Community anzuschließen, die sich bereits in irgendeiner Form konstituiert hat. Auch über diesen Weg lässt sich eine Win- Win-Situation darstellen. Je mehr unsere Gesellschaft in immer kleinere Communities zerfällt, umso wichtiger wird ein solcher Ansatz. Andererseits funktionieren Netzwerke und Plattformen umso besser, je mehr Leute sich auf ihnen tummeln. Von daher wird es nicht unendlich viele Plattformen geben. Umso wichtiger wird es, von vornherein auf die „richtige“ Plattform zu setzen und dort wirkungsvoll zu agieren. Der zweite Punkt, dem in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zukommt, ist die Digitalisierung der Prozesse. Wenn man es ganz radikal betrachtet, dann zielt die Digitalisierung letztendlich darauf, menschliche Arbeitskraft aus den Prozessen herauszudrängen. Das Endziel der Digitalisierung ist ein Prozess, in dem es so gut wie gar keine Menschen mehr gibt. Schon jetzt ist mancherorts zu sehen, dass die Rolle der IT nicht zuletzt darin besteht, der Organisation zu helfen, durch Machine Learning, durch Algorithmen, durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und vielen anderen Dingen immer mehr menschliche Entscheidungen aus den Prozessen herauszunehmen und die Prozesse zu automatisieren. Dieses Thema wird wohl bis zum Jahr 2050 mehr oder weniger durch sein. 48 diebank 12.2016

IT & KOMMUNIKATION ó diebank: Damit kommt auch dem Thema Daten eine nochmals höhere Bedeutung zu… Al-Ani: Absolut. Wenn Banken jetzt mit immer mehr Partnern zusammenarbeiten wollen oder müssen, nehmen auch Menge und Komplexität der Daten zu, die es zu beherrschen gilt. Auch für Themen wie Machine Learning und Einsatz von künstlichen Intelligenzen braucht es unendlich viele Daten. Nicht von ungefähr werden bereits Stimmen laut, die den CIO durch einen Chief Data Officer ersetzen wollen. Dessen primäre Aufgabe wäre es, mit einer kleinen Heerschar von Data Scientists und durch Nutzung neuer Technologien Ordnung in das Daten-Chaos zu bringen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen sehen wir drei Strategien oder Maßnahmen – von einem Modell kann man hier noch nicht sprechen –, die Banken in Erwägung ziehen sollten: da ist zunächst das Thema Community- Building bzw. Einbindung in ein Öko-System. Aus meiner Sicht ist die Wahl der richtigen Community die Schicksalsfrage schlechthin. Das zweite ist: Die klassischen Banken alleine sind nicht innovativ genug, um die anstehenden Entwicklungssprünge erfolgreich zu bewältigen. Sie haben vollauf mit dem Status quo zu tun und müssen sich mit der Regulierung und mit Compliance-Themen herumschlagen. Ohne professionelles Partnering werden Banken in Zukunft kaum noch erfolgreich sein können. Dritter Punkt: Das bestehende Modell muss noch weitere zehn Jahre am Leben gehalten werden – bis die Babyboomer in Rente gehen. Das bedeutet, dass Banken auch klassische Themen wie Automatisierung zur Kostensenkung und Effizienzverbesserung oder auch strategische Aspekte wie Re-Energizing des bestehenden Modells adressieren müssen. Die sich ausbreitende Digitalisierung eröffnet den Banken eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, um Kunden zu binden und effizienter zu werden. Andererseits gilt aber auch: Die Kosten der Digitalisierung sind enorm. Viele Institute haben damit zu kämpfen, dass sie auf die komplexen bestehenden Systeme nicht auch noch ganz neue Dinge aufsetzen können. Um aber wirklich innovative digitale Lösungen zu bauen, bräuchten die Unternehmen wesentlich mehr Mittel als sie derzeit erübrigen können. Dies gilt auch, wenn sich die Institute für diese neuen Lösungen mit Start-ups zusammentun. Nur ganz wenige werden in der Lage sein, alles zu stemmen, was die Digitalisierung theoretisch ermöglicht. diebank: Die meisten Banken haben bereits gehörig in die Digitalisierung investiert. Kann man schon erkennen, was diese Investitionen gebracht haben? Gibt es messbare Indikatoren? Gaese: Der Erfolg lässt sich ganz gut am praktischen Beispiel einer App festmachen, die wir speziell für und mit Medizin-Studenten entwickelt haben. Letztlich handelt es sich bei der App um eine Prüfungsvorbereitung: Wir stellen die Fragen der Prüfungsämter gesammelt zur Verfügung und kombinieren dies mit dem Community-Gedanken – mit dem Ergebnis, dass sehr viele Medizinstudenten diese App mittlerweile haben. Für mich ist das ein tolles Beispiel für die Messbarkeit von Digitalisierung: Mit unserem Geschäftsmodell zielen wir primär auf die selbstständigen Heilberufe. Der nachwachsende „Rohstoff“ für diese Zielgruppe sind die Medizin-Studenten. Zwar hatten wir auch bisher schon Studenten als Kunden. Mit unserer App haben wir jetzt einen zusätzlichen und modernen Zugang zu einer Zielgruppe gefunden, die generell schwierig zu erschließen ist, die für uns aber Dr. Ralf Gaese, eine enorm große Bedeutung besitzt. Die Bereichsleiter App ist deshalb auch ein gelungenes Beispiel, wie man sich mithilfe der Digitalisie- Organisation, Deutsche Apotheker- und Ärztebank rung durch gezielte Fokussierung vollkommen neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen kann. Entscheidend ist, mit dem Kopf des Kunden zu denken und diese Kundenorientierung in digitale Mehrwertangebote zu übersetzen. Wiedei: Bevor irgendwelche Maßnahmen ergriffen werden, muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, worauf die betreffende Aktivität wirklich einzahlen soll. Andernfalls droht alles im großen, intransparenten Investitionssumpf zu verschwinden. Wir achten deshalb sehr darauf, für jedes Projekt im Vorfeld saubere KPIs festzulegen. Und danach werden die Projekte auch getrackt. Sonst kommt man relativ schnell in die Situation, Apps und schöne Bilder für die Website zu produzieren, weil das alle ganz toll finden, und hinterher fragen sich alle, wo das ganze Geld geblieben ist. Was man bei möglichen Projekten ebenfalls sehr früh diskutieren muss, sind die Opportunitätskosten: Was passiert eigentlich, wenn man nichts macht? Schürmann: Das verstärkte Denken in Opportunitätskosten ist in der Tat neu. Heute muss sich jeder Verantwortliche sehr gut überlegen, welche Investitionen in die IT und die Digitalisierung er jetzt tätigt oder – unter Opportunitätsbetrachtungen – tätigen muss, und womit er sich noch Zeit lassen kann. Technologie ist nun mal teuer. Und gerade für kleine und mittelgroße Häuser drängt sich sehr schnell die Frage auf: Was kann ich mir leisten, und was muss ich mir leisten? Ich bin gespannt, was zum Beispiel der Kontowechselservice mit sich bringen wird, der sich langsam im Markt etabliert. Die Digitalisierung kann hier ganz konkret zu einer Verschiebung von Marktanteilen führen. Früher hatte doch kein Mensch beson- 12.2016 diebank 49

die bank