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die bank 12 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT

ó FINANZMARKT mathematischen Kriterien aus. Im Retailbereich ist daher eine zinsabhängige Verhaltensmodellierung auf statistischer Basis, bei Großkunden eine finanzmathematische Bewertung gefordert. Standardisierter Messansatz und Credit-Spread-Risiken Die Basler Konsultation zu IRRBB im Jahr 2015 enthielt einen Standardansatz für die Messung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch für Säule 1. Die finalen Basler Standards haben das Standardverfahren nur für barwertige Zinsrisiken und hinsichtlich der Produktmodellierungen in vereinfachter Form mit Vorgaben für die Abbildung von Verhaltens- und automatischen Optionen übernommen. Die künftige Rolle und Bedeutung des Standardverfahrens lässt sich angesichts des Verbleibs von IRRBB in der Säule 2 nicht eindeutig ableiten. Laut BCBS sollen Banken grundsätzlich ihr eigenes Modell für die Offenlegung der Zinsänderungsrisiken benutzen. Banken dürfen aber freiwillig den standardisierten Messansatz verwenden, und Aufseher dürfen seine Berechnung einfordern. Etwa ein Drittel (32 Prozent) der Befragten rechnet damit, von der Aufsicht zu einer Implementierung gezwungen zu werden, mehrheitlich waren sie sich diesbezüglich aber im Unklaren (57 Prozent). Absehbar ist eine Verwendung des standardisierten Messansatzes durch Aufseher als Vergleichsmaßstab. Damit entfaltet er voraussichtlich eine standardisierende Wirkung, indem er eine Erwartungshaltung prägt, wie z. B. Einlagen und andere verhaltensabhängige Produkte abzubilden sind. Zusätzlich zum IRRBB betonen beide Papiere die Wichtigkeit des Credit-Spread-Risikos im Anlagebuch (CSRBB) als eigenes, von IRRBB abzugrenzendes Risiko, ohne jedoch genaue Vorgaben für die Berechnung zu machen. Sowohl EBA als auch BCBS fordern Credit-Spread-Risiken im Anlagebuch nur für Fair-Value-Positionen und bleiben damit hinter den Erwartungen der deutschen Aufsicht an bankinterne Risikotragfähigkeitskonzepte 2 zurück. Kapitalauswirkungen der Vorgaben BCBS und EBA stellen die Zinsrisiken im Bankbuch als eigene Risikoart heraus und nicht nur als spezielle Form des Marktpreisrisikos. Die SREP-Leitlinie der EBA verbietet durch ihren „risk-byrisk“-Ansatz sogar, bei der Bestimmung der Summe der Kapitalanforderungen (Additional Own Funds Requirements, AOFR), auch „Säule 1+“ genannt, Diversifikationseffekte zwischen Marktpreisrisiken und Zinsrisiken im Bankbuch zu berücksichtigen. IRRBB ist als eigene Risikoart in Risikotragfähigkeitskonzepten zu berücksichtigen und im ökonomischen Kapital abzubilden. Trotz des Verzichts auf Kapitalanforderungen in Säule 1 haben die neuen IRRBB-Anforderungen über Säule 1+ des SREP ein erhebliches Potenzial, die Kapitalanforderungen zu erhöhen. Etwa die Hälfte (52 Prozent) der Befragten rechnen mit steigendem Kapitalbedarf mit nur unwesentlichen Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell. Zwölf Prozent rechnen mit einem derart stark steigenden Kapitalbedarf, dass dieser Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell hat. 33 Prozent konnten dies noch nicht abschätzen. Obwohl das Zinsrisiko auf dem Anlagebuch eines der ursprünglichen Risiken von Banken ist, wird es im Vergleich zum Zinsrisiko im Handelsbuch in der Risikomessung und -steuerung, insbesondere großer Häuser, oft stiefmütterlich behandelt. Häufig wurde in großen Häusern eine barwertige Marktrisikomessung zunächst im Handelsbuch eingeführt und später das Anlagebuch auf Basis zugelieferter, aggregierter Cashflows integriert, wodurch den Charakteristika des Anlagebuchs oft nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Kleinere Häuser hingegen steuern häufig in periodischer Perspektive, vernachlässigen aber dabei die barwertige Perspektive. Hervorzuheben sind zudem verhaltensabhängige Optionalitäten, deren Zinsabhängigkeit in der Regel nicht berücksichtigt wird. Die wesentlichen Herausforderungen Die Diskrepanz zwischen Praxis und zukünftiger Regulatorik zeigt sich in der Umfrage in den genannten großen Herausforderungen ” 1. Die simultane Steuerung von Barwert und Zinsertrag wurde dabei am häufigsten genannt. Für viele Banken bedeutet diese einen Paradigmenwechsel und erfordert den Aufbau entsprechender Modelle, Infrastruktur, Zuständigkeiten und eine Anpassung der Risikosteuerung. Auffällig ist, dass die vier meistgenannten großen Herausforderungen von keinem Schweizer Institut genannt wurden, welche die Abbildung von Optionen und Bodensatzprodukten als vorrangig betrachten. Dies weist auf eine größere Erfahrung der Schweizer Banken mit der ertragsorientierten Steuerung hin. Zudem könnte dies Handlungsbedarf in der Steuerung während einer Negativzinsphase aufzeigen, wovon die Schweiz ungleich länger und stärker betroffen ist als Deutschland. Umsetzungsstand und Planung Einen Überblick über die aktuell verwendeten und geplanten Verfahren laut der Umfrage gibt ” 2. Die Messung des barwertigen Risikos durch ein VaR-Modell zählt in größeren Banken heute zum Marktstandard. Oft sind in diesen Modellen jedoch Positionen mit verhaltensabhängigen Cashflows nicht angemessen dargestellt. Auffällig: Einige Häuser, die barwertige Risiken messen, bestimmen aktuell keine Barwertperformance. Sie berechnen also das Risiko von Barwertverlusten, messen aber nicht deren Eintritt. In weiteren Antworten dieser Kreditinstitute spiegeln sich allerdings Verbesserungspläne. Als geplante Verbesserung wurde am häufigsten die Abbildung der Ertragseffekte genannt. So gaben zwölf Befragte an, ihr Haus plane, eine Ertragssimulation einzuführen. Nur zehn Befragte aus Häusern, die bisher darüber nicht verfügen, gaben keine Pläne zur Einführung an. Insgesamt haben 30 Befragte diese Frage beantwortet. Zur Abbildung von Bodensatzprodukten und verhaltensabhängigen Cashflows werden Modellierungen benötigt. Die Befragung zeigt auch in diesem Umfeld 10 diebank 12.2016

FINANZMARKT ó 2 Messverfahren für Zinsrisiken im Anlagebuch Welche Messverfahren für IRRBB verwenden bzw. planen Sie? Messung von CSRBB (ertragsorientiert) Messung von CSRBB (barwertig) Stochastische Simulation der Zinsprognose Zinsertragsprognose unter Szenarien (Bilanz/Marktdaten) Zinsertragsprognose Barwertige Risiken in Szenarien mit Simulation der Bilanz Barwertige Sensitivitäten Barwertige Stresstestings VaR Zinsablaufbilanz Ökonomische P&L/ Barwertperformance im BB im Einsatz 0 10 20 30 geplant großen Anpassungsbedarf und geplante Maßnahmen. Die Hälfte aller Befragten plant, eingebettete, zinsabhängige Optionalitäten künftig besser abzubilden. Duale und verzahnte Steuerung von IRRBB Die von den Befragten mit Abstand meistgenannte Herausforderung ist die duale Steuerung. Zur Steuerung unter allen Anforderungen müssen Wert- und Ertragseffekt und weitere Nebenbedingungen multidimensional dargestellt und optimiert werden. Dies bedeutet für viele Institute die Erweiterung der Kennzahlen zur Analyse, Erklärung und Steuerung der Zinsänderungsrisiken. Neben den aufsichtlich geforderten Risikokennzahlen sind auch Performance-Kennzahlen wie Treasury P&L oder der im Planszenario erwartete Nettozinsertrag für die Steuerung relevant. Um Steuerungsimpulse abzuleiten, ist es wesentlich, unter verschiedenen Perspektiven simulieren und die Ergebnisse im Vergleich darstellen zu können. Um die verschiedenen Sichten zusammenzufassen, ist daher ein „Steuerungscockpit“ mit Matrixdarstellung der relevanten Kennzahlen zu empfehlen. Beim Nettozinsertrag sollte der vom Basler Ausschuss für die Offenlegung geforderte Ertragseffekt über zwölf Monate auf einer konstanten Bilanz mit einer mehrjährigen Ertragssimulation mit Bilanzänderungen kontrastiert werden, weil der Ertragseffekt auf einer konstanten Bilanz hochrelevante Dynamiken von Kundenverhalten, Volumenentwicklung so- wie Margenentwicklung nicht abbilden kann. Zudem kann eine „echte“ Bilanz- und Ertragsvorschau die konträren Handlungsimpulse zwischen barwertiger und Ertragssicht aufzeigen, Absicherungsentscheide begründen und teure Fehlsteuerungen vermeiden helfen. Aufgrund der Abhängigkeiten zu Risikocontrolling, Gesamtbanksteuerung und Treasury sowie Schnittstellen zu anderen Themenbereichen (z. B. zum Vertriebscontrolling und Treasury für die Innenzinsen) kann die Zinsrisikomatrix nicht isoliert betrachtet werden. Die Etablierung der neuen barwertigen Maßzahlen für IRRBB, methodische Erweiterungen bei der Abbildung des Ertragseffekts sowie Verbesserungen der Steuerungskreise erfordern eine klare Kommunikation innerhalb der Bank. Fazit Neben einem widrigen Zinsumfeld belasten höhere Kapitalanforderungen und Beschränkungen wie die Leverage Ratio und die Liquiditätskennzahlen das Ertragspotenzial der Banken. Die Regeln für das Zinsrisiko im Anlagebuch seitens Basel und EBA reihen sich prima vista nahtlos in das immer enger geschnürte regulatorische Korsett ein, sie bieten jedoch auch Chancen. Seit jeher ist die Gesamtbanksteuerung mit der Aufgabe betraut, das Spannungsdreieck Kapital, Ertrag und Liquidität unter Risikogesichtspunkten auszubalancieren. Der starke Fokus des Regulators auf die Barwertsicht behinderte teilweise eine adäquate Berücksichtigung der Steuerungsachse „Zeit“. Das auch betriebswirtschaftlich gegebene Erfordernis, Risiken und Ertrag über die Ertragssimulation kurzfristig und über die Barwerteffekte langfristig gegenüberzustellen, erhält durch die neuen Regulierungen Rückenwind. Ertrag ist das Kapital der Zukunft – somit ist die periodengerechte Ertragssteuerung zentral für die Banksteuerung und die Stabilität der Bank. Die Umfrage hat einen erheblichen Investitionsbedarf in diesem Bereich aufgedeckt. Gleichzeitig ist die unzweideutige regulatorische Anerkennung der unterschiedlichen Zielsetzungen und Steuerungsimpulse aus Barwert- und Ertragssicht ein Katalysator für eine duale Steuerung. Als Chance wahrgenommen, richtig umgesetzt und innerhalb der Bank zwischen den Abteilungen verzahnt, kann – insbesondere in einem so anspruchsvollen Markt- und Zinsumfeld wie heute – die duale Steuerung zu einem Werttreiber ausgebaut und damit das Ertragspotenzial der Bank nachhaltig gesteigert werden. ó Autoren: Dr. Lars Dohse ist Manager, Dr. Andreas Keese ist Senior Manager bei der d-fine GmbH. Dr. Sven Ludwig ist Managing Director und Head of SMEs for Risk Management and Analytics EMEA, David Renz ist Director Risk Advisory bei FIS. 1 Eine detaillierte Darstellung der Umfrage enthält der Artikel Lars Dohse/Andreas Keese/ Sven Ludwig/David Renz: IRRBB: Umfrage, Konsequenzen und neue Ansätze - Zinsbuchsteuerung im Umbruch, in: RISIKO MANAGER 9 (2016), S. 15-30. 2 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte, 7. Dezember 2011. 12.2016 diebank 11

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