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die bank 10 // 2022

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULIERUNG 1 |

REGULIERUNG 1 | Vorgehensweise zur szenariobasierten Bewertung von ESG-Risiken Notwendige Daten Grundvoraussetzung Ebene Unternehmen 1 Szenariomodellierung 2 3 Identifikation der Risikotreiber Ermittlung der spezifischen Betroffenheit CO2 Emissions (GtC) Orderly Disorderly Transition risks 30 25 20 15 10 5 0 RCP2.6 RCP2.6 RCP6 RCP8.5 Based on whether climate targets are met Met Not met Disorderly Sudden and unanticipated response is disruptive but sufficient enough to meet climate goals. Orderly We start reducing emissions now in measured way to meet climate goals. Physical risks Too little, too late We don't do enough to meet climate goals, the presence of physical risks spurs a disorderly transition. Hot house world We continue to increase emissions, doing very little, if anything, to avert the physical risks. Physische Risiken Akut Langfristig Transitorische Risiken Politisch/rechtlich Technologisch Marktbezogen Reputationsbezogen CO 2 - Preis Szenarioadjustierte Finanzkennzahlen (aktuell & langfristig) Umsatz Kapital ... Vermögenswerte Verbindlichkeiten Kosten Liquidität Ausgehend von definierten Szenarien können ESG-Risikotreiber identifiziert, die Betroffenheit der Unternehmen bewertet und das Ergebnis in die Gesamtbanksteuerung übertragen werden. Neben unzureichenden Datenhistorien und verschiedenen Fristigkeiten der Szenario-Betrachtungen zählen die Anpassung der Systeme und Prozesse zu den größten Herausforderungen bei der Risikobewertung. Hintergrund ist, dass die aktuellen Kernbankensysteme und Ratingverfahren weder über die entsprechenden notwendigen Datenfelder noch die Algorithmen für eine ökonomische Verknüpfung von Nachhaltigkeitsaspekten und klassischer Bonitäts- oder Sicherheitenbewertung verfügen. Die vielleicht anspruchsvollste Art der quantitativen Bewertung liegt im Stresstesting. Dieses wird einerseits von den Aufsichtsbehörden (u. a. im Rahmen des EZB- Klimastresstests) vorgegeben und muss andererseits bankintern entwickelt werden. Nur über diese Form der Bewertung kann jedoch abgeschätzt werden, wie sehr die ESG-Risiken in Extremfällen eine Gefahr für das ein- Ernteeinbußen Wertverlust Umweltschäden Quelle: GLS Bank. Aus identifizierten Risiken Entscheidungen ableiten Denn Risiken zu identifizieren, zu bewerten und die Ergebnisse in einem elektronischen oder papierbasierten Reporting zusammenzuführen, ist wichtig – ohne daraus jedoch Entscheidungen über Risikoannahme bzw. -bewältigung abzuleiten, bleiben sie technisch anspruchsvolle Fingerübungen ohne Einfluss auf den Erfolg eines Finanzinstituts. Wie auch bei der Identifikation und Bewertung sind dabei sowohl die Finanzrisiken als auch die Non-Financial Risks zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten, dass das Entscheidungsverhalten von Menschen genesiken müssen hierzu mögliche Risikotreiber identifiziert und die Wechselwirkungen mit den etablierten Risikoarten analysiert werden. Dafür sollten verschiedene Szenarien in Betracht gezogen und festgelegt werden. Diese bilden unterschiedliche mögliche Zukunftspfade ab, von denen abhängig ist, welche Risikotreiber überhaupt und in welcher Ausprägung im Rahmen der weiteren Identifikation und Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken herangezogen werden. So macht es bspw. einen großen Unterschied für die Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle finanzierter Unternehmen (und somit das Risiko der finanzierenden Bank), ob der CO2-Preis in den nächsten Jahren bei 60 oder 180 € je Tonne liegt oder in welcher Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen ausgegangen wird. Entsprechend müssen die Szenarien hinreichend granular sein, um Effekte auf einzelne Sektoren der Realwirtschaft sowie einzelne Unternehmen und somit ESG-Risiken insgesamt adäquat in ICAAP und ILAAP abbilden zu können. zelne Institut sowie die Finanzstabilität als Ganzes darzustellen. Wichtig ist in diesem Zug, die Szenarien entlang entsprechend „gestresster“ Faktoren aufzubauen (siehe Abbildung ÿ 1), die bislang gewohnte Ausmaße deutlich überschreiten, wie die aktuelle Preisexplosion für fossile Brennstoffe in bis dato ungeahnte Höhen eindrucksvoll aufzeigt. 40 10 | 2022

REGULIERUNG Ebene Banken 4 Übertrag auf die Gesamtbanksteuerung Bonität Zinskurve RTF-Rechnung Sicherheitenbewertung Risikoübertrag Stresstests Prozessuale Einbindung Volatilitäten PD Korrelationen Kapitalplanung rell und somit auch das von Führungskräften zahlreichen Verzerrungen (Biases) ausgesetzt ist. Daher kann Nudging, das so viel wie „Anstubsen“ bedeutet, ein Teil der Lösung sein. Dabei wird durch kleine Veränderungen des Umfelds das unbewusste Denken und dadurch das Verhalten von Menschen beeinflusst. Anstelle von Regeln, Anweisungen oder finanziellen Anreizen werden die Rahmenbedingungen so verändert, dass es den Betroffenen leichter fällt, sinnvolle und möglichst unverzerrte („unbiased“) Entscheidungen zu treffen und die richtigen Steuerungsimpulse zu setzen. Neben der Nutzung der Ergebnisse im Rahmen des internen Management-Reportings sollten sie auch in das externe Reporting einfließen. Es gibt inzwischen recht umfangreiche und anspruchsvolle Anforderungen an die Offenlegung von ESG-bezogenen (und damit auch ESG-risikobezogenen) Informationen für Aktionäre und die interessierte Öffentlichkeit. Gleichzeitig existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Rahmenwerke und Standards, sodass überprüft werden muss, was institutsspezifisch passt und gleichzeitig die Informationsbedürfnisse der Stakeholder erfüllt. Dabei wird immer mehr ersichtlich, dass die Entwicklung weg von einer getrennten Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung hin zu einem integrierten Reporting erfolgen muss, um die vielschichtigen Wechselwirkungen der ESG- mit den ökonomischen Themen aufzeigen und entsprechend die ESG-Risiken integrieren zu können. Langfristig denken, aber zeitnah handeln Eine weitere besondere Herausforderung besteht in der notwendigen Kombination aus langfristigem Denken und trotzdem zeitnahem Handeln, das im Umgang mit ESG-Themen erforderlich ist. Einerseits sind viele Themen (aus Risikoperspektiven und anderen Blickwinkeln) sehr langfristig angelegt. Entscheidungen wie das Verbot des Verkaufs von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 sind Beispiele hierfür. Andererseits müssen auch kurzfristig Maßnahmen ergriffen werden, um negative Folgen des Klimawandels und anderer ESG-Aspekte umzukehren. Die teilweise sehr kurzfristig und inhaltlich überraschend ausfallenden politischen Entscheidungen (beispielsweise im Zusammenhang mit Energie- und sonstigen Versorgungsengpässen durch Pandemien, geopolitische Lagen und weitere Krisen) sorgen hierbei für zusätzliche Komplexität. Die Motivation für die Beschäftigung mit ESG-Risiken ist von Institut zu Institut sehr unterschiedlich. Viele Finanzinstitute wenden dann viel Energie in die Umsetzung neuer Themen auf, wenn es konkrete Erwartungshaltungen seitens der Aufsichtsbehörden und anderer Standardsetzer gibt. Und die gibt es inzwischen sehr zahlreich. Da Banken aufgrund der Vielzahl an Finanzierungen in kumulativer Form von ESG-Risiken betroffen sind, warnen ExpertInnen bereits seit einiger Zeit davor, dass aus der Klimakrise schnell eine Bankenkrise werden könne. Diese Erkenntnis und die damit verbundene Sorge um die „Gesundheit“ der Banken im Einzelnen sowie der Finanzmarktstabilität im Ganzen hat das Thema ESG-Risiken in der letzten Zeit auf die Agenda gesetzt. Ob auf internationaler, europäischer oder nationaler Ebene – überall haben verschiedene Aufsichtsbehörden, Zentralbanken und Standardsetzer – wie bspw. die BIZ, die EZB, die EBA, die ESMA oder die BaFin – vor den Gefahren der ESG-Risiken für das Finanzsystem gewarnt und zahlreiche Merkblätter, Leitfäden und Berichte formuliert sowie bestehende Regularien dahingehend ergänzt. 10 | 2022 41

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