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die bank 10 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULIERUNG 3 | Prognose

REGULIERUNG 3 | Prognose Ausfallrate Modul CRP 3,20 % 2,40 % 1,60 % 0,80 % 0,00 % 2007-Q1 2008-Q1 2009-Q1 2010-Q1 2011-Q1 2012-Q1 2013-Q1 2014-Q1 2015-Q1 2016-Q1 2017-Q1 2018-Q1 2019-Q1 2020-Q1 2021-Q1 2022-Q1 Hist. Ausfallrate Hist. CT Prog. Ausfallrate CT PD-Profile Obergrenze Untergrenze Anzahl Ratings Start der Prognose, Poolversion 06/2020, aktuellste Ratingverteilung im Pool Quelle: RSU; eigene Berechnungen. Überschreibungen oder das Setzen von Warnsignalen auf die veränderte Situation eines Unternehmens reagieren. Für diese Entscheidung, ob und in welcher Stärke eine Anpassung eines Ratings vorzunehmen ist, benötigt er jedoch in der Regel zusätzliche Informationen. Mögliche Quellen für solche Informationen können Instrumente wie z. B. Frühwarnsysteme, marktdatenbasierte Point-in-Time-Informationen und makroökonomische Modelle aus dem Kontext IFRS 9 und Stresstest sein. Frühwarnsysteme Frühwarnsysteme können dem Analysten Hilfestellung leisten, um Unternehmen und Branchen zu identifizieren, die besonders stark von der Krise betroffen sind. Es ist möglich, täglich automatisiert Kapitalmarktdaten und Nachrichten auszuwerten und so eine kontinuierliche Überprüfung der Bonitätssituation eines Kreditnehmers zu gewährleisten. Die dem Frühwarnsystem zugrunde liegenden Modelle prognostizieren Bonitätsverschlechterungen und Ausfälle sowohl von börsen- als auch nicht-börsennotierten Unternehmen mit einem zeitlichen Vorlauf von bis zu einem Jahr. Auffälligkeiten im Frühwarnsystem können zeitnah Anpassungen in Ratingverfahren oder in anderen Systemen (Limit-Systeme etc.) auslösen. Nachfolgend soll kurz der Fokus auf ein nachrichtenbasiertes Frühwarnsystem gelegt werden. In der nachrichtenbasierten Frühwarnung werden über Sentiment-Analysen als Teilbereich des Natural Language Processing (NLP) Good News von Bad News unterschieden. Dabei werden aus Textinhalten mittels Machine-Learning-Verfahren die zugrunde liegenden Stimmungsbilder der Nachrichten extrahiert und etwaige Bonitätsrisiken prognostiziert. Im Rahmen des sogenannten Pre- Processing werden vorgelagert die Texte für eine maschinelle Verarbeitung aufbereitet. Die Nachrichten werden zudem auf ihre wirtschaftliche Relevanz hin überprüft und den jeweiligen Unternehmen automatisiert zugeordnet. Für die Zuordnung der Nachrichten zu den Unternehmen werden neue Ansätze des Deep Learnings mit eigens trainiertem neuronalem Netz verwendet. Grundlage für die Entwicklung der Modelle und den Produktivbetrieb der nachrichtenbasierten Frühwarnung ist ein Datenarchiv, das derzeit mehr als 16 Millionen Wirtschaftsnachrichtenartikel aus ca. 300 deutschsprachigen Zeitungsquellen seit dem Jahr 2005 für circa 40.000 Unternehmen umfasst. Die nachrichtenbasierte Frühwarnung konnte auch im Kontext der Corona- Krise gute Frühwarnindikationen für Einzelunternehmen liefern. Darüber hinaus werden die Auswirkungen auf die einzelnen Branchen deutlich sichtbar. Der Tabelle in ÿ 2 ist der mittlere Sentiment-Index der nachrichtenbasierten Frühwarnung auf Branchenebene (Stichtag 01. Juli 2020) zu entnehmen. Ein hoher Indexwert bedeutet, dass die Unternehmen der Branche im Durchschnitt eine höhere Anzahl von Frühwarnsignalen und damit auch höhere Ausfallrisiken aufweisen. Die Tabelle zeigt ein inzwischen recht vertrautes Bild: Fluggesellschaften, Flugzeughersteller, Unternehmen aus der Touristik- und Freizeitbranche, der Bekleidungsindustrie und aus dem Einzelhandel (ohne Lebensmittelhandel) weisen sehr hohe Indexwerte und damit auch erhöhte Ausfallrisiken auf. Auch die weniger von der Krise betroffenen Branchen mit niedrigen Sentiment-Indexwerten, wie z. B. der Lebensmitteleinzelhandel, Unternehmen aus der Pharma- und Telekommunikationsbranche, überraschen kaum. Dieses inzwischen wohlbekannte differenzierte Branchenbild zeichnete sich beispielweise im Frühwarnsystem der RSU bereits ab März ab. Point-in-Time-Modelle Das RSU-Merton-Modell basiert auf dem optionspreistheoretischen Ansatz nach Black and Scholes (1973) und Merton (1974) und ist ein klassisches Point-in-Time-Rating. Das Modell wurde so parametrisiert, dass es eine möglichst hohe Trennschärfe im Hinblick auf Ausfälle und externe Ratings erreicht. Auf Basis zukunftsorientierter Kapitalmarktdaten in Kombination mit vergangenheitsorientierten Bilanzinformationen liefert das Modell monatlich eine Bonitätseinschätzung für über 56 10 // 2020

REGULIERUNG FAZIT Gerade in Zeiten der Krise ist umsichtiges Handeln notwendig, in den Instituten ist ein genaues Verständnis der Wirkmechanismen notwendig: Welche ggf. neu auftretenden Risiken werden modelliert, welche Risiken ignoriert? Wie wirken sich regulatorische und staatliche Maßnahmen aus? Instrumente wie Frühwarnsysteme, marktdatenbasierte Point-in-Time-Ratings und makroökonomische Modelle aus dem Kontext IFRS 9 und Stresstest können hier zeitnah wichtige Informationen und Ankerpunkte für die Gesamtbeurteilung liefern. Dadurch können Unsicherheiten für das Risikomanagement reduziert werden. Darüber hinaus offenbart der Pooling- Ansatz – neben dem offensichtlichen Vorteil des vergrößerten Datenpools – aktuell seinen zweiten großen Vorteil: Als Austauschplattform der beteiligten Institute können aktuelle Entwicklungen gemeinsam eingeordnet werden. Das Ziel der Plattform besteht darin, aktuelle Entwicklungen gemeinsam zu diskutieren, Vorgehensweisen zu kanalisieren und diese gemeinsam an die Aufsicht heranzutragen. Gemeinsam stark durch die Krise, oder wie es mit Ovid korrekt heißt: Omnia mutantur, nihil interit – Alles wandelt sich, nichts geht unter. 30.000 börsennotierte Unternehmen und Finanzinstitute weltweit. Eine Analyse auf dieser umfassenden Datenbasis zeigt ebenfalls, dass die Corona-Krise unterschiedlich starke Rückwirkungen auf die verschiedenen Branchen hat. Besonders hohe Anstiege der Ausfallwahrscheinlichkeiten sind bereits zu Beginn in Europa und den USA von Februar auf März 2020 zu beobachten. Zudem zeigt sich, dass die Merton-Modell-PDs bis einschließlich Juni nur wenig zurückgegangen sind. Das Ergebnis der Analyse der Point-in- Time-PDs zeigt auf Branchenebene ein konsistentes Bild zu den Analyseergebnissen auf Basis der nachrichtenbasierten Frühwarnung. Bereits zu Beginn der Corona-Krise erfolgt auch hier eine deutliche Differenzierung zwischen den Branchen und Unternehmen. Zudem signalisieren sowohl die Point-in-Time- PDs als auch die Sentiment-Indizes der nachrichtenbasierten Frühwarnung im Juni noch keine deutliche Erholung. Modelle aus dem Kontext IFRS 9 und Stresstest Im Rahmen von Stresstests fordert die Bankenaufsicht von Kreditinstituten, dass diese die Rückwirkungen von makroökonomischen Stressszenarien auf die Kreditqualität abschätzen. Zu diesem Zweck sind mit statistischen Methoden entwickelte Stresstestmodelle zu verwenden, die den Zusammenhang zwischen makroökonomischen Variablen und Risikoparametern herstellen. Im Bereich der Rechnungslegung sind makroökonomische Erwartungen direkt zu berücksichtigen. In ÿ 3 werden die Auswirkungen des aktuellsten IWF-Prognosesets (Juni 2020) auf das konjunktursensitive Portfoliosegment Corporates (CRP) dargestellt. Die prognostizierte Ausfallrate entwickelt sich versetzt um zwei bis drei Quartale spiegelbildlich zur V- förmigen makroökomischen Prognose. Aufgrund des starken konjunkturellen Einbruchs prognostizieren die Modelle höhere Ausfallraten im Vergleich zu den während der Finanzkrise 2008/2009 tatsächlich beobachteten Ausfallraten. Die durch die Modelle vorhergesagten Ausfallraten in weniger konjunktursensitiven Segmenten fallen hingegen naturgemäß geringer aus. Aufgrund der Rückwirkungen von Zweit- und Drittrunden-Effekten wird es in einzelnen Portfoliosegmenten wie z. B. Immobilienfinanzierungen zudem voraussichtlich deutlich länger dauern, bis sich auch dort ein Anstieg der Ausfallraten materialisiert. Die diesen Analysen zugrunde liegenden makroökonomischen Modelle wurden auf Zeitreihen parametrisiert, die sowohl die Finanzkrise 2008/2009 als auch normale Rezessionen umfassen. Vor diesem Hintergrund können die Modelle den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Portfolioausfallraten und der konjunkturellen Entwicklung gut reflektieren. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist jedoch zu berücksichtigen, dass durch die Corona-Krise einzelne Branchen stärker bzw. weniger stark getroffen wurden, als dies während der Rezessionen in der Vergangenheit der Fall war. Beispiele hierfür sind z. B. Fluggesellschaften sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe. Staaten und Zentralbanken versuchen mit massiven fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen, die Auswirkungen der Corona-Pandemie abzumildern. Ob und wie diese wirksam sind, ist unklar. Insofern sind auch die makroökonomischen Prognosen mit einer höheren Unsicherheit behaftet, helfen unseres Erachtens dennoch, um abschätzen zu können, wie sich die Portfolioausfallraten im jeweiligen makroökomischen Szenario entwickeln können. Autoren Robert Buchberger leitet seit Mitte 2020 die Abteilung Methodik der RSU Rating Service Unit GmbH & Co. KG. Carsten Demski ist in derselben Firma Teamleiter in der Abteilung Methodik und dort unter anderem verantwortlich für Rating (Scorecards), markdatenbasierte Verfahren und Stresstest-Modelle. Andreas Gantner arbeitet in dem Unternehmen als Teamleiter in der Abteilung Methodik und ist dort verantwortlich für die IRB-Ratingverfahren für Objekt- und Projektfinanzierungen sowie für das Themengebiet IFRS9. 10 // 2020 57

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