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die bank 10 // 2022

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MARKT NIEDRIGEN ZINSEN

MARKT NIEDRIGEN ZINSEN UND DER INFLATION TROTZEN WIE STIFTUNGEN LANGFRISTIG REALE ERTRÄGE ERZIELEN KÖNNEN Die Null- und Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre hat auch Stiftungen in Bedrängnis gebracht. Inzwischen hat eine Zinswende eingesetzt, die die anziehende Inflation jedoch bei weitem nicht ausgleichen kann. Die Rückkehr zu früher üblichen Kapitalmarktzinsen von 6 Prozent und mehr ist wenig wahrscheinlich. Wie können Stiftungen und andere Institutionen dennoch langfristig ausreichend Kapitalerträge erzielen, um ihre Aufgaben zu erfüllen und zugleich ihren Kapitalstock erhalten? 18 10 | 2022

MARKT Im September 2022 stieg die Inflation in Deutschland auf 10 Prozent. Derart hohe Inflationsraten gab es noch nicht einmal 1973/74 bei der ersten Ölpreiskrise. Damals stieg aber die Rendite festverzinslicher Wertpapiere stark an, im Durchschnitt des Jahres 1974 auf über 10 Prozent. 1 Heute dagegen (Stand September 2022) beträgt die Umlaufrendite von Anleihen nur etwa 2 Prozent. In den Jahren 2019 bis 2021 war die Umlaufrendite festverzinslicher Schuldverschreibungen in Deutschland sogar negativ. EZB sorgt für negativen Realzins Während Anleger zu Zeiten der D-Mark und auch in der ersten Phase der Euro-Währung mit Anleihen erstklassiger Bonität Renditen erzielen konnten, die über der Inflationsrate lagen, ist das seit einigen Jahren nicht mehr möglich. Die EZB hat dafür gesorgt, dass der Realzins am Kapitalmarkt negativ ist. Und trotz dramatisch gestiegener Inflationsrate in diesem Jahr hält die expansive Geldpolitik der EZB an. So verharrt der Realzins tief im negativen Bereich. Der Unwillen der EZB, die Inflation nachhaltig zu bekämpfen, dürfte auf absehbare Zeit kaum einen positiven Realzins zulassen. Für viele Stiftungen ist die Zinsentwicklung der letzten Jahre ein Desaster, das durch den jüngsten Inflationsschub noch verstärkt wird. In Deutschland ist auch bei Stiftungen die Vermögensanlage mit festverzinslichen Papieren traditionell weit verbreitet, während Aktienanlagen von Stiftungsvorständen und Aufsichtsbehörden gleichermaßen oft als unsicher angesehen werden. Zu Unrecht, wie empirische Untersuchungen belegen. Dennoch hält sich das Narrativ, eine „sichere“ Anlage sei nur mit Bundesanleihen, Pfandbriefen und ähnlichen verzinsten Anlageprodukten möglich. Neben Stiftungen haben auch andere, traditionell bevorzugt auf verzinste Anlageformen setzende Einrichtungen und Institutionen – wie beispielsweise Kirchengemeinden – Anlageprobleme. Kirchen sollen ihr Substanzvermögen sicher und rentierlich anlegen, sodass es auch kommenden Generationen dienen kann. Diese Anlageziele umzusetzen war schon zu Zeiten der D-Mark nicht einfach, weil die als sicher angesehenen Anleihen aufgrund der schleichenden Geldentwertung langfristig erheblich an realem Wert verloren. Immerhin waren aber regelmäßige Zinserträge zu erzielen, die für seelsorgerische und karitative Zwecke verwandt werden konnten. Wer die gesamten Zinsen verzehrte, betrieb freilich schon immer Vermögensverzehr. Mit beginnender Nullzinspolitik fehlten die Erträge aus festverzinslichen Anlagen. Neuanlagen frei werdender Gelder aus fälligen Anleihen und Sparverträgen bieten seit etwa 2015 kaum noch eine Verzinsung. Bei großen Beträgen wurden sogar „Verwahrentgelte“ fällig. Und die Alternativen? Bundesanleihen unbeschränkt anlagefähig? Aktienanlagen sind für Kirchengemeinden nur sehr begrenzt möglich. Im Erzbistum Köln beispielsweise ließen die Anlagerichtlinien für das Kapitalvermögen von Kirchengemeinden bis Ende 2021 nur eine Aktienquote von maximal 15 Prozent zu, seit 2022 immerhin maximal 30 Prozent. In Bundesanleihen, Anleihen der Länder und Pfandbriefe dürfen Kirchengemeinden dagegen unbeschränkt anlegen. Bei aktuell 10 Prozent Inflation und einem weit darunter liegenden Zins bedeutet dies nichts anderes als eine von den Anlagerichtlinien erzwungene reale Kapitalvernichtung. Die entscheidende Frage ist, ob und – wenn ja – mit welchen Instrumenten Organisationen wie Stiftungen oder Kirchengemeinden ihre Mittel anlegen können, um deren dauerhaften Werterhalt zu gewährleisten und darüber hinaus noch zuverlässig Erträge zu erzielen, die für die Stiftungszwecke oder die Aufgaben der Kirchengemeinden verwandt werden können. Diese Frage ist aus ökonomischer, nicht aus juristischer Sicht zu stellen. Als Anlageklassen kommen vor allem in Betracht: festverzinsliche Wertpapiere, Aktien und Immobilien. Immobilien zählen zum Grundstock zahlreicher Stiftungen und Kirchengemeinden. Sie sind dem sehr langfristigen Bestand zuzurechnen und werden in der Regel nicht gehandelt, sofern nicht Bebauungspläne neu aufgelegt werden oder andere maßgebliche Entwicklungen eintreten. Daher werden sie im Folgenden außer Acht gelassen Dass die Anlage in Anleihen oder andere festverzinsliche Papiere kaum den Vermögenserhalt sicherstellen kann, wurde bereits dargestellt. Auch früher schon führte eine Anlage in Anleihen langfristig zu erheblichen realen Vermögensverlusten. Die D-Mark verlor in den 50 Jahren ihres Bestehens etwa 75 Prozent ihrer Kaufkraft. Der Wert eines 1950 in Anleihen angelegten (und bei Fälligkeit erneut in Anleihen angelegten) Betrags von 100.000 DM war durch fortschreitende Geldentwertung bis zum Jahr 2000 real auf ein Viertel gesunken; er besaß also nur noch die Kaufkraft von 25.000 DM des Jahres 1950. Für sehr langfristig planende Anleger ein Desaster, wenn sie nicht durch Wiederanlage eines Teils der Zinsen den Wertverlust ausgleichen konnten. Bei einem kurz- bis mittelfristigen Anlagehorizont kann der schleichenden Geldentwertung weniger Aufmerksamkeit geschenkt werden. Doch bei einem langfristigen Anlagehorizont, der sogar über Generationen hinausgeht, darf die Inflation nicht unbeachtet bleiben, wenn das Kapital in seinem realen Wert erhalten werden soll. Wenn festverzinsliche Papiere die Anforderungen von Stiftungen und Kirchengemeinden – realer Vermögenserhalt plus laufende Erträge – bei realistischer Betrachtung nicht erfüllen können, schafft dies dann die Aktie? Risiko breit gestreuter Aktienanlagen langfristig gegen null Die Aktienanlage gilt gerade in Deutschland gemeinhin als risikoreich, was sich in mehrfacher Hinsicht negativ auswirkt: Der Anteil der Aktionäre an der Bevölkerung ist (immer noch) gering, das Volumen des privaten Aktienbesitzes ist niedrig, es gibt bis heute trotz langjähriger Diskussionen und unbestrittener demografischer Notwendigkeit immer noch keine zumindest partiell auf einem Ansparverfahren 10 | 2022 19

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