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die bank 11 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT de

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT de Auflistung orientiert sich hier allerdings bewusst an der aktuellen Sicht der EBA in Zusammenhang mit der Beurteilung von internen Modellen im Rahmen der IRBA- Zulassungsprüfung. 7 Folgende Themenbzw. Prüfungsschwerpunkte lassen sich für die Beurteilung der Angemessenheit von Ratingsystemen identifizieren: 8 ó Validierung und Interne Governance: sachgerechte Ausgestaltung der Überwachung des Ratingsystems ó Use-Test-Anforderung: Einbindung der Ratingergebnisse in den Steuerungsprozess ó Ratingzuordnung: sachgerechte Einsteuerung von Kreditnehmern zu Ratings ó Default-Definition: Sicherstellung der einheitlichen Auslegung und Anwendung ó Ratingsystem: Anforderungen an Design, Ausgestaltung und Dokumentation ó Risikoquantifizierung: methodische Anforderungen an Ratingmodelle ó Datenpflege: Anforderungen an Datenqualität, -dokumentation und IT Bereits bei kursorischer Betrachtung dieser Punkte wird deutlich, dass die Anwendung des Proportionalitätsprinzips nur – wenn überhaupt – in sehr eingeschränktem Umfang zu einer Reduzierung oder Vereinfachung der in der CRR formulierten Anforderungen an Ratingsysteme führen kann. Denn sämtliche o. a. Punkte betreffen fundamentale Voraussetzungen für den Einsatz jedweder Prognosemodelle, die auf einem beim Kreditinstitut vorhandenem Informationsset über den Kunden aufsetzen. Dies lässt sich an den nachfolgenden zwei Beispielen verdeutlichen: Validierung: sachgerechte Ausgestaltung der Prozessorganisation Im Rahmen der (qualitativen und quantitativen) Validierung wird die Zielsetzung verfolgt, die Geeignetheit des jeweiligen Ratingverfahrens vom Abschluss der Entwicklung an im Zeitablauf sicherzustellen. Im Fokus der Analyse stehen dabei sowohl die Beurteilung der Prognosegüte selbst (Kalibrierung) als auch die Frage der richtigen Differenzierung von besseren und schlechteren Kreditnehmern (Trennschärfe). Daneben lassen sich aus der Analyse der Rating- und Ausfalldaten auch wichtige Schlussfolgerungen zum (sachgerechten) Verhalten der Ratinganwender ableiten, etwa im Rahmen einer Bewertung des Antwortverhaltens bei den sog. Softfacts oder im Rahmen der Auswertung von ggf. vorgenommenen manuellen Anpassungen (Overrides) des Ratingergebnisses. Da sich aufgrund des permanenten Wandels der wirtschaftlichen Umfeldbedingungen für die Kreditnehmer auch die Relevanz und Gewichtung der in Ratingfunktionen einfließenden Risikofaktoren kontinuierlich ändern kann, ist die Beurteilung der Güte der eingesetzten Ratingfunktionen für jedes Institut, unabhängig von seiner individuellen Betriebsgröße, von elementarer Wichtigkeit. Dabei ist sicherlich zu beobachten, dass ein gewisser Zusammenhang zwischen der Komplexität des jeweiligen Geschäftsmodells und der Stabilität des hierfür eingesetzten Ratingmodells besteht. Mit Blick auf diese in der CRR bzw. den EBA-Standards formulierten Anforderungen an die Validierungsfunktion wird deutlich, dass es sich um Mindestanforderungen an den Betrieb sämtlicher Ratingverfahren handelt. Insofern kann auch das Proportionalitätsprinzip nicht als Begründung für eine Abschwächung bzw. Vereinfachung dieser Anforderungen bei kleineren (KSA-) Instituten herangezogen werden. Denn letztlich geht es stets um die Frage, ob die Prognose funktioniert hat oder nicht. Wenn hierüber aber keine Erkenntnisse im Institut vorliegen, stellt sich die generelle Frage der Sinnhaftigkeit der Einbindung solcher Ratingsysteme in die Kredit- und Steuerungsprozesse. fl Es besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen der Komplexität des jeweiligen Geschäftsmodells und der Stabilität des hierfür eingesetzten Ratingsmodells. Konkret bedeutet dies, dass jedes Kreditinstitut mindestens jährlich eine Validierung seiner Ratingverfahren vornehmen muss. Dies erfordert die Festlegung eines angemessenen Validierungskonzepts, um für das Management klare (und unabhängige) Empfehlungen zu möglichen Anpassungen der Ratingfunktion liefern zu können. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei vor allem, dass die Validierung vom Management des Instituts nicht als bloße Einbahnstraße ohne klare Handlungsorientierung aufgefasst wird. Vielmehr kommt es entscheidend auf folgende zwei Punkte an: ó Schaffung einer vollständigen Transparenz über die Güte der Ratingfunktion und der in sie einfließenden Risikofaktoren und Gewichte; ó konsequente und willkürfreie Umsetzung der im Rahmen der Validierung getroffenen Feststellungen. In der jüngeren aufsichtsrechtlichen Prüfungspraxis hat sich gerade auch bei kleineren und mittelgroßen Instituten gezeigt, dass beim Thema Validierung häufig Mängel festgestellt wurden. Dies macht deutlich, dass für eine Abschwächung der CRR-Anforderungen zur Validierungsfunktion für kleinere und mittelgroße Kreditinstitute - auch unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips – offensichtlich kein Ermessensspielraum besteht. 40 diebank 11.2015

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó Ratingzuordnung: sachgerechte Einsteuerung von Kreditnehmern zu Modellen Eine sachgerechte Anwendung von Ratingmodellen erfordert, dass die Kreditnehmer mit den für sie passenden Ratingmodellen beurteilt werden. Dies erfordert bei Modellentwicklung und -anwendung eine Segmentierung von Kreditnehmergruppen mit jeweils einheitlicher Risikocharakteristik. Auf dieser Basis lassen sich dann unterschiedliche Modelle entwickeln und betreiben, die die für die jeweilige Gruppe tatsächlich relevanten Risikofaktoren auch adäquat verwenden. Für das Geschäftsmodell Gewerbliche Immobilienfinanzierung z. B. ist es ein etablierter Standard, dass in bestimmten Konstellationen auch die im Besitz des Kreditnehmers befindlichen Wohn-/Gewerbeimmobilien als relevante Risikofaktoren im Ratingverfahren mit zu berücksichtigen sind. Gleichwohl ist gerade bei kleineren und mittelgroßen Banken in der Praxis häufig festzustellen, dass in diesem Bereich keine eigenständigen Ratingmodelle für das Immobiliengeschäft zur Anwendung kommen, sondern auf die allgemeinen Ratingverfahren für Firmenbzw. Privatkunden zurückgegriffen wird. Damit liegt aber unter dem Aspekt einer sachgerechten Anwendung von Ratingverfahren eine lückenhafte Ratingabdeckung vor. Denn im Ergebnis bedeutet dies, dass nicht alle für den Kreditentscheidungsprozess relevanten Risikofaktoren (im Beispiel etwa der Objekt-LTV oder Objekt-DSCR) im Ratingmodell sachgerecht abgebildet werden. Auch bei diesem Beispiel zeigt sich folglich, dass ein Verweis auf das Proportionalitätsprinzip keinen Raum für eine vereinfachende Sichtweise zulässt: Es muss in jedem Fall darauf ankommen, dass alle aus Sicht des Managements für die Kreditentscheidung relevanten Risikofaktoren im Rating berücksichtigt werden. 9 Fazit Die Frage einer sachgerechten Ausgestaltung von Ratingsystemen im Kreditprozess ist für die unter EZB-Aufsicht stehenden IRBA-Institute umfassend in den Regelungen der CRR kodifiziert. 10 Dagegen besteht in der Praxis bei KSA-Instituten, die interne Ratingverfahren auf Basis der Anforderungen der MaRisk zur Risikoklassifizierung anwenden, bereits bei der Frage von Umfang und Inhalt der fachlichen Anforderungen an die Ratingsysteme eine gewisse Unsicherheit und beobachtbare Uneinheitlichkeit. Vielfach wird in der Praxis das auch als Generalnorm in der Bankenregulierung verankerte Proportionalitätsprinzip zur Begründung einer abgeschwächten und vereinfachenden Handhabung beim Thema Rating bemüht. Im Beitrag wurde jedoch an den Beispielen Validierung und Ratingzuordnung gezeigt, dass sich das Proportionalitätsprinzip kaum für eine sachgerechte Vereinfachung oder Begrenzung von Anforderungen an Ratingsysteme eignet. Auch die Prüfungspraxis der deutschen Bankenaufsicht bei kleineren und mittelgroßen Banken, die sich seit der Finanzkrise generell deutlich verschärft hat und bei der das Thema Ratingsystem mittlerweile einen großen Stellenwert einnimmt, scheint diesen Befund zu bestätigen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich zukünftig auch KSA-Institute noch mehr als bisher an den zentralen, für IRBA- Institute geltenden Anforderungen aus CRR und EBA-Standards orientieren müssen. Dies stellt gerade für kleinere und mittelgroße Institute eine große Herausforderung dar. Denn sowohl unter dem Aspekt der statistischen Datenverfügbarkeit als auch unter Kostengesichtspunkten kommt eine institutsindividuelle Eigenentwicklung in der Regel nicht Frage. Hier bietet sich der Einsatz von sog. Poolmodellen als Lösung an, die auf der Basis von institutsübergreifend gebildeten Datenpools entwickelt und gepflegt werden. 11 Im Kontext der indirekten EZB-Beaufsichtigung von sog. LSIs 12 durch die nationalen Aufseher muss zudem damit gerechnet werden, dass die Bedeutung des Prüfungsthemas Ratingsystem (etwa im Rahmen des SREP) noch weiter zunehmen wird. Das Proportionalitätsprinzip wird dann bei kleineren und mittleren Instituten vermutlich eher bei den Punkten Prüfungsintensität und -intervall als auf der Ebene der Anforderungen an die Ratingsysteme selbst zur Geltung kommen. ó Autor: Christoph Müller-Masiá ist Geschäftsführer der CredaRate Solutions GmbH, Köln. 1 Im Folgenden werden die Begriffe Ratingsysteme und Scoringsysteme für die hier vorgenommene Untersuchung synonym verwendet. 2 Vgl. Markus Krall: Höhere Wertschöpfung im Kreditgeschäft, in: die bank 6 (2015), S. 34-39. 3 EBA (2015): Work Programme 2015. 4 Vgl. EBA (2015): Final Draft Regulatory Technical Standards (EBA /RTS/2015/01). 5 Vgl. etwa Artikel 5 (4) des EU-Vertrags, der als Grundsatz der Verhältnismäßigkeit das erforderliche Maß beschreibt, welches zur Erreichung der Ziele nötig ist. 6 Vgl. etwa Uwe Gaumert: Grundsätze ordnungsgemäßen Ratings (GoR), Köln 2007, oder auch OeNB: Ratingmodelle und -validierung, Wien 2004. 7 EBA/CP/2014/36: Draft Regulatory Technical Standards - On the specification of the assessment methodology for competent authorities regarding compliance of an institution with the requirements to use the IRB Approach in accordance with Articles 144(2), 173(3) and 180(3)(b) of Regulation (EU) No 575/2013. 8 Die nachfolgende Auflistung ist nicht vollständig und deckt bewusst nur den Teil der gesamten Prüfungsanforderungen der EBA im Rahmen der Zulassung ab, der nach Ansicht des Autors von besonderer Relevanz für die Fragestellung einer sachgerechten Ausgestaltung von Ratingsystemen bei (kleineren und mittelgroßen) KSA-Banken ist. 9 Letztlich geht es um die Sicherstellung der Repräsentativität des Ratingverfahrens und der für seine Entwicklung verwendeten Datengrundlage für den konkreten Anwendungsbereich im Kreditgeschäft. 10 Allerdings bestehen zu einer Vielzahl von methodischen Detailaspekten noch Anwendungsunterschiede, die im Rahmen des Arbeitsprogramms der EBA über bereits verabschiedete bzw. noch zu formulierende technische Regulierungsstandards vereinheitlich werden sollen. Vgl. Discussion Paper on the future of the IRB Approach (EBA/DP/2015/01). 11 Vgl. z. B. Risiko Manager (25. März 2015): Poolratings – Deutsches Erfolgsmodell für Europa?, http://www.risiko-manager.com/detail/news/poolratings-deutsches-erfolgsmodell-fuer-europa/. 12 Die sog. Less Significant Institutions (LSI) unterstehen der mittelbaren Aufsicht durch die EZB, in Abgrenzung zu den sog. Significant Institutions (SIs), die direkt von der EZB beaufsichtigt werden. 11.2015 diebank 41

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