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die bank 11 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT noch

ó FINANZMARKT noch empirisch. Da mit dem Vorschlag zur Bankenstrukturreform auch Negativeffekte für die Realwirtschaft zu erwarten sind, hat sich das Deutsche Aktieninstitut von Anfang an gegen die Bankenstrukturreform ausgesprochen. So schränkt beispielsweise Art. 12 des Kommissionsvorschlags das Angebot von Derivaten für Absicherungsgeschäfte durch die Kernbank ein. Dies würde bei den Unternehmen zu höheren Hedgingkosten führen und/oder die Verfügbarkeit von Hedginginstrumenten einschränken. Risiken drohen damit in stärkerem Maß in der Realwirtschaft zu verbleiben – ein Ergebnis, das so nicht beabsichtigt sein kann. Im laufenden Gesetzgebungsprozess positiv zu vermerken ist, dass der Ende Juni 2015 gefundene Kompromiss der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten deutlich mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der nationalen Vorgaben für die Bankenstruktur gewährt als der ursprüngliche Kommissionsvorschlag. Allerdings konnten sich die Parlamentarier des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments noch nicht auf eine gemeinsame Verhandlungsposition verständigen. Im Parlament scheiterte die Abstimmung über den geplanten Bericht sogar, weil die Positionen der Fraktionen bzw. ihrer Verhandlungsführer zu weit auseinander lagen. Angesichts der politischen Gemengelage ist auch weiterhin mit kontroversen Diskussionen zu rechnen. Indexregulierung Seit 2013 werden EU-weite Verhaltensregeln für Anbieter von Finanzmarktindizes verhandelt, die die Transparenz und die Verlässlichkeit des Prozesses der Indexerstellung verbessern sollen. Ursächlich für diese Gesetzesinitiative waren die Manipulationen von LIBOR und EURIBOR. Seit Ende Mai 2015 laufen dazu nun die Trilogverhandlungen, nachdem Anfang 2015 sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch das EU-Parlament ihre Verhandlungspositionen zur EU-Indexregulierung festgelegt hatten. Bis Ende des Jahres soll die finale Regulierung verabschiedet werden. Auch wenn für Unternehmen Verlässlichkeit und Transparenz der Prozesse der Indexerstellung wichtig sind, schießen die vorgeschlagenen Regeln – zum Beispiel im Hinblick auf den Anwendungsbereich – über das Ziel hinaus. So könnte eine Folge der Regulierung sein, dass das Angebot an Indizes sinkt. Wichtige Bezugsgrößen für Finanzmarktprodukte wären damit nicht länger verfügbar. Dies ist für realwirtschaftliche Unternehmen problematisch, da sich zahlreiche Finanzinstrumente und -verträge auf Indizes beziehungsweise Benchmarks beziehen, wie etwa Derivate für das Hedging von Zinsrisiken, Währungsrisiken, Rohstoffpreisrisiken und Mitarbeiteraktienprogrammen, aber auch Anleihen und Kreditverträge. Daneben könnte insbesondere die sogenannte Drittstaatenregelung der Indexregulierung zu Problemen führen. Diese besagt, dass Indizes von Anbietern aus Nicht-EU-Ländern nur dann in der EU verwendet werden dürfen, wenn die Regulierung des Drittstaats mit den EU-Regeln übereinstimmt. Damit könnte es für realwirtschaftliche Unternehmen deutlich schwerer werden, für bestimmte Währungsabsicherungen einen Bankpartner zu finden. Der extraterritoriale Bezug und die daraus drohenden Verwendungsverbote sind daher kritisch zu sehen. Die EU sollte stattdessen auf erweiterte Transparenzpflichten bei den Prozessen zur Indexerstellung setzen. Nutzer von Indizes können dann selbst entscheiden, ob sie einen Index nutzen wollen oder nicht. Rat und Europäisches Parlament haben die Problematik des Drittstaatenregimes grundsätzlich erkannt und wollen die entsprechenden Regeln flexibler gestalten. Noch sind die Änderungen jedoch nicht ausreichend, sodass weiterhin mit Negativwirkungen für die Realwirtschaft zu rechnen ist. Der Umgang mit Indizes aus Drittstaaten bleibt daher ein zentrales Thema der aktuellen Trilogverhandlungen. MiFID: Research und Nebentätigkeitsausnahme Bei der Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie MiFID II/MiFIR im Rahmen der Level-2-Maßnahmen der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA und der EU-Kommission spielt das Thema Research eine große Rolle. So will die ESMA die Verrechnung der Researchkosten mit den Transaktionskosten beim Aktienerwerb verbieten. Dieser äußerst restriktive Vorschlag der ESMA wird einen Rückgang der Nachfrage nach Research zur Folge haben. Dies wäre insbesondere für kleine und mittlere Emittenten nachteilig, die dann noch größere Schwierigkeiten hätten, von professionellen Analysten „gecovered“ zu werden. Diese Coverage ist aber oftmals Voraussetzung dafür, dass kleinere Emittenten überhaupt Investoren finden. Damit steht der ESMA-Vorschlag im Widerspruch zu den Zielen der Kapitalmarktunion, die gerade kleineren und mittleren Unternehmen den Zugang zur Kapitalmarktfinanzierung erleichtern soll. Große Teile des Europäischen Parlaments teilen diese Kritik. Darauf sollte die Kommission, die den Vorschlag der ESMA in delegierte Rechtsakte überführen muss, reagieren. Bei dem ESMA-Vorschlag ebenfalls kritisch zu sehen ist die geplante Volumengrenze für alle Unternehmen der Realwirtschaft, die Warenderivate, Emissionszertifikate und deren Derivate einsetzen (Nebentätigkeitsausnahme). Bei Überschreiten dieser Schwellenwerte müssten die betroffenen Unternehmen eine Lizenz als Wertpapierfirma beantragen. Die Folgen einer solchen Lizenzierung wären erheblich: Nach der Derivateverordnung EMIR unterlägen die Unternehmen als finanzielle Gegenpartei dann einer uneingeschränkten Clearingpflicht und müssten wie Banken Eigenkapitalanforderun- 14 diebank 11.2015

FINANZMARKT ó gen einhalten. Die bislang vorliegenden ESMA-Vorschläge zur Höhe und zur Berechnungsmethode der Schwellenwerte sind deswegen nicht ausreichend und müssen überarbeitet werden. Derivateregulierung EMIR Auf der europäischen Regulierungsagenda steht aktuell auch die Überarbeitung der im Jahr 2012 verabschiedeten Derivateverordnung EMIR. Diese betrifft gleichermaßen Banken und Unternehmen, die Derivate zur Absicherung ihres operativen Geschäfts einsetzen. Für große Aufregung hat hier der Vorschlag der ESMA gesorgt, Unternehmen der Realwirtschaft künftig den Abzug von Absicherungsderivaten bei der Berechnung der Clearingschwellen zu verbieten. Dies würde für die größeren Unternehmen die Pflicht zum Clearing bzw. zur bilateralen Besicherung bedeuten. Die Besicherung von Derivatetransaktionen würde für die größeren europäischen Unternehmen eine zusätzliche Kapitalbindung von rund 200 Mrd. € bedeuten – ein Betrag, der den Unternehmen für Investitionen dann nicht mehr zur Verfügung stünde. Um einen nachhaltigen Schaden für die europäische Wirtschaft abzuwenden, muss dieser ESMA-Vorschlag daher abgewendet werden. Regulierung von Schattenbanken Seit geraumer Zeit werden von der Politik Finanzaktivitäten kritisch betrachtet, bei denen die Transformation von Ersparnissen in Investitionen ganz oder teilweise außerhalb des Bankensektors erfolgt. Unter dem Schlagwort Regulierung von Schattenbanken gibt es sowohl auf Ebene des Financial Stability Board (FSB) als auch in Europa verschiedene Initiativen, um diese Aktivitäten statistisch zu erfassen und einer schärferen Regulierung zu unterwerfen. Auch hier muss der Grundsatz gelten, unintendierte Nebenwirkungen auf die Realwirtschaft zu vermeiden. Einige konkrete Vorhaben aus der jüngeren Vergangenheit zeigen jedoch, dass hier eine gewisse Gefahr droht. So gelten z. B. Geldmarktfonds in der Politik als ein typisches Beispiel einer Schattenbankaktivität. Seit 2013 wird deshalb über eine diesbezügliche EU-Verordnung diskutiert. Geldmarktfonds spielen jedoch eine wichtige Rolle im Cash Management von Industrieunternehmen und bei deren Finanzierung. Im Cash Management nutzen die realwirtschaftlichen Unternehmen aus abwicklungstechnischen und bilanziellen Gründen vor allem Geldmarktfonds mit festem Anteilswert (sogenannte CNAV-Fonds). Deren Fortbestand ist jedoch keineswegs gesichert, da nach dem Willen der EU-Kommission CNAV-Fonds zukünftig einen Kapitalpuffer in Höhe von drei Prozent der verwalteten Assets vorhalten sollen. Wirtschaftlich dürfte diese Forderung das Aus für diese Fondsklasse bedeuten. Unternehmen müssten auf andere Finanzinstrumente ausweichen. Ihre Geldanlagerisiken würden sich wieder stärker bei den Banken konzentrieren. Ob der CNAV eine Zukunft hat, ist nach wie vor offen. Das Parlament hat immerhin einige Verbesserungen am ursprünglichen Kommissionsvorschlag vorgesehen. Der Rat hat sich dagegen noch nicht auf eine Verhandlungsposition festgelegt. Generell lohnt es sich, beim Themenfeld Schattenbank genau hinzuschauen. Dies zeigt eine aktuelle Konsultation der europäischen Bankaufsichtsbehörde EBA zu der Frage, ob und inwieweit für Kredite von Banken mit dem Schattenbanksektor verschärfte Risikogrenzen gelten sollen. Obwohl diese Grenze auf den ersten Blick für die Realwirtschaft nicht relevant zu sein scheint, würden aufgrund der seitens der EBA vorgeschlagenen Definition von „Schattenbank“ im Ergebnis alle realwirtschaftlichen Unternehmen, die Finanzierungs- und Risikomanagementfunktionen im Konzern zentralisieren, als Schattenbank qualifiziert werden können. Das ist ganz sicher nicht gewollt. Dr. Christine Bortenlänger absolvierte zwischen 1986 und 1988 eine Banklehre bei der Bayerischen Vereinsbank AG in München und studierte anschließend Betriebswirtschaft an der Universität München, wo sie 1996 promovierte. 1998 wurde sie stellvertretende Geschäftsführerin der Börse München und führte zusammen mit Andreas Schmidt das Unternehmen von 2000 bis 2012. Im September 2012 wechselte sie als geschäftsführender Vorstand zum Deutschen Aktieninstitut e. V. nach Frankfurt am Main. Dabei sind es nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen, wie mögliche engere Kredit- und Exposuregrenzen für die betroffenen Unternehmen, die hier problematisch sind. Sollte sich der EBA-Vorschlag durchsetzen, könnte die hier festgehaltene Definition in späteren legislativen Projekten als Referenzpunkt dienen, um zu bestimmen, welche Unternehmen als Schattenbanken gelten. Die Folge davon wäre, dass die Realwirtschaft auch anderen Schattenbank-Regulierungen unterworfen werden würde. Das zeigt, dass der Teufel wieder einmal im Detail steckt. Marktmissbrauch Die Marktmissbrauchsverordnung wurde in den letzten Jahren umfassend überarbeitet. Sie regelt zentrale Kapitalmarktpflichten für börsennotierte Unterneh- 11.2015 diebank 15

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