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die bank 10 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT Dr. Andreas

MANAGEMENT Dr. Andreas Przewloka, Chief Operating Officer (COO) UBS Europe SE. Dirk Müller-Tronnier, Partner bei Ernst & Young Financial Services. rausnehmen, um zukünftig in wesentlich einfacheren Strukturen arbeiten zu können – diese Grundsatzentscheidung muss bereits ganz zu Anfang getroffen werden, weil sie in hohen Maß vorherbestimmt, wie das Projekt operativ am besten aufgesetzt wird. Hochgradig komplex wird das Vorhaben allein schon durch die Tatsache, dass die gesamte Bank davon betroffen ist. Wir empfehlen, ein Target Operating Modell zu entwickeln und das künftige Set-up detailliert zu beschreiben. Ein solches „Kochbuch“ bietet eine relativ hohe Sicherheit, dass alle wichtigen Aspekte berücksichtigt werden. Auf Basis dieses Dokuments lässt sich schon sehr frühzeitig erklären, wie die neue Struktur aussehen soll. Enorm wichtig ist auch, sich in den weiteren Stufen des Projektfortschritts immer sehr eng mit der Aufsicht abzustimmen. Müller-Tronnier: Entscheidungen zur Fusion oder Umwidmung bestehender Konzernstrukturen werden gemeinhin ja auf der Gesellschafterebene getroffen. Die Gruppe muss also schon so etwas wie eine Vorentscheidung getroffen haben, wie die zukünftige Bank aussehen soll. Das lokale Management erhält in den meisten Fällen lediglich den Auftrag zur Umsetzung und ist gefordert, die Grundsatzentscheidung in ein tragfähiges Modell zu transformieren und mit der Aufsicht zu diskutieren. Dazu müssen auch bereits erste strukturelle Personalentscheidungen getroffen sein. diebank: Gibt es eine Art „Blaupause“, nach der man vorgehen kann, um die „Operational Readiness“ sicherzustellen? Deckert: Das konkrete Vorgehen hängt immer ein wenig vom bestehenden Geschäftsmodell und der geplanten Zielstruktur ab. Grundsätzlich lassen sich die Aufgaben aber in der gleichen Art und Weise aufteilen. Da ist zum einen die Corporate Transaction, also der Merger an sich und das Lizenzverfahren, alles, was auf der rein rechtlichen und der steuerlichen Seite abläuft. Ein zweiter großer Workstream betrifft das Risikomanagement, vor allem die Risikostrategie. Der dritte große Block umfasst die rein operationellen Aufgaben, die auf der Systemseite erforderlich sind, um die regulatorischen Minimalanforderungen zum Stichtag zu erfüllen. Der vierte wichtige Workstream fokussiert das gesamte Thema HR. Ein fünfter Aufgabenkomplex ist bestimmten Sonderthemen vorbehalten. Bewährt hat sich hier, crossfunktionale Themen über ein Projekt Management Office (PMO) zu bündeln. Ergänzend zu den genannten Aufgabengebieten braucht es eine professionelle Kommunikation. Man muss mit Kunden kommunizieren, mit Providern, mit der Aufsicht und – ganz wichtig – mit den Mitarbeitern. Hier geht es insbesondere darum, die Mitarbeiter über das Projekt informiert zu halten und sie für die neue Struktur zu gewinnen. Przewloka: Ich wäre vorsichtig, schon jetzt von einer Blaupause zu sprechen. Wir sehen, dass zusammen mit uns auch alle Beteiligten im Umfeld ständig dazulernen – Anwaltskanzleien und Regulatoren eingeschlossen. Müller-Tronnier: Es macht sich gut, wenn man dem Regulator schon früh ein durchdachtes Konzept und eine konkrete Vorgehensweise vorstellen kann. Das proaktive Zugehen schafft nicht nur enorme Kredibilität. Nach unseren Erfahrungen trägt das frühzeitige Einbinden auch sehr zur Beschleunigung des gesamten Prozesses bei. diebank: Welche weiteren Faktoren haben sich als erfolgskritisch erwiesen? Przewloka: Wir haben uns bewusst für den „Big Bang“ entschieden, aber mit Flexibilität. Die Verträge wurden so gestaltet, dass es für alle Eventualitäten Szenarien gab. Auch die Standortfrage haben wir sehr lange offengehalten. Das heißt, einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist Flexibilität. Ein zweiter: Konsequent und sehr fokussiert von Beginn an auf ein Datum hinarbeiten. Iliyav: Erfolgskritisch aus meiner Sicht ist es, über exzellentes Expertenwissen zu verfügen – sowohl im Haus als auch über externe Dienstleister. Dass man sich mit den Beratern, mit den Regulatoren, mit den 26 10 // 2017

MANAGEMENT Dr. Wolfgang Richter, Partner CMS Hasche Sigle. Dr. Oliver Wagner, Geschäftsführer des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland. Steuerbehörden zusammensetzt und sich schon vor Beginn des Projektes intensiv austauscht, ist auch ein wichtiger Punkt. Fast noch wichtiger scheint mir allerdings, innerhalb der Bank Begeisterung zu schaffen. Für die meisten Beteiligten ist das ein Once-in-a-Lifetime-Projekt, auf einmal erhält man die Möglichkeit, sich sozusagen auf einen Schlag durch die Transformation in eine herausgehobene Wettbewerbsposition zu bringen. Deckert: Neben der Flexibilität im Gesamt-Set-up ist auch Flexibilität im Projekt enorm wichtig. Immer wieder kommt es vor, dass wichtige Entscheidungen zu bestimmten Themen unter einer gewissen Unsicherheit getroffen werden müssen. Zum Teil lässt sich diese Problematik relativieren, wenn bei Bedarf schnell und flexibel drei, vier Experten zusammengezogen werden können, um sich des betreffenden Themas anzunehmen. Ein anderer Punkt ist: Sicherstellen, dass das operative Tagesgeschäft nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies ist vor allem dann ein kritischer Punkt, wenn im Rahmen des Projekts ein Personalumzug stattfindet. Wenn nur das Projektteam motiviert ist, der Rest der Bank aber nicht, wird das Vorhaben mit hoher Wahrscheinlichkeit in Schwierigkeiten geraten. Wagner: Überlegungen, neue Strukturen zu schaffen und neue Systeme aufzubauen, sehen wir vor allem bei den vom Brexit betroffenen Banken. Allerdings ist die verbleibende Zeit bis zum Brexit-Stichtag ausgesprochen knapp. Das könnte eng werden. Von den Rechtstrukturen her, aber auch im Hinblick auf die aufsichtlichen Anforderungen halte ich es für ausgesprochen ambitioniert, mit einem Big Bang alles gleichzeitig erledigen zu wollen: neuer Standort plus neue Strukturen. Ohne Zweifel ist dies aber auch eine einmalige Chance. Przewloka: Das ist nicht nur eine einmalige, sondern fast schon die letzte Chance, eine absolute Notwendigkeit. Weil es in Zukunft kein grenzüberschreitendes, paneuropäisches Geschäft geben wird, was nicht in irgendeiner Form auf einer gemeinsamen Infrastruktur und einer gemeinsamen Rechtsstruktur basiert. Eine Bank benötigt einfach eine gewisse Anzahl an Kunden, Assets und eine gewisse Größe, um nachhaltig profitabel zu sein. Mit vielen kleinen und proprietären Infrastrukturen lässt sich eine kritische Marktgröße in Europa nicht erreichen. Iliyav: Die Zeit für ein solches Projekt ist reif. Die Harmonisierung hat weltweit erhebliche Fortschritte gemacht. Alle relevanten Komponenten – technische, regulatorische, steuerliche – passen zusammen, und deshalb macht es viel Sinn, ein solches Projekt jetzt aufzusetzen. Wagner: Aktuell ist deutlich zu erkennen, dass sowohl die BaFin als auch die Bundesbank sehr stark darauf achten, wie die EZB bestimmte Fragestellungen behandelt. Jetzt besteht eine gute Chance, neue Strukturen im Einklang mit der EZB-Linie zu schaffen. Auch bei der Wertpapieraufsicht sehen wir bei der ESMA noch größere Vereinheitlichungstendenzen. Innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre dürfte es einen weiteren Harmonisierungsschub geben. diebank: Welche Risiken lassen sich auch bei optimaler Vorgehensweise bei einem solchen Transformationsprojekt nicht gänzlich ausschließen? Przewloka: Wer nicht all das beachtet, was wir gerade diskutiert haben, wird möglicherweise seine Kunden verunsichern. In unserem Projekt haben wir deshalb nachgefragt, wie unsere Kunden die Transformation beurteilen und was sie davon halten. Ein zweites Risiko sehe ich darin, dass man das Projekt nicht durchfinanzieren kann. Projekte dieser Art kosten Geld – da sollte man sich nichts vormachen. Als drittes sei das Execution Risiko genannt: Schafft man es wirklich, an einem bestimmten Datum festzuhalten? Und ich selbst habe bis dato auch noch kein Projekt erlebt, wo es so sehr darauf ankam, dass das Kernteam wirklich voll hinter dem Vorgehen stand. Deckert: Was ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf: Bei Projekten dieses Typs bestehen extrem hohe Abhängigkeiten – zwischen Legal, Tax, IT etc. Hinzu kommen sehr viele externe Abhängigkeiten, im Hin- 10 // 2017 27

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