REGULIERUNG Konkret müssen Institute ESG-Risiken zukünftig in ihr Gesamtrisikoprofil einbeziehen (AT 2.2 Tz. 1 MaRisk). Für die Beurteilung der Auswirkungen von ESG-Risiken sollen Institute verschiedene plausible Szenarien heranziehen, die im Einklang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen und denen ein angemessen langer Betrachtungszeitraum zugrunde liegt (Erläuterung zu AT 2.2 Tz. 1 MaRisk). Im Hinblick auf das Kriterium der Übereinstimmung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen führt die BaFin im Begleitschreiben aus, dass ein Rekurs auf (physische und transitorische) Szenarien allgemein anerkannter Institutionen oder Netzwerke, wie z. B. der Central Banks and Supervisors for Greening the Financial Systems (NGFS), der EZB, der Internationalen Energieagentur, des Potsdamer Instituts für Klimaforschung oder des Helmholtz-Zentrums, infrage kommt. Ferner müssen Institute ESG-Risiken bei der Ermittlung ihrer Risikotragfähigkeit (AT 4.1 Tz. 1 MaRisk) einbeziehen. Erforderlich ist insofern eine zukunftsgerichtete Betrachtung unter Berücksichtigungen von normativen sowie auch ökonomischen Unsicherheiten; ein alleiniges Abstellen auf die Datenhistorie genügt nicht (Erläuterung zu AT 4.1 Tz. 2 MaRisk). Die insofern unvermeidbaren Unwägbarkeiten sollen Institute laut Empfehlung der BaFin durch Verwendung unterschiedlicher Klimaszenarien reduzieren. Eng verknüpft hiermit ist auch das Erfordernis der Wahl eines angemessen langen Betrachtungszeitraums der eingesetzten Klimaszenarien. Hierzu stellt die Aufsicht klar, dass die „Angemessenheit“ insbesondere davon abhängt, für welchen Bereich eine Szenarioanalyse zum Einsatz kommt (z. B. strategische Entscheidungen, Riskoinventur etc.). Dabei soll die Einbeziehung von ESG-Risiken nicht per se zu einem verlängerten Risikobetrachtungshorizont im Rahmen der Risikotragfähigkeit führen. Insofern wird auch dem Proportionalitätsgrundsatz maßgebliche Bedeutung zukommen. So können kleinere Institute – abhängig von ihrer Exponierung gegenüber ESG-Risiken – bspw. eine geringere Anzahl von Szenarien verwenden, die Komplexität der Szenarien reduzieren, die Bandbreite an Folgewirkungen vereinfachen, eine Quantifizierung der Effekte nur auf ihre größten und am meisten betroffenen Risikopositionen bzw. Portfolien beschränken oder für langfristige Betrachtungen einen ausschließlich qualitativen Ansatz wählen. Daneben müssen Institute ESG-Risiken künftig im Rahmen der Festlegung ihrer Risikostrategie berücksichtigen (AT 4.2 Tz. 2 Ma- Risk). Insbesondere sind ESG-Risiken in die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse einzubeziehen (AT 4.3.2 Tz. 1 MaRisk). Überdies müssen ESG-Risiken in der Risikoberichterstattung angemessen dargestellt (Erläuterungen zu BT 3.1 Tz. 1 MaRisk sowie BT 3.2 Tz. 1 MaRisk) und im Rahmen von Stresstests berücksichtigt werden (AT 4.3.3 Tz. 1 MaRisk inkl. Erläuterung). Gemäß MaRisk aufzustellende Organisationsrichtlinien müssen zukünftig die Auswirkungen von ESG-Risiken widerspiegeln (AT 5 Tz. 3 MaRisk). Schließlich sind ESG-Risiken zukünftig auch im Rahmen des Kreditgeschäfts zu beachten, womit letztlich auch Vorgaben der EBA- Leitlinien Rechnung getragen wird. 54 10 | 2023
REGULIERUNG Immobiliengeschäfte Institutseigene Immobiliengeschäfte haben in den letzten Jahren – vor dem Hintergrund der bis vor Kurzem von der EZB verfolgten Niedrigzinspolitk – erheblich an Bedeutung gewonnen. Die MaRisk kannten bisher keine gesonderten Vorgaben für solche Geschäfte. Dies ändert sich mit der aktuellen Novelle durch die Einführung des Modus BTO 3, der dezidierte Anforderungen an die Aufbauorganisation und Prozesse des Immobiliengeschäfts aufstellt. Übergeordnetes Ziel der Vorgaben ist laut Begleitschreiben der BaFin, dass Immobiliengeschäfte erst nach fundierter Wertermittlung und Risikoanalyse eingegangen werden und bestehende Investitionen in Immobilien angemessen überprüft werden. Mit Blick auf den Umstand, dass manche Institute gegebenenfalls nur in sehr geringem Umfang das Immobiliengeschäft betreiben (d. h. insofern keinen nennenswerten Risiken unterliegen) definieren die MaRisk einen Schwellenwert, unterhalb dessen die neuen Regelungen für Immobiliengeschäfte nicht greifen. Dieser liegt bei einem absoluten Investitionsvolumen aller Immobiliengeschäfte in Höhe von 30 Mio. Euro bzw. bei dem relativen Volumen von 2 Prozent der Bilanzsumme (Erläuterung zu BTO 3 Tz. 1 MaRisk). Unter Immobiliengeschäften verstehen die MaRisk auf eigene Rechnung des Instituts betriebene Geschäfte mit Immobilien (d. h. der Erwerb oder die Errichtung von neuen oder Bestandsimmobilien), die mit der Absicht der Ertragsgenerierung durch Vermietung/Verpachtung bzw. Weiterveräußerung betrieben werden (AT 2.3 Tz. 5 MaRisk). Dabei gelten neben direkten Immobiliengeschäften des Instituts auch auf eigene Rechnung betriebene Geschäfte von Tochterunternehmen (i. S. v. § 290 HGB) als solche des Instituts, sofern die Vermögensgegenstände des Tochterunternehmens ausschließlich oder überwiegend aus Immobiliengeschäften oder Beteiligungen an Immobiliengesellschaften stammen. Dem Immobiliengeschäft gleichgestellt ist die Eingehung eines Mutter-Tochter-Verhältnisses zu einem Unternehmen, dessen Vermögensgegenstände ausschließlich oder überwiegend aus Immobiliengeschäften oder Beteiligungen an Immobiliengesellschaften stammen (Erläuterung zu AT 2.3 Tz. 5 MaRisk). Die Regelungen für die Aufbauorganisation des Immobiliengeschäfts sehen – wie im Rahmen des Kreditgeschäfts (BTO 1.1 Tz. 1 MaRisk) – eine organisatorische Trennung der Bereiche Markt und Marktfolge bis zur Geschäftsleitungsebene vor (BTO 3.1 Tz. 1 MaRisk). Es soll dabei möglich sein, dass Markt und Marktfolge jeweils für Kredit- bzw. das Immobiliengeschäft zusammenfallen (Erläuterung zu BTO Tz. 2 MaRisk). Entscheidungen für die Durchführung eines Immobiliengeschäfts bedürfen dabei eines positiven Votums beider Bereiche; bei einer Entscheidung durch einen Ausschuss ist dies durch entsprechende Gestaltung der Stimmverhältnisse zu gewährleisten (BTO 3.1 Tz. 2 Ma- Risk). Ferner müssen Institute eine klare und konsistente Kompetenzordnung für Entscheidungen im Immobiliengeschäft festlegen (BTO 3.1 Tz. 3 MaRisk). Prozessual müssen Institute geeignete Verfahren zur Wertermittlung von Immobilien formulieren (BTO 3.2 Tz. 2 MaRisk). Hierbei ist ein Rückgriff auf sachverständige Personen erforderlich (BTO 3.2 Tz. 3 MaRisk). Bei der Einbindung externer Sachverständiger müssen Institute die Wertermittlung selbst plausibilisieren (BTO 3.2 Tz. 4 MaRisk). Ferner müssen sie die für den Erwerb bzw. die Errichtung einer Immobilie relevante Risiken analysieren und bewerten (BTO 3.2.1 Tz. 1 MaRisk). Dies schließt eine wirtschaftliche Analyse der Immobilie und der technischen Risiken bei der Umsetzung eines Immobilienprojekts ein (BTO 3.2.1 Tz. 2 MaRisk nebst Erläuterung). Hinsichtlich der laufenden Überwachung von Immobiliengeschäften ist bei Projektent- 10 | 2023 55
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