MANAGEMENT Den Zugang zum amerikanischen Markt ebnet den Berlinern ein Hamburger Multi Family Office. Lennertz & Co., deren Fokus auf sehr vermögenden Familien und institutionellen Investoren liegt, öffnet sich jetzt laut Inhaber Philipp Lennertz erstmalig auch Dritten. Für kurzfristig orientierte Investoren hat sich Liqid im Mai 2020 mit einem anderen bekannten Berliner FinTech zusammengetan, der Raisin GmbH, besser bekannt unter seiner Marke Weltsparen. Künftig können auch Liqid-Kunden auf dem europäischen Online-Marktplatz für Tages- und Festgeld auf attraktiv verzinste Angebote zugreifen. Dass Liqids Kunden aus Raisins Angeboten wählen, merken sie nicht, da Liqid ausgewählte Sparprodukte auf seiner Plattform integriert hat. Die Privatbanken, die diese anbieten, würde Liqid noch einmal überprüfen. Die Anlagen bei den Partnerbanken unterliegen der europaweit harmonisierten Einlagensicherung in Höhe von 100.000 € pro Kunden und Bank. Laut Schneider-Sickert will Liqid damit eine Alternative zu den Strafzinsen bieten, die viele Kunden bei ihren Hausbanken heute zahlen müssen. Gestartet war das FinTech mit der digitalen Vermögensverwaltung, immer noch das Kernprodukt des Hauses. Wie bei den anderen Robo Advisors auch, entscheiden die Kunden je nach Risikobereitschaft über das Verhältnis von Aktien und Anleihen und wählen zwischen drei unterschiedlichen Anlagestilen. Investiert wird weltweit in börsengehandelte Indexfonds (ETFs), je nach Anlagestil kann das Portfolio aber auch aktiv gemanagte Fonds im Anleihen- und im Aktienbereich enthalten. Die Gebühren (Verwaltungspauschale und Produktkosten) schwanken deshalb zwischen 0,65 und 1,38 Prozent. Seit 2017 können die Kunden ab 200.000 € auch in Unternehmensbeteiligungen (Private Equity) investieren – für Schneider-Sickert unerlässlich, „um Kunden ein Angebot machen zu können, das dem eines Multi Family Offices entspricht“. Ermöglicht hat diesen Schritt die strategische Partnerschaft mit der Harald Quandt Gruppe, die den Zugang zu Private- Equity-Fonds öffnet und mit ihrem HQ Trust auch mit zwölf Prozent an Liqid beteiligt ist. Im Sommer vergangenen Jahres hat das Berliner FinTech – nach eigenen Angaben erster digitaler Vermögensverwalter – schließlich seinen Kunden den Zugang zu professionellen Immobilienbeteiligungen geöffnet. Am schnellsten wachse aktuell der Bereich der Beteiligungen mit Private Equity und Real Estate, so Schneider-Sickert. Dass sich Anleger seit März 2020 voll digital, also ohne Einschalten eines Notars, an Unternehmen beteiligen können, habe einen deutlichen Schub bei den Unternehmensbeteiligungen ausgelöst. Nicht nach Plan läuft die schon länger avisierte Internationalisierung. Die hatte der CEO eigentlich schon für den Oktober 2018 angepeilt, und zwar nach Österreich, in die Niederlande und nach Italien. Heute, zwei Jahre später, ist Liqid immer noch ausschließlich in Deutschland aktiv. Die Prioritäten hätten sich verschoben, sagt der 48-Jährige, will jetzt aber durchstarten. Im laufenden Jahr steht noch die Optimierung der Plattform im Vordergrund. In einem ersten Schritt solle Anfang 2021 Private Equity angeboten werden, für die dann folgende Vermögensverwaltung halte er Südeuropa für aussichtsreich. 36 10 // 2020
MANAGEMENT Pandemie unterzieht das Geschäftsmodell einem Test Den Ausbruch der Corona-Pandemie Mitte März dieses Jahres bezeichnet Schneider-Sickert als ersten großen Test für sein Geschäftsmodell: Wie verhalten sich die Anleger in der Krise? Wie robust ist das Servicemodell bei massiv steigender Nachfrage? Sein vorläufiges Fazit fällt positiv aus. „Es gab fast keine Abflüsse. Weit unter ein Prozent der Kunden sind in Cash gegangen. Eine jeweils ähnliche Anzahl hat in der Risikoklasse eine Stufe nach oben bzw. nach unten gewechselt.“ Per Ende September zählte Liqid rund 5.000 Kunden. „Jeder zweite von ihnen hat noch nie vorher Vermögensverwaltung gemacht.“ Man schaffe es also, neue Zielgruppen zu akquirieren. Der typische Kunde sei zwischen 45 und 55, nicht der „Selbstmacher“, er sei Manager, Unternehmer, auch aus dem Mittelstand, oder Freiberufler. „Männer stellen sicher 70 Prozent der Anleger, haben aber oftmals eine starke Frau im Hintergrund, mit der sie ein Gemeinschaftsdepot führen.“ Nicht selten kämen Rückfragen wie „meine Frau will wissen, ob...“. Bankpartnerschaften wie zum Beispiel bei Scalable Capital hingegen strebt der CEO nicht an. „Wir wollen eine starke unabhängige Marke aufbauen.“ Verstärkt würden Berater dafür deutschlandweit in Co-Working Spaces potenzielle und bestehende Kunden vor Ort persönlich treffen. Wegen Corona seien Prognosen aktuell schwierig, räumt Schneider-Sickert ein. Ende 2019 lag das verwaltete Vermögen bei 550 Mio. €, zum 31. August 2020 waren es 850 Mio. €. Ende des Jahres könnte die 1-Mrd.-€-Hürde genommen werden, hofft der CEO. Noch werden allerdings keine schwarzen Zahlen geschrieben. Und auch ein Konkurrent wie quirion, der Robo Advisor der Quirin Privatbank, legte zuletzt trotz Corona-Krise stark zu. Anfang Oktober meldeten die Berliner, dass ihr verwaltetes Anlagevermögen seit Jahresbeginn um 30 Prozent auf mehr als 500 Mio. € und die Zahl der Kunden um knapp 60 Prozent auf 23.000 gestiegen sei. Die durchschnittliche Anlagesumme liegt bei quirion bei gut 21.000 €. Wie bei allen FinTechs geht es auch bei Liqid international zu. Die Mitarbeiter – bis Ende 2020 soll ihre Zahl auf 75 steigen – kommen aus 15 Ländern und sind im Schnitt um die 30 Jahre alt. Die Krise mache es leichter, qualifizierte Kollegen zu finden. Um sie halten, lassen sich die Personaler einiges einfallen. Auf dem Programm stehen wöchentliche Drinks, die „Liqid Akademie“ mit Vorträgen externer und interner Experten, Trainings oder gemeinsame sportliche Aktivitäten. Einmal im Monat organisieren die verschiedenen Abteilungen zudem reihum ein Event für alle, mieten zum Beispiel ein Kino oder buchen eine Gokart-Strecke, um den Zusammenhalt des Teams zu stärken. Mit 25 Prozent sind Team und Management am Unternehmen beteiligt. Von Anfang an setzte Schneider-Sickert zudem auf Kapitalgeber mit etablierten Namen, darunter der Berliner Wagniskapital- Finanzierer Project A Ventures, der 15 Prozent hält, sowie Dieter von Holtzbrinck Ventures mit einem Anteil von 5 Prozent. Größter Anteilseigner ist mit 33 Prozent Tosca Asset Management in London. Autorin Eli Hamacher ist Diplom-Volkswirtin und arbeitet seit 30 Jahren als Wirtschaftsjournalistin. Die Freelancerin schreibt für „die bank“ vor allem über die Branche und Porträts über einzelne Unternehmen. Ein weiterer Fokus ihrer Arbeit sind Auslandsmärkte. 10 // 2020 37
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