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die bank 12 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

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ó BANKING ten Bausparern gehören, die an einer langfristigen guten Geldanlage interessiert sind, sollten Sie sich unseren Hochzinstarif näher ansehen.“ Kunden erhalten bei Darlehensverzicht bis zu vier Prozent Zinsen. Dennoch berufen sich einige Bausparkassen bei ihren Kündigungen schon vor Erreichen der Vollbesparung eines Vertrags auf §489 Abs. 1 Nr. 2 BGB: „Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen, in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang Widersprüchlichkeit Viele Bausparkassen begründen ihre Kündigungen mit §489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Diese Argumentation lässt sich nicht ohne Widersprüche aufrechterhalten. Sie führt insbesondere zu Konflikten mit dem Aufsichtsrecht. Vorliegende Einzelgerichtsentscheidungen, die eine Kündigung zehn Jahre nach Zuteilungsreife für rechtens ansehen (LG Aachen, LG Karlsruhe, LG Hannover, jeweils 2015, LG Mainz 2014), überzeugen deshalb nicht. Außerdem spricht das BGB klar von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens, und nicht von zehn Jahren nach Zuteilungsreife eines (Bauspar-)Vertrags. Eine diesbezügliche Auslegung des Gesetzes (z. B. LG Aachen) mit Blick auf „strukturelle Eigenheiten“ eines Bausparvertrags ist nicht stichhaltig und konterkariert sowohl den Wortlaut als auch den Sinn des Gesetzes. Diejenigen Bausparer, deren Bausparsumme durch den Ansparvorgang noch nicht erreicht ist, brauchen eine Kündigung somit nicht hinzunehmen; solche Bausparer, deren Bausparsumme durch den Ansparvorgang fast erreicht ist, können eine Kündigung seitens der Bausparkasse durch einseitige Erhöhung der Bausparsumme abwenden. Das ist bei vielen Verträgen möglich. Dies entspricht auch der Auffassung des Schlichters der öffentlichen Banken. Bereits im Jahr 2013 hatte der Ombudsmann entschieden, dass allein die Kündigung eines voll angesparten Bausparvertrags zulässig ist. Wenn der Bausparer vor der Kündigung eine Erhöhung der Bausparsumme beantragt und damit erreicht, dass der Bausparvertrag nicht voll angespart ist, sei die Kündigung unwirksam. Bestäfl Das eigentliche Problem der Bausparkassen ist die Niedrigzinsphase. des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.“ Fehlerhafte Begründung Bausparkassen müssten somit die Rolle des Darlehensnehmers einnehmen, um das Kündigungsrecht gemäß §489 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Anspruch nehmen zu können. Dass dies ein fehlgeleiteter Ansatz ist, zeigt sich bereits daran, dass der Gesetzgeber das Kündigungsrecht „in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“ des Darlehens statuiert. Selbst wenn man einer Bausparkasse den Status eines Darlehensnehmers interpretativ zubilligen wollte, gelingt es nicht, da einzig und allein der Bausparer in der Ansparphase das Darlehen in den vollständigen Empfang nehmen kann, die Bausparkasse hingegen nicht. Denn bei einem nicht vollständig besparten Vertrag erhöht sich durch Einzahlungen und Gutschriften das Bausparguthaben immer weiter – mit der Folge, dass die Bausparkasse das angebliche Darlehen eben gar nicht vollständig in Empfang nehmen kann. Die Voraussetzungen des §489 Abs. 1 Nr. 2 BGB sind folglich mindestens so lange nicht erfüllt, wie der Sparvorgang andauern kann. Dabei hat die Bausparkasse keine Maßgabe, den Bausparer zu einem zügigen Erreichen seiner Bausparsumme anzuhalten. Zivilrecht ja, aber auch Aufsichtsrecht ist relevant Bausparkassen sind gemäß §1 Abs. 1 Bau- SparG (Bauspargesetz) „Kreditinstitute, deren Geschäftsbetrieb darauf gerichtet ist, Einlagen von Bausparern (Bauspareinlagen) entgegenzunehmen und aus den angesammelten Beträgen den Bausparern für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen Gelddarlehen (Bauspardarlehen) zu gewähren (Bauspargeschäft).“ Somit ist klar, dass der Bausparer in der Ansparphase schlicht Einlagensparer ist, ganz im Sinne des Gesetzes. Auch im Kreditwesengesetz (KWG) werden Bankgeschäfte getrennt unter anderem nach Einlagengeschäft (§1 Abs. 1 Nr. 1 KWG) und Gelddarlehen beziehungsweise Kreditgeschäft (§1 Abs. 1 Nr. 2 KWG). Die Bausparkasse fungiert in der Ansparphase somit als Einlagen-Kreditinstitut und nicht als Darlehensnehmer. 3 Sie kann widerspruchsfrei zu einem festen Zeitpunkt keine Doppelrolle einnehmen; die angesparten Beträge sind begrifflich, rechtlich und wirtschaftlich Einlagen durch den Bausparer. Gemäß Bankenaufsicht ist die Hingabe von Einlagen an lizensierte Kreditinstitute unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Einstufung nicht als das Betreiben des Kreditgeschäfts zu werten. 4 Neben seiner Rolle als Einleger ist aufgrund der Konstruktion eines Bausparvertrags in der Ansparphase vielmehr der Bausparer der Darlehensnehmer, denn in dieser Phase ist er derjenige, der gemäß §1 Abs. 2 BauSparG „einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens“ hat. Dabei gilt es auch, das spezielle Schutzniveau eines Einlegers zu beachten, das über die Einlagensicherung mit dem Status einer Bausparkasse verknüpft ist (siehe §35 KWG). 30 diebank 12.2015

BANKING ó tigt wird dies durch das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 09. Oktober 2015, wonach der betroffenen Bausparkasse bei einem seit über zehn Jahren zuteilungsreifen Vertrag kein Kündigungsrecht auf Basis des §489 BGB zustehe. 5 In die gleiche Richtung geht die Entscheidung des Oberlandesgerichts Ulm vom 23. September 2015 zu den „Scala“- Sparverträgen der Sparkasse Ulm. In der anhaltenden Niedrigzinsphase sieht sich die Sparkasse nicht mehr in der Lage, diese zwischen 1993 und 2005 angebotenen und aus heutiger Sicht sehr gut verzinsten Verträge fortzuführen. Das Landgericht Ulm hat in mehreren Verfahren entschieden, dass die Sparkasse sich nicht auf §489 Abs. 1 BGB berufen und somit die Scala-Verträge nicht ordentlich kündigen könne, da die Anwendung des §489 BGB dem Gesetzeszweck zuwiderlaufe. Die Sparkasse dürfe auch die Erhöhung der monatlichen Sparraten nicht verweigern. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat diese Rechtsprechung nun bestätigt und dabei zum Ausdruck gebracht, dass auch dann kein Kündigungsrecht für die Sparkasse bestehe, wenn eine Marktentwicklung - hier der Weg zu Niedrigszinsen - anders laufe als erwartet. 6 Das Problem ist die Niedrigzinsphase Wenn jemand vor etlichen Jahren ein Immobiliendarlehen aufgenommen hat und hierfür damals wie heute wegen einer langen Zinsbindungsdauer beispielsweise 4,5 Prozent Zinsen bezahlt, kann er nicht ohne Weiteres kündigen. Gelingt ihm durch Verhandlung mit der Bank dennoch der vorzeitige Ausstieg, muss er mindestens eine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen, die sich je nach Laufzeit und Zinsdifferenz in unterschiedlicher Höhe bewegen kann. Bei Bausparkassen hingegen dürfte eine Schwierigkeit darin bestehen, dass der Bausparvertrag keine feste Laufzeit hat und die Kalkulation einer fairen Entschädigungszahlung nicht eindeutig ist, zumal eine gesetzliche Rechenvorgabe fehlt. Auch ein Darlehensnehmer, der sein Immobiliendarlehen zusammen mit einer Lebensversicherung z. B. vor über zehn Jahren abgeschlossen hat und mit der Versicherungsleistung endfällig tilgen wollte, sieht sich mit erheblich sinkenden Ablaufleistungen konfrontiert. Kann er nicht tilgen, verwertet die Bank im Zweifelsfall die Immobilie. Fazit Die Begründung einiger Bausparkassen für die Kündigung von Bausparverträgen führt zu Widersprüchlichkeiten, die von nicht überzeugenden landesgerichtlichen Einzelentscheidungen flankiert, jedoch von oberlandesgerichtlichen Urteilen zu einer ähnlichen Rechtsfrage konterkariert werden. Sinnvoll wäre deshalb eine höchstrichterliche Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof (BHG), die alle Aspekte aus den verschiedenen Rechtskreisen und Gesetzen mit einbezieht. Dies wird durch die Tatsache untermauert, dass der Regierungsentwurf zur Änderung des Bausparkassengesetzes (Bau- SparkG) vom 23. September 2015 dieses Thema bewusst nicht einbezieht. Vielmehr werden in dieser ersten Novelle seit 1990/1991 sinnvollerweise zum Teil jene Bausteine geändert, die zu bausparspezifischen rechtlichen Begrenzungen geführt haben, die sich im Zuge der anhaltenden Niedrigzinsphase nur schwerlich als dauerhaft haltbar darstellen. Dabei geht es etwa um die Möglichkeit, Pfandbriefe begeben zu dürfen und sich dadurch eine günstige Refinanzierung zu eröffnen. Auch würde der Anteil an sonstigen Immobiliendarlehen außerhalb des Bauspardarlehensgeschäfts steigen dürfen, also jener Baudarlehen, die nicht mit Bausparverträgen unterlegt sind. Derzeit muss dafür Fremdkapital aufgenommen werden. Ferner sollen die Anlagemöglichkeiten erweitert werden. Der Großteil der Anlagen entfällt derzeit auf renditearme Staatsanleihen. Zudem könnte der auf Hochzinsphasen ausgelegte Sicherheitspuffer aus dem Fonds für bauspartechnische Absicherung durch Erweiterung des Verwendungszwecks flexibler genutzt werden. Der Fonds ist derzeit noch zur Absicherung der Liquidität in Hochzinsphasen ausgelegt – für den Fall, dass viele Kunden gleichzeitig zinsgünstige Darlehen abrufen. Nun könnte der Fonds zu der gerade in einer Niedrigzinsphase relevanten Sicherung der kollektiv bedingten Zinsspanne genutzt werden und somit zum Betrieb des Bauspargeschäfts beitragen. 7 Allerdings ist nicht auszuschließen, dass mit diesem Vorhaben, das Ende 2015 in Kraft treten könnte, zusehends auch eine Diskussion beginnt, inwieweit ein derart erweitertes Geschäftsmodell dann noch mit dem Bild einer Bausparkasse vereinbar ist. Nicht zuletzt deshalb wird im Gesetzestext nunmehr ausdrücklich geregelt, dass die Bausparkasse wesentliche Tätigkeiten zur Steuerung und Kontrolle der spezifischen Risiken des Bauspargeschäfts nicht auf Dritte übertragen oder auslagern darf. Dazu gehören insbesondere das Risikomanagement des kollektiven Bauspargeschäfts, die Kollektivsteuerung und die hierauf bezogenen Tätigkeiten der internen Revision. ó Autor: Dr. Alexander Suyter ist Geschäftsführer der Dr. Suyter GmbH, München. 1 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 23. September 2015: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bausparkassen (BauSparkG). 2 Die Zuteilungsreife hängt u. a. vom Alter des Vertrags ab und kann z. B. bei einem Guthaben von 40 oder 50 Prozent erreicht sein. Dadurch ist jedoch das Bausparziel noch nicht erfüllt. Folglich steht dem Bausparer weiterhin das Recht auf ein Darlehen zu. 3 Zudem unterschied der Gesetzgeber explizit den Begriff Kreditinstitut vom Einlagen-Kreditinstitut, der durch Umsetzung der CRD IV in deutsches Recht i.V.m. der EWR-Verordnung CRR zum Teil angeglichen wurde. 4 BaFin-Merkblatt zum Tatbestand des Kreditgeschäfts, zuletzt aktualisiert am 25. April 2014, Stand 07. September 2015. 5 Siehe Az. 7 O 126/15. In dem konkreten Fall ist der Vertrag seit 2002 zuteilungsreif. 6 Urteile vom 23. September 2015, Az. 9 U 31/15 und 9 U 48/15. 7 Zum Beispiel könnten die Mittel des Fonds dazu genutzt werden, Neutarife zu finanzieren oder um vorübergehend Zinsaufwand für Bauspareinlagen zu bestreiten — jeweils nach aufsichtlicher Genehmigung. 12.2015 diebank 31

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