REGULIERUNG ALLE RISIKOARTEN MÜSSEN AUF DEN PRÜFSTAND ESG Risk Management – Herausforderungen und Lösungsansätze 38 10 | 2022
REGULIERUNG Das Management von ESG-Risiken gewinnt weiter an Bedeutung. Hierzu trägt einerseits die Erkenntnis bei, dass ohne adäquate Risikosteuerung mittel- bis langfristig erhebliche Verluste drohen. Einzelne Ereignisse, wie beispielsweise Überschwemmungen, Dürreperioden, aber auch Greenwashing-Skandale, sind bereits eingetreten – und die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine sind gewissermaßen ein Vorgeschmack auf die Herausforderungen, denen sich Banken zunehmend stellen müssen. Zugleich nehmen Umfang und Komplexität der aufsichtsrechtlichen Anforderungen mit Bezug auf ESG und ESG-Risiken weiter zu. Wenngleich aufsichtsrechtliche Anforderungen einen wesentlichen Beitrag zur Intensität der Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsfaktoren und ESG- Risiken in Finanzinstituten leisten, liegen die historischen Wurzeln dieser Thematik doch weit in der Vergangenheit. Die Entstehung des Megatrends Nachhaltigkeit reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. In jüngerer Zeit hat sich hieraus ein Leitbild entwickelt, das insbe- sondere mit den 17 Sustainable Development Goals der UN konkretisiert und verankert wurde. Vermehrt werden daraus sogenannte Sustainable-Finance-Produkte (Green Bonds, ESG-linked Bonds etc.) in der Finanzwirtschaft abgeleitet. Banken unterstützen ferner zunehmend ihre Kunden bei der Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Auf diese Weise kann eine Ausrichtung von Banken an ESG-Kriterien einerseits ein Geschäftspotenzial darstellen. [ESG steht für Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (verantwortungsvolle Unternehmensführung).] Andererseits können durch die vermehrte Auseinandersetzung und Berücksichtigung dieser Themen ESG-Risiken – sowohl aufseiten der Finanzrisiken als auch der Non-Financial Risks – ganzheitlich betrachtet und durch entsprechende Anpassungen des Risikomanagementsystems reduziert sowie adäquat gesteuert werden. Während im Kontext der ESG-Risiken zunächst die Finanzrisiken (Anpassung von Ratingverfahren, Auswirkungen auf Anlageportfolien) vorrangig betrachtet wurden, kristallisieren sich zunehmend Non-Financial Risks als mindestens ebenso wichtiger Aspekt heraus. Hierzu zählen Reputationsrisiken (die mit diversen Greenwashing-Skandalen evident wurden), klassische operationelle Risiken (bspw. Rechtsrisiken bei Kreditverträgen, die eine Transformation des Kreditnehmers als Bedingung enthalten) sowie strategische und Geschäftsrisiken. Im Vordergrund bei Letzterem steht die Frage: Schaffen Banken es, sich selbst so weit zu verändern, dass sie wettbewerbsfähig bleiben? Gesucht wird ein konsistentes Rahmenwerk Für die Klassifizierung, Messung, Bewertung und Offenlegung sind technische Details zentral, um ein konsistentes Rahmenwerk zu schaffen. Ohne eine starke Verankerung in allen Bereichen eines Finanzinstituts bleiben solche Bemühungen jedoch weitgehend folgenlos. Daher zählen insbesondere die Risikokultur und Governance zu den Fundamenten einer ganzheitlichen Sichtweise auf ESG-Risiken. Erst eine gelebte Risikokultur, klare Verantwortlichkeiten und richtige Anreize führen zu echten, „nachhaltigen“ Änderungen in den Geschäftsentscheidungen und im Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitern. Hierbei sollten alle vier Dimensionen einer angemessenen Risikokultur (Tone From the Top, Governance, Risikostrategie und Anreizsysteme) berücksichtigt werden. Sind diese Grundlagen erfüllt, sollten ESG-Risiken – soweit möglich – identifiziert und bewertet werden. Bewertung heißt in diesem Fall nicht zwangsläufig quantitatives Modell bzw. Value-at-Risk wie in den klassischen Finanzrisiken. Ähnlich wie in der Non-Financial-Risk-Welt spielen Szenarioanalysen und andere Expertenschätzungen eine bedeutsame Rolle. Eine große Herausforderung sind hierbei die komplexen Ursache-Wirkung-Zusammenhänge sowohl mit Finanzrisiken als auch mit Non-Financial Risks. Und diese werden natürlich nicht kleiner, wenn zusätzlich Stresssituationen bewertet werden sollen. Zu Beginn steht die Risikoinventur Der Ausgangspunkt von Risikoidentifikation und -bewertung ist typischerweise die Risikoinventur. Zur Berücksichtigung von ESG-Ri- 10 | 2022 39
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