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die bank 11 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT Rechtsrisiken werden zum Systemrisiko STRAFZAHLUNGEN In den vergangenen fünf Jahren stiegen nicht nur Anzahl und Ausmaß der schlagend gewordenen operationellen Risiken im Zusammenhang mit Fehlverhalten in Banken an, sondern auch die Zahl und der Umfang der gegenüber den Instituten verhängten Sanktionen. Da allenfalls zwei Drittel der offenen Verfahren mittlerweile beigelegt sind, stehen noch erhebliche Rechts- und Prozesskosten aus, für die offenbar nicht überall ausreichend Rückstellungen gebildet worden sind. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) warnt dementsprechend davor, dass Sanktionen ihrerseits systemische Risiken bergen, die zusätzliche Kosten für das gesamte Finanzsystem verursachen können. Red. Keywords: Regulierung, Compliance, Risikomanagement Offene Rechtsstreitigkeiten werden in zunehmendem Maße zu einer dauerhaften Belastung für international tätige Banken. Vor allem die Aufarbeitung von möglichen Verfehlungen vor der Finanzkrise beansprucht in vielen Instituten erhebliche Ressourcen. Die Streitereien vor Gericht und mit Regulierern kosten internationale Kreditinstitute Milliardensummen. Die Regulatoren drängen deshalb mehr und mehr darauf, bankinterne Compliance- und Risikomanagement-Systeme zu verbessern und eine adäquate Risikokultur zu etablieren. Für die Institute erhöht sich der Druck dadurch gleich von mehreren Seiten. Das niedrige Zinsniveau, mehr Kreditausfälle, eine neue Konkurrenz durch agile Start-ups sowie steigende regulatorische Anforderungen belasten seit Jahren die Ertrags- und Ergebnisentwicklung der Institute. Auch die aktuelle Rendite liegt bei den zehn größten Banken immer noch unter den Eigenkapitalkosten, wie eine aktuelle Studie von Roland Berger Strategy Consultants zeigt. Die Gründe: höhere Kosten und ein regulatorisch bedingter niedrigerer Leverage. Hinzu kommen milliardenschwere Rechts- und Prozesskosten, insbesondere im Corporate und Investment Banking. Bei den zehn größten Marktakteuren mussten im Jahr 2014 insgesamt 12,5 Prozent der gesamten Kosten für Restrukturierung, Compliance und Rechtsrisiken aufgewendet werden ” 1. Der Hauptanteil davon sind Strafzahlungen, die sich seit der Finanzkrise auf insgesamt 160 Mrd. US-$ summiert haben. Der Löwenanteil entfällt auf Probleme im Zusammenhang mit US- Immobilienfinanzierungen bzw. deren Verbriefungen. Allein 120 Mrd. US-$ schlagen hier zu Buche. Gemäß der Studie von Roland Berger erwarten die Banken auch im laufenden Jahr 2015 sowie 2016 weiter ansteigende Belastungen durch Strafzahlungen. Um diese Negativeffekte zu kompensieren, werden viele Banken ihre Kosten weiter reduzieren müssen. Außerdem scheint unumgänglich, die Compliance- und Risikomanagement- Strukturen dem Leistungsspektrum der einzelnen Institute anzupassen. Ohne einen kulturellen Wandel im weltweiten Bankensektor wird dies kaum zu schaffen sein. Doch dieser kulturelle Wandel kann nur erfolgreich sein, wenn ihn alle Führungskräfte eines Finanzinstituts mittragen und vorleben. Denn das schafft Vertrauen in neue Strukturen und Verantwortlichkeiten. Hier sehen die Unternehmensberater noch Handlungsbedarf. Zusätzliche Kosten für das gesamte Finanzsystem Die Gesamtgemengelage ist ein explosives Gemisch, zumal die ausufernden Strafzahlungen ein Systemrisiko nach sich ziehen. Da allenfalls zwei Drittel der offenen Verfahren mittlerweile beigelegt sind, stehen noch erhebliche Rechts- und Prozesskosten aus, für die offenbar nicht überall ausreichend Rückstellungen gebildet worden sind. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) warnt dementsprechend davor, dass Sanktionen ihrerseits systemische Risiken bergen, die zusätzliche Kosten für das gesamte Finanzsystem verursachen können. So dürfte das Kapital, das von globalen systemrelevanten Banken in der EU in den vergangenen fünf Jahren begeben wurde, durch die vielen Geldbußen bald aufgezehrt sein. Die Compliance-Verstöße können außerdem dazu führen, dass weni- 42 diebank 11.2015

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó ger Finanzdienstleistungen angeboten werden, da sich Banken aus einzelnen Märkten zurückziehen oder sich von Geschäftsfeldern trennen. Sie beschädigen zudem das ohnehin in Mitleidenschaft gezogene Vertrauen in die Kreditwirtschaft, das ein zentraler Bestandteil für das ordnungsgemäße Funktionieren des Finanzsystems ist. Andererseits bestehen zu einem restriktiven Sanktionsmechanismus kaum Alternativen, denn Fehlverhalten ist eine strafbare Hand- 1 Kostenanteile der Top 10-Banken im Corporate und Investment Banking 2,8 % 2,8 % Restrukturierung Strafzahlungen Compliance 3,7 % 3,7 % 5,5 % 4,7 % 0,9 % 0,9 % 0,9 % 0,8 % 0,8 % Quelle: Roland Berger, CIB Outlook 2015. 8,1 % 6,8 % 1,3 % 12,5 % 1,2 % 9,5 % 1,8 % 2009 2010 2011 2012 2013 2014 lung und umfasst eine Vielzahl von Delikten. Verstöße gegen nationale und internationale Vorschriften zu Steuerangelegenheiten, Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Marktmanipulation oder Insiderhandel muss die Gesellschaft trotz hoher Kosten mit allen Mitteln verhindern. Die bei Fehlverhalten verhängten Sanktionen dienen mit Recht als Korrekturmechanismus. Compliance-Kosten angemessen berücksichtigen Auffällig ist jedoch, dass Fehlverhalten überdurchschnittlich oft bei systemrelevanten Banken auftritt. Daher können die verhängten Sanktionen einen Großteil des Sektors betreffen, wodurch dieser anfälliger für andere Schocks wird. Der ESRB warnt deshalb davor, dass die mit dem Fehlverhalten verbundenen Kosten in Krisenzeiten steigen und damit prozyklisch wirken. Um dies zu vermeiden sowie den Systemrisiken entgegenzuwirken, sollen die Institute ihr Management operationeller Risiken verstärken und Compliance-Verfahren einführen, mit deren Hilfe strafbare Handlungen minimiert werden können. Auf der anderen Seite bedarf es einer besseren Abstimmung zwischen den zuständigen Bankenaufsichtsbehörden auf internationaler Ebene, wie etwa dem Finanzstabilitätsrat (FSB) und dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS). Empfehlenswert ist darüber hinaus, die aus den Compliance-Verstößen erwachsenden Kosten bei künftigen Stresstests im Rahmen des operationellen Risikos angemessen zu berücksichtigen. Systemrisiken weitgehend unerforscht Der Eintritt von systemischen Risiken ist rein statistisch äußerst selten, doch wenn diese Risikokategorie schlagend wird, sind die Folgen umso destruktiver. Dies erklärt auch das erstarkte Interesse der Regulatoren an dieser Risikokategorie. Systemische Risiken beschreiben im Gegensatz zu Einzelrisiken jene Gefahren, die eine sich selbst verstärkende, krisenhafte Dynamik annehmen können. Sie durchziehen weite Teile von Wirtschaft und Gesellschaft, ohne in ihrer gesamten Komplexität wahrgenommen zu werden. Ihre besondere Brisanz gewinnen sie dennoch nicht allein aus den direkten Schäden, die sie verursachen. Es sind vielmehr die weitreichenden Wirkungen in zentralen gesellschaftlichen Systemen, insbesondere in der Finanzindustrie, die den Umgang mit diesem Risikotyp schwierig und zugleich dringlich machen. fl Die bei Fehlverhalten verhängten Sanktionen dienen mit Recht als Korrekturmechanismus. Ziel der Bankenaufsicht ist deshalb, das volkswirtschaftliche Finanzsystem so zu stabilisieren, dass Stresssituationen und Umbruchphasen möglichst geringe Negativeffekte mit sich bringen. Ein Finanzsystem ist umso stabiler, je geringer die Fehlanreize im System wirken und je größer die Risikopuffer und insbesondere das Eigenkapital im System sind. Zur Stabilität muss jedes einzelne Institut seinen Beitrag leisten. Geschieht dies womöglich nur unzureichend, droht mitunter auch vonseiten der Shareholder Ärger. So will etwa die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) eine von ihr angestrebte Sonderprüfung bei der Deutschen Bank gerichtlich durchsetzen. Hintergrund der Forderung sind die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten sowie die Frage, ob die Bank ein geeignetes Complianceund Risikomanagement-System unterhält. Die DSW bezweifelt, dass die Rückstellungen für noch offene Prozesse ausreichen. Sollten die zu niedrig sein, hätte das gravierenden Einfluss auf das Ergebnis der Bank. So wird aus Rechtsrisiken schnell ein Systemrisiko. ó 11.2015 diebank 43

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