REGULIERUNG schiedliche, strikt zu trennende Konstrukte handelt. Ansonsten wäre eine erneute Festsetzung zulasten der Masse nicht erforderlich, da regelmäßig bereits eine Umsatzsteuerfestsetzung zulasten des Insolvenzschuldners existiert. Die Rechtsprechung spricht hinsichtlich dieser beiden Konstrukte von sog. „Unternehmensteilen“. Unternehmensteil „Masse“ ungleich Insolvenzschuldner Der leistende Unternehmer (der Bankkunde) war ursprünglich zwar Steuerschuldner, nach der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens ist er es jedoch nicht mehr. Das FG Münster hat bereits entschieden, dass das Unternehmen – bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts – nach der Verfahrenseröffnung aus mehreren zu separierenden Unternehmensteilen besteht, zwischen denen die Verrechnung einzelner umsatzsteuerrechtlicher Berechtigungen und Verpflichtungen nicht zulässig ist. Die Unternehmensteile sind daher strikt zu trennen. Dies ist eine notwendige Folge des § 55 Abs. 4 InsO. Aus diesem Grund vergibt die Finanzverwaltung für die Masse in der Praxis regelmäßig auch eine eigene Steuernummer. Neuer Steuerschuldner ist also der Unternehmensteil „Masse im Sinne des § 35 Abs. 1 InsO“ und gerade nicht der (Alt-) Unternehmer bzw. der Insolvenzschuldner. Damit ist bei der Beantwortung der Frage, ob eine Haftung nach § 13c UStG droht, stets zu differenzieren, ob eine zugunsten der Bank abgetretene Forderung vor oder nach der vorläufigen Insolvenzeröffnung tatsächlich vereinnahmt wurde. Die ursprüngliche Umsatzsteuer-Festsetzung und die nach Eröffnung der vorläufigen Insolvenz nach § 55 Abs. 4 InsO „neue“ Umsatzsteuer sind gerade nicht „identisch“ und können es auch nicht sein, da die Festsetzung gegenüber unterschiedlichen Unternehmensteilen bzw. Steuerschuldnern erfolgt (Masseversus Insolvenzverbindlichkeit). Die im zu beurteilenden Sachverhalt faktisch nicht vorgenommene Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber der Masse kann unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen nun in der Folge nur dazu führen, dass es nicht zu einer Gesamtschuldnerschaft nach § 44 Abs. 1 AO kommen kann. Einzig gegenüber dem Insolvenzschuldner liegt eine Umsatzsteuerfestsetzung vor, wobei die Umsatzsteuer aus Rechtsgründen uneinbringlich ist. Somit konnte das Finanzamt im Rechtsstreit, in der es gegen die Masse keine Steuer festgesetzt hat, auch keine Gesamtschuldnerschaft annehmen. Es ist nicht rechtmäßig, ohne eine (vorherige) wirksame Steuerfestsetzung eine Haftung nach § 13c UStG zulasten der Bank anzunehmen. Das Finanzamt kann sich letztlich nur an den Insolvenzverwalter wenden. Dieser hat in diesem Fall grundsätzlich eine Rückgriffsmöglichkeit gegenüber der Bank. Überraschenderweise wurde die Klage vom FG Münster zurückgewiesen. In seinen Urteilsgründen hat das Finanzgericht zu den vorgenannten Rechtsfragen nicht oder nicht überzeugend Stellung bezogen. Entscheidend war für das FG Münster die Besonderheit des Sachverhalts, dass der Insolvenzverwalter zum damaligen Zeitpunkt (2014) nicht wissen konnte, dass er – entsprechend der Rechtsprechung des BFH, die erst später veröffentlicht wurde – die Umsatzsteuer an das FA hätte abführen müssen. Vielmehr hat er diese Umsatzsteuerbeträge tatsächlich und ausdrücklich der Klägerin (Bank) ausgekehrt. 72 10 | 2023
REGULIERUNG Im Ergebnis hat das FG Münster somit ein Urteil gefällt, dass einerseits wirtschaftlich durchaus nachvollziehbar ist. Andererseits vermag es jedoch in juristischer Hinsicht keinesfalls zu überzeugen. Wäre dem Insolvenzverwalter – entgegen dem ausgeurteilten Sachverhalt – hingegen zu unterstellen gewesen, dass er die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kannte bzw. hätte kennen müssen, diese jedoch nicht umgesetzt hat, wäre das Urteil sicherlich anders ausgefallen. Auf alle „aktuellen“ Sachverhalte ist dieses Urteil des FG Münster daher sicherlich nicht übertragbar, da es nur dem ausgeurteilten Einzelfall Rechnung trägt. Folge für die Praxis In der Praxis sind die Fälle nicht selten, in denen das Finanzamt den vermeintlich leichteren Weg beschreitet und der Bank (möglicherweise vorschnell) einen Haftungsbescheid nach § 13c UStG übersendet. Dabei begründet es den Erlass des Haftungsbescheids oft mit dem „sowieso eintretenden wirtschaftlichen Ergebnis“. Hierbei verkennt das Finanzamt jedoch, dass es sich zunächst an den (richtigen) Steuerschuldner zu halten hat (den Insolvenzverwalter bzw. der Masse). Erst dann, wenn dieser (bzw. die Masse) nicht oder nicht vollständig zahlt, kann es die fraglichen Umsatzsteuerbeträge von der Bank über einen Haftungsbescheid einfordern. Handelt das Finanzamt hierbei nicht schnell genug, könnte es dann im Ergebnis ob der Festsetzungsverjährung aber auch leer ausgehen. Autor:innen Beatrix Liese, Steuerberaterin, ist als Spezialistin im Bereich Steuern des Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. tätig. Frank Hemker, Rechtsanwalt und Steuerberater, ist der Leiter des Umsatzsteuerreferats in diesem Verband. Karsten Fleck, Steuerberater, ist als Bereichsleiter Steuern im Verband tätig und darüber hinaus Geschäftsführer der AWADO GmbH WPG/StBG. 1 Vgl. z. B. FG Köln v. 29. Oktober 2014, 3 K 796/11 Rz. 39f., FG Münster v. 23. April 2020, 5 K 2400/17. 2 Vgl. BFH v. 29. November 2022, XI R 2/22. 3 Vgl. Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter am XI. Senat des BFH in NWB Online Nachricht v. 13. April 2023. 4 Die Vorschrift begründet eine Haftung, die über die in der Abgabenordnung (§§ 69ff.) geregelten Haftungstatbestände hinausgeht. Der Haftende gem. § 13c UStG haftet gem. § 44 AO (als Gesamtschuldner) neben dem Unternehmer als Steuerschuldner. 5 Vgl. Regierungsentwurf zum StÄndG 2003, BT-Drs. 15/1562,46. 6 Vgl. Steuerausfälle bei der Umsatzsteuerdurch Steuerbetrug und Steuervermeidung, BT-Drs. 15/1495 v. 3. September 2003. 7 Vgl. z. B. BFHE 241,89, BStBl. II 2016,107, Rz. 37. 8 Vgl. FG Köln v. 29. April 2014, 3 K 796/11, Rz. 43f. 9 Vgl. BFH v. 22. Juni 2021, V R 16/20, BB 2021 S. 2.453 Nr. 42, Rz. 23. 10 Vgl. z. B. BGH v. 7. März 2002, IX ZR 223/01, BGH v. 7. Mai 2009, IX ZR 140/08. 11 Der Rechtsstreit wurde zur anderweitigen Verhandlung an das Finanzgericht Sachsen-Anhalt zurückverwiesen. Diese ist bisher nicht abgeschlossen. 12 BFH Urteil v. 20. März 2013 - XI R 11/12 BStBl. 2016 II S. 107. 13 Nach § 55 Abs. 4 InsO i. V. m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG. 14 Vgl. Tz. 38 des BMF-Schreiben vom 11. Januar 2022 (Az: IV A 3 - S 0550/21/10001 :001 BStBl 2022 I S. 116; wie auch der BFH). 15 Mit Urteil vom 12. Juni 2019 (Az: 5 K 166/19 U). 10 | 2023 73
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