REGULIERUNG 2 | Wirkungsketten mit physischen Risiken als Treibern PHYSISCHE RISIKOTREIBER Gesamtwirtschaftliche Verschlechterungen (Reduktion Nachfrage, Produktivität, Ertrag) FINANZSYSTEM Akut (Extremwetterereignisse wie z. B. Dürren, Fluten, Hurrikans, Buschfeuer, Hitzewellen) WIRTSCHAFT Betriebsstörungen UNTERNEHMEN G&V Sinkende Profitabilität (geringere Erlöse, höhere Kosten) Kapitalmärkte (potenzielle Verluste bei Aktien, Anleihen, Rohstoffen) Chronisch (langfristige Trends wie z. B. Temperaturanstieg, Meeresspiegelanstieg, Niederschlagsmuster) Kapitalverbrauch Wiederaufbau und Ersatzanschaffungen Anstieg Rohstoffpreise Bilanz Geringere Vermögenswerte, reduz. Kapitalmarktzugang Cashflow Ausgesetzte Zahlungsströme Kreditmärkte (potenzielle Verluste bei Unternehmenskrediten, Privatkrediten) Versicherungsmärkte (Höhere Prämien, Kündigung durch Versicherungen) Ausmaß, Zeitpunkt, Ort und Häufigkeit schwierig vorherzusehen! Verringerung der Arbeitszeiten Rückwirkungen von Finanzsystem auf Realwirtschaft (Marktwertverluste, Kreditverknappung) Vermehrte Rechtsstreitigkeiten, Haftungen, Reputation Operationelles Risiko (Menschen, Systeme, Prozesse) Quelle: Eigene Darstellung mithilfe der Quelle BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken. Für den Bankensektor unterstreicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit der im Juni 2023 veröffentlichten 7. MaRisk Novelle und zuvor mit ihrem „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ 5 , dass Kreditinstitute die „Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsrisiken sicherstellen und dies dokumentieren“ sollen, denn ökologische und soziale Trends könnten „gravierende Finanzrisiken“ nach sich ziehen. Als Nachhaltigkeitsrisiken werden Ereignisse oder Bedingungen verstanden, die tatsächlich oder potenziell zu einer negativen Auswirkung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage oder auf die Reputation des Unternehmens führen können. Um die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken beurteilen zu können, müssen verschiedene wissenschaftsbasierte Szenarien zugrunde gelegt werden, und sie sollen sich über einen angemessen langen Zeitraum erstrecken. Nach AT 2.2 sind im Risikomanagement die wesentlichen Risiken einzubeziehen. Dabei sind bei der Risikoinventur die Auswirkungen von ESG-Risiken angemessen und explizit zu berücksichtigen (Due-Diligence-Prüfung und Wesentlichkeitsanalyse). Physische Risiken ergeben sich einerseits aus akuten Extremwetterereignissen, andererseits können sie auch durch chronische, also langfristige Veränderungen klimatischer und ökologischer Bedingungen (wie bspw. dem Anstieg des Meeresspiegels, Änderung der Niederschlagshäufigkeit oder dem Verlust der Biodiversität) entstehen. Auch bestehen indirekte Zusammenhänge mit physischen Risiken im Hinblick auf Einschränkungen in der Lieferkette oder beispielsweise die Beendigung von wasserintensiven Geschäftstätigkeiten. 6 In Bezug auf Kreditinstitute gilt es dabei, Klima- und Umweltaspekte im engeren Sinne und Nachhaltigkeitsaspekte im weiteren Sinne in ihren Geschäftsbetrieb, in das Finanzierungsgeschäft sowie in die Investitionstätigkeit umfassend zu integrieren. Konkret zeigen zahlreiche Wetterereignisse im Sommer 2023, wie veränderte klimatische Bedingungen 60 10 | 2023
REGULIERUNG zu Wertverlusten führen oder kurzfristig Investitionsbedarfe hervorrufen können: Beispiele wie Betriebsunterbrechungen wegen Starkregens oder Störungen in der Logistik der Warenströme durch Niedrigwasser in Flüssen erfordern eine intensive Beschäftigung mit diesen Risiken. Diese Beispiele zeigen auch, dass eine individuelle Bewertung dieser Gefahren im Rahmen der Geschäftsund Risikostrategie erfolgen muss, um die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, sowie auf die Finanzlage des Kreditinstituts einschätzen zu können. Mittelbare und unmittelbare Betroffenheit von Banken Aus Sicht des Risikomanagements einer Bank stellt sich die Frage der Einordnung von Nachhaltigkeitsrisiken in ihr unternehmensweites Risikomanagementsystem. Die finanziellen Auswirkungen von physischen Risiken sind oft nicht unmittelbar erkennbar, sondern offenbaren sich erst durch die Analyse sogenannter Wirkungsketten wie in ÿ 2 dargestellt. In der Abbildung wird der Weg der Auswirkungen der physischen Risiken in die Erfolgsrechnung und die Bilanz nachgezeichnet. Tritt ein physisches Risiko ein, dann kann es in Teilen der Wirtschaft beispielsweise zu Betriebsunterbrechungen, einem Anstieg der Rohstoffpreise oder zu verringerter Produktivität kommen. Einzelne Unternehmen als Teile der Wirtschaft können dann durch geringere Profitabilität oder höhere Abschreibungen betroffen sein. Besonders für den Bankensektor sind darüber hinaus auch negative Reaktionen des Finanzsystems im Allgemeinen von Bedeutung (beispielsweise fallende Aktien- und Anleihewerte), da hier die Verschränkungen naturgemäß besonders groß sind. Zu berücksichtigen sind bei der Beurteilung der finanziellen Auswirkungen jedoch auch die speziellen Eigenarten von physischen Risiken. Ausmaß, Zeitpunkt und Ort des Eintretens sowie deren Häufigkeit sind schwer vorhersehbar, und es kann auch sehr lange Zeiträume ohne besondere Ereignisse vorkommen. Nichtsdestotrotz ist eine sorgsame Vorbereitung auf physische Risikoereignisse empfehlenswert, da der tatsächliche Schaden im Fall des Falles von enormer, teils auch existenzgefährdender Größe sein kann. Aus Bankensicht sind unmittelbare und mittelbare finanzielle Betroffenheit zu unterscheiden. Eine unmittelbare Betroffenheit einer Bank wäre denkbar, wenn beispielsweise das Rechenzentrum in einem überschwemmungsgefährdeten Gebiet stände (siehe ÿ 3). Relevanter ist häufig aber die mittelbare Betroffenheit der Banken durch ihre Kundenbeziehungen entlang der Wertschöpfungskette. Sie können in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn sich deren Kreditqualität durch Nachhaltigkeitsrisiken zu Ungunsten der Bank ändert oder sich bei Investitionen/Kapitalanlagen die Werthaltigkeit reduziert. Die mittelbare Betroffenheit von Banken durch physische Risiken Im Hinblick auf die Betroffenheit von Banken kommen verschiedene Analysen zu dem Ergebnis, dass Kreditinstitute eher mittelbar als unmittelbar von physischen Risiken betroffen sein können. 7 Die Analysen beziehen allerdings noch nicht die rasante Zunahme von Extremwetterereignissen in Europa mit ein. Die Erläuterungen in diesem Abschnitt beziehen sich vorwiegend auf die mittelbare Betroffenheit von Banken. Dabei soll analysiert werden, wie Banken indirekt den Einflüssen physischer Risiken auf Unternehmen der Realwirtschaft ausgesetzt sind. Der darauf folgende Abschnitt wird sich mit der unmittelbaren Betroffenheit beschäftigen. Natürlich sind die folgenden Beispiele verkürzt und können in ihrer Wirkung nicht ganzheitlich betrachtet werden. Sie sollen Impulse setzen, um verschiedene Fälle und deren Wesentlichkeit für die jeweilige Bank – je nach Größe und regionaler Verankerung - reflektieren zu können. Gerade im Kreditgeschäft kann das Schadenspotenzial erheblich sein (wobei hier nochmals auf die besonderen Eigenarten von physischen Risiken hingewiesen sei – Ausmaß, Zeitpunkt, Häufigkeit und Ort sind in der Regel ungewiss, womit das Schadenspotenzial hohen Schwankungen unterworfen sein kann). Als Beispiel sei eine Vielzahl von ausschließlich in einer bestimmten Region ansässigen Unternehmen genannt, die gemeinschaftlich einem Hochwasser ausgesetzt sind („Klumpen- oder Konzentrationsrisiko“). In diesem Fall von akutem physischen Risiko sind Betriebsunterbrechungen und Vermögensschäden wahrscheinlich, die auf die Profitabilität der Unternehmen und in der Folge auf die Zins- und Rückzahlungsfähigkeit ausstehender Kredite durchschlagen können. Auch müssten höhere Aufwendungen für Sicherungsmaßnahmen gegen zukünftige Schadensereignisse getätigt bzw. höhere Versicherungsprämien in Kauf genommen werden. Unternehmenskennzahlen wie der für Banken hochrelevante Zinsdeckungsgrad (EBIT/Zinsauf- 10 | 2023 61
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