ó BANKING tos ein heiß begehrtes Konsumgut und Statussymbol. Allein im ersten Halbjahr 2016 wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt gut 1,7 Mio. Neuwagen in Deutschland zugelassen, satte 7,1 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Und was die Autobanken besonders freut: Nur noch 25 Prozent der Käufer zahlen bar. Bei Daimler etwa, werde bereits mehr als jedes zweite Fahrzeug, sei es Pkw oder Nutzfahrzeug, über die Mercedes-Benz Bank finanziert oder geleast, rechnet Reiner vor. So richtig in Schwung sei das Business erst gekommen, als die Deutschen zunehmend entdeckten, dass ein Auto nicht unbedingt ins Eigentum wechseln muss. „Das heilige Blechle gehört einem“, zitiert Reiner die einst vorherrschende Einstellung vieler seiner schwäbischen Landsleute. Konzentrierten sich die Finanzdienstleister der Autobauer zunächst darauf, den Finanzierungsbedarf von Käufern und Händlern zu decken, weiteten sie nach und nach ihr Geschäftsmodell aus. Autobauer weiten ihre Geschäftsmodelle aus Nach Gründung der Vollbank im Jahr 2002 erweiterte auch Mercedes-Benz das Angebot um Tagesgeldkonten, Sparpläne, Festzinskonten, Investmentfonds, Zertifikate und Kreditkarten (MercedesCard) und macht damit den Direktbanken Konkurrenz. Bei der Refinanzierung setzen die Autobanken wie andere Banken auch auf Anleihen über den Kapitalmarkt sowie Asset Backed Securities (ABS). Dabei werden die Kredit- und Leasingverträge zu Wertpapieren verpackt, die mit den Forderungen an die Kunden besichert sind. Käufer sind Versicherungen, Fonds und andere Banken. Anders als die vielen Immobilienkredite in den USA, die gleichfalls zu ABS-Paketen geschnürt wurden und letztlich die globale Finanzkrise auslösten, gelten die Autodarlehen als relativ sicher. Joachim Häcker, Direktor des Deutschen Instituts für Corporate Finance, nennt für Deutschland aktuell „historisch niedrige Kreditausfallquoten von ca. 0,3 bis 0,4 Prozent.“ (siehe Interview) „Als Captive sind wir vor allem ein Absatzförderer für Daimler“, unterstreicht Reiner. Das Wort „Captive“, also Gefangene, soll ausdrücken, dass die Institute nicht wie andere Geschäftsbanken frei agieren, sondern an einen bestimmten Konzern gebunden sind. Die 110 Händler des Konzerns mit ihren 555 Verkaufsstellen unterstützt die Bank bei der Finanzierung des Lagerwageneinkaufs, der technischen Umrüstung der Werkstätten oder bei der Neugestaltung der Showrooms. Die gut eine Million Kunden können neue Pkw, Vans, Trucks oder Busse, aber auch Gebrauchtwagen finanzieren oder leasen und gleichzeitig Serviceverträge abschließen, direkt beim Händler vor Ort oder online. Oder ihr Geld anlegen. Nur Vermögensverwaltung oder Baufinanzierung haben die Stuttgarter nicht im Angebot. Für Unternehmen managt das Institut zudem ganze Pkw- oder Lkw-Flotten. Wie wichtig der Finanzdienstleister für den Erfolg Daimlers ist, belegt Reiner mit einigen Zahlen. Kunden einer herstellerverbundenen Bank kauften ihr Fahrzeug nicht nur früher als vorgesehen (31 Prozent), sie wählten häufig auch eine bessere Ausstattung (43 Prozent) und könnten sich einen höheren Fahrzeugpreis leisten als erwartet (29 Prozent). Das zeigt eine Studie des Branchenverbandes AKA. Und nahezu vier von zehn Gebrauchtwageninteressenten (37 Prozent) entschieden sich dann doch für die Anschaffung eines Neuwagens. Auch der Einfluss der Finanzdienstleistungen auf die Fahrzeughaltedauer sei beachtlich: Kunden der Herstellerbanken nutzten ihr Fahrzeug durchschnittlich 4,4 Jahre, Leasingkunden sogar nur 3,1 Jahre. Bei Barzahlern hingegen ist die Fahrzeughaltedauer mit 5,9 Jahren deutlich länger. Wie beim Leasing von Maschinen profitieren damit auch Autobesitzer davon, dass sie schneller als andere in den Genuss der neuesten Technik kommen, sei es bei Antrieb, Ausstattung oder Sicherheitsfeatures. „Last but not least können wir unsere Kunden besser binden“, unterstreicht der Bankchef. Denn die AKA-Studie habe auch gezeigt, dass sich knapp zwei Drittel (63 Prozent) der Autobankkunden erneut für die gleiche Marke entschieden haben, während dies bei Kunden anderer Banken (37 Prozent) und bei Barzahlern (46 Prozent) deutlich seltener der Fall sei. Letztlich verdienen die Finanztöchter von Daimler, VW & Co nicht nur am Auto, sondern auch an den sogenannten Mobilitätspaketen. Erfolgsmodell Autobanken Mittlerweile entscheidet sich mehr als jeder zweite Kunde (53 Prozent) über die Finanzierung oder den Leasingvertrag hinaus für Pakete, welche weitere Service- und Versicherungsleistungen enthalten. Die beliebtesten Bestandteile sind Wartungsund Serviceverträge (72 Prozent), die Kfz-Versicherung (51 Prozent) sowie Garantieverlängerungen (51 Prozent) und zusätzliche Kreditabsicherungen (30 Prozent). Zahlen, die verdeutlichen, warum sich das Who is Who der Autoindustrie eigene Finanzdienstleister und später dann Vollbanken zugelegt haben. Early birds wie Ford und VW sind schon seit 1926 bzw. 1949 am Markt, BMW folgte 1971 und Mercedes stieß 1967 dazu. Franzosen (Renault, Peugeot), Italiener (Fiat), Amerikaner (Opel) und Japaner (Mitsubishi, Honda, Toyota) wollen sich das renditestarke Geschäft ebenfalls nicht entgehen lassen. Auch Hyundai-Kia steht gerade in den Startlöchern, noch 2016 soll es 26 diebank 11.2016
BANKING ó mit einer eigenen Bank losgehen. In der Rangliste der Branchenführer sieht sich die Mercedes-Benz Bank laut Reiner auf Rang 2 nach VW und vor BMW. Der Marktführer ist mittlerweile so groß, dass er mit einer Bilanzsumme von 49,2 Mrd. € in 2015 laut der aktuellen Top-100-Liste dieser Zeitschrift bereits auf Rang 23 landet. Die Mercedes-Benz Bank belegt mit einer Bilanzsumme von 24,06 Mrd. € Platz 39 dicht gefolgt von der BMW Bank mit 23,9 Mrd. € auf Rang 40. Erste Auslandsautobank unter den Top 100 ist die 1988 gegründete Toyota Kreditbank mit 7,4 Mrd. €. Passende Angebote für die Hochzeit, für den Ausflug oder den Familienurlaub Für Daimler lief es 2015 gut. Schon im Vorwort der jüngsten Imagebroschüre lässt Reiner Besucher und Kunden wissen, dass sein Institut 2015 ein Rekordjahr erreicht hat. Für sein Porträtfoto zum Vorwort hat er sich in schwarzem Anzug und schwarz-lila-weiß gestreifter Krawatte ablichten lassen und macht gute Miene zum erfolgreichen Spiel. Erstmals sei beim Neugeschäft die Zehn-Milliarden-Grenze überschritten worden, wozu ein Plus von acht Prozent bei Leasing und Finanzierung beitrug. Gut 812.000 Wagen seien im Vertragsbestand. Wichtigste Wachstumstreiber waren Pkw-Fuhrparks, Gebrauchtwagen und Mietwagen von Mercedes-Benz Rent, bei der Kunden je nach aktuellem Bedarf ein Fahrzeug ausleihen können, sei es die S-Klasse für die Hochzeit, ein Cabrio für den Ausflug ins Grüne oder ein Reisemobil für den Familienurlaub. Im Fünfjahresvergleich zeigt sich jedoch noch deutlicher, wo die Musik bei der Autobank spielt. Während das Neugeschäft bei Leasing und Finanzierung von 8,47 Mrd. € auf 10,7 Mrd. € sprang, ging das Einlagengeschäft kontinuierlich zurück. Erzielte dies im Jahr 2010 noch ein Volumen von 10,9 Mrd. € waren es 2015 nur noch 10,4 Mrd. €. Allein zwischen 2014 und 2015 sackte die Zahl der Konten bei den Einlagen von gut 544.000 auf gut 511.000, was Reiner mit der Höhe der Konditionen begründet. Trotz der Erfolge mit Krediten und Leasing müssen auch die Stuttgarter kreativ bleiben. „Wir stehen nicht nur im Wettbewerb zu den anderen Autobanken, sondern zu allen Banken“, unterstreicht Reiner. Auch seitens der FinTechs erwartet der Manager neue Konkurrenz. Und da bereits 75 Prozent der Neuwagen finanziert würden, sei das Potenzial langsam ausgeschöpft. „Die Geschäftsmodelle werden sich verändern müssen.“ Von der Bank zum Mobiltätsdienstleister, unter dieser Headline würden heute und künftig zahlreiche neue Services entwickelt. Seit Anfang 2015 bietet die Bank etwa Leasingkunden der B-Klasse (Electric Drive) kostenlose Zusatzprodukte. Fahren sie in den Skiurlaub, können sie für 15 Tage im Jahr beispielsweise einen SUV mieten. Monatlich steht zudem ein Guthaben in Höhe von 44,70 € für die Nutzung des Carsharings Der Chef Manchmal liegen Erfolg und Misserfolg sehr dicht beieinander. Während die Geschäfte der Mercedes- Benz Bank rund laufen, mussten die Stuttgarter im Sommer einen herben Rückschlag verkraften. Nach 39 Jahren wurde das eigentlich Undenkbare, Unvorstellbare wahr: Der VfB stieg ab. Einen Fußballfan wie Franz Reiner schmerzt das nicht nur, weil er als Jugendlicher selbst leidenschaftlich gern gekickt hat und sein Herz für den Verein schlägt. Sogar die beiden älteren Töchter hat der dreifache Vater mit dem Spaß am Spiel angesteckt. Aber es geht um mehr. Seit 2012/13 ist seine Bank der Haupt-und Trikotsponsor des Stuttgarter Traditionsvereins. Viele Mitarbeiter seien Fans, Verein und Bank regional verwurzelt, nennt Reiner als Gründe für den Einstieg. Entscheidender dürfte jedoch sein, dass man die Bekanntheit der Bank an jedem Samstag steigern wollte, an dem die Kicker aus dem Schwabenland gegen die anderen Bundesligisten antraten. Eine Strategie, die künftig zumindest nicht mehr wie ursprünglich geplant aufgehen wird. Beruflich ging es für den heute 49-Jährigen hingegen ohne Umweg nach oben. Reiner, 1967 in Houston (Texas) geboren, startete nach dem Wirtschaftsingenieur-Studium an der Fachhochschule für Technik in Esslingen ein Traineeprogramm bei der Mercedes-Benz Lease Finanz GmbH in Stuttgart. Nur ein Jahr später leitete der damals 26-Jährige die Geschäftsstelle in Dresden. Im Jahr 2000 übernahm Reiner die Leitung von Vertrieb und Marketing bei der Mercedes- Benz Lease Finanz GmbH und rückte 2003 schließlich in den Vorstand der neu gegründeten DaimlerChrysler Bank AG auf, die kurz zuvor eine Vollbanklizenz erhalten hatte. In dem Gremium verantwortete Reiner das Privat- und Firmenkundengeschäft, bevor er von 2005 bis 2011 zunächst nach Kanada und dann in die USA ging, um die Finanzdienstleistungen für Pkw sowie Lkw für den nord- und schließlich auch südamerikanischen Markt zu verantworten. 2011 kehrte der Automanager zurück nach Stuttgart und rückte an die Spitze der Mercedes-Benz Bank AG. Gleichzeitig sitzt er im Vorstand der Bank-Mutter, der Daimler Financial Services, und verantwortet die Region Europa. Reiner, der sich als Familienmensch bezeichnet, hält sich fit mit Sport, sei es beim Laufen oder bei Fahrten mit dem Mountainbike. Seine größten Leidenschaften sind jedoch das Kochen und Wein. Obwohl er seit 24 Jahren das Geschäft mit dem Geld betreibt, scheint es seine Gedanken keinesfalls zu beherrschen. Die Frage, wie er 1 Mio. € anlegen würde, beantwortet der Banker fernab vom Blick auf die Finanzmärkte. „Ich würde für jene spenden, die Hilfe brauchen, Geld für die Ausbildung meiner Kinder zurücklegen und eine Weinreise mit meiner Frau machen.“ 11.2016 diebank 27
Digitalisierung der Finanzindustrie
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