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die bank 10 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó IT & KOMMUNIKATION

ó IT & KOMMUNIKATION Aus Kundensicht fehlt noch die Modernität CRM IN BANKEN In sich wandelnden und umkämpften Märkten hat die Sicherung der Kundenbasis über eine systematische Gewinnung und langfristige Bindung potenzialstarker Neukunden eine zentrale Bedeutung. Customer Relationship Management (CRM) als kundenorientierter Managementansatz mit individuellen Vertriebs-, Service- und Marketingkonzepten ist aktuell ein intensiv diskutierter Lösungsweg für Banken im Bedrohungsszenario von verändertem Kundenverhalten, neuen Wettbewerbern, Niedrigzinsphase und weiter zunehmender Regulierung. Heike Jochims | Marc Jochims Keywords: Unternehmensführung, Customer Journey, Multikanalansprache Banken orientieren sich bei ihren CRM- Projekten an Erfolgsbeispielen aus anderen Branchen, vor allem aus Handel und E-Commerce. Die breite Verfügbarkeit von Kundendaten und die Möglichkeit der Interaktion über das Web 2.0 haben im E-Commerce vor allem neue Wege der Ansprache und Bindung von Kunden auf individueller Ebene ermöglicht. Grundvoraussetzung für die Individualisierung ist Data-Driven-Marketing: Eine umfassende Auswertung nicht nur demografischer, sondern auch verhaltensbasierter Daten ermöglicht die Kundenansprache mit personalisierten Angeboten. Der Online-Pionier Amazon wertet dazu Warenkörbe und Produktsuchen seiner Kunden konsequent aus. Voraussetzung ist ein CRM-System, das die Konsolidierung von Datenquellen ermöglicht, um auf Basis von Personenund Verhaltensdaten ganzheitliche Kundenprofile zur personalisierten Multikanalansprache in Echtzeit zu erstellen. Entscheidend ist dabei nicht die Menge der vorliegenden Daten, sondern die Qualität der Datenquellen und die Expertise bei der Auswertung. Dabei liegt ein besonderer Fokus darauf, Kunden entlang der gesamten Customer Journey gezielt anzusprechen, also vom ersten Kontakt mit dem Anbieter bis hin zum Kauf oder Vertragsabschluss. Moderne CRM-Systeme ermöglichen die Kombination der Kundeninteraktionen über verschiedene Geräte oder Kanäle und eröffnen die Möglichkeit der individuellen Ansprache über unterschiedliche Touchpoints wie E-Mail, Website oder App. Content Marketing ist ein weiterer wichtiger Trend. In einer Zeit der inflationären Zunahme von Werbemaßnahmen und deren damit einhergehender gesunkener Wirksamkeit wird Content Marketing genutzt, um durch Vermittlung relevanter Inhalte langfristig eine Kundenbindung aufzubauen. Inhalte dienen zunehmend als Mittel zum Erstkontakt mit dem Kunden: Kosmetikhersteller versorgen Interessenten mit Informationen rund um die Körperpflege, Pharmahersteller informieren über Krankheitsbilder und deren Behandlung. Analog zum Vorgehen von Mediendienstleistern werden Werbeinhalte dabei dynamisch an das aktuelle Verhalten registrierter Nutzer angepasst, Suchanfragen und Content-Abfragen werden regelmäßig ausgewertet. IT-Infrastruktur als Eckpfeiler in Bankprojekten Gut angewandtes CRM setzt auf einem tiefen Verständnis der Kundenanforderungen auf. Dafür werden die über verschiedene Kontaktwege gesammelten Kundeninformationen in einem Data Warehouse integriert bereitgestellt. Die breite Datenbasis ermöglicht Analysen zur Identifikation potenzialstarker Kunden einschließlich der Ableitung passgenauer Vertriebs- und Marketingmaßnahmen. CRM-Konzepte basieren damit auf einer leistungsstarken IT-Infrastruktur. 1 Ein wichtiges Anwendungsgebiet dieser sogenannten Data-Analytics-Ansätze in Banken ist die bedarfs- und potenzialgerechte Segmentierung der Kunden in trennscharfe Nutzergruppen. Diese Clusterung erfolgt im Zielbild mittels eines breiten Kriteriensets, das über die klassischen Informationen – wie Haushaltseinkommen oder disponibles Vermögen – hinausgeht und individuelle Kundenpräferenzen wie Finanzaffinität, Delegationswunsch oder Kanalpräferenz einbezieht. Diese und weitere Datenfelder (z. B. Bonität, soziodemografischer Hintergrund, Kontakt- und Kommunikationshistorie, Kaufhistorie) werden aus der IT-Infrastruktur bereitgestellt. Die aktive Ansprache erfolgt dann auf dem 80 diebank 10.2016

IT & KOMMUNIKATION ó Kanal der Wahl des jeweiligen Kunden. In Zeiten rückläufiger persönlicher Kontakte soll so eine große (digitale) Nähe zu den Kunden erhalten werden. Dazu dienen auch After-Sales-Routinen zur Ableitung passender Produktvorschläge oder Abschlussanreize (z. B. Free Trades im Wertpapierbereich). Mehr als eine Systemfrage Die vorherrschenden CRM-Zielbilder von Banken weisen einen betont systemischen Charakter auf. 2 Wichtig ist, eine Übersetzung der aus den Daten gewonnenen Erkenntnisse in Marketing und Kundenbetreuung zu erreichen, um aus Kundensicht bessere Serviceleistungen zu erbringen und effektive Cross-Selling-Maßnahmen durchführen zu können. Zur dauerhaften Bindung werden Kunden gemäß typischer Konzeption über den Lebenszyklus der Kundenbeziehung regelmäßig angesprochen. Die angestrebte Kontaktintensität wird dabei dem jeweiligen ökonomischen Wert eines Kunden angepasst. Dieser Grundgedanke der Wertorientierung ist prägend für CRM- Konzepte. Darüber hinaus ist es erklärte Absicht, die Zufriedenheit der Kunden mit der Bankleistung kontinuierlich zu erheben. Neben den bereits etablierten regelmäßigen telefonischen Kundenbefragungen sollen qualitative Befragungsformen wie Fokusgruppen und Kundenworkshops sowie innovative Formate (z. B. Kundenbeirat, Nachkaufbefragungen) zum Einsatz kommen. Abwanderungsgefährdete Kunden werden systematisch und frühzeitig durch das analytische CRM identifiziert, Gegenmaßnahmen der Bank werden in Abhängigkeit von der Ursache der Kundenunzufriedenheit und dem Kundenwert eingeleitet. Angesichts des weiter wachsenden Anteils von Kunden, die ihre Bank vornehmlich digital für Service und Kontoführung aufsuchen, sind CRM-Ansätze zunehmend auf den gesamten Kanalmix ausgerichtet. Eckpfeiler bilden die mobil abschließbaren Produkte, unterstützt durch bequem über mehrere Medien erhältliche Informationen wie Online-Präsentationen, Produktvideos und Videoberatung, Webinare, Podcasts, Expertenchats und Call-Back-Services. Ergänzend nehmen Tools zur Selbstberatung zu, etwa im Vorsorge- und Anlagebereich. Gerade Kunden aus lukrativen Segmenten sind besonders aufgeschlossen, eine aktivere Rolle bei der Ausrichtung der Vermögensanlage zu übernehmen. Banken mit großer Lücke zum Zielbild Dieser hohe Anspruch an das Zielbild weicht gravierend von der Wirklichkeit im Finanzsektor ab – selbst wenn man berücksichtigt, dass Banken aufgrund des besonderen Produktcharakters und aufgrund hoher Anforderungen an Datenschutz und Informationssicherheit gegenüber dem Handel über ein beschränktes Instrumentarium verfügen. 3 Große Lücken bestehen bereits im eigenen Hoheitsbereich, etwa bei der Datenbasis: Eine stärker individualisierte Ansprache von Kunden setzt die Kenntnis der Lebenssituation, der Präferenzen und auch der Einstellung gegenüber Finanzprodukten voraus. Derartige Informationen liegen für die Mehrzahl der Kunden allerdings nicht vor, teilweise als Folge interner Unsicherheit über die Rechtmäßigkeit der Datenspeicherung. Entsprechende Datenfelder sind im Data Warehouse nicht vorgesehen und sind kein Bestandteil der regelmäßigen Kundenbefragung. Informationen aus medialen Zugangswegen zur Bank fließen ohnehin nicht in die Datenhistorie ein. Ein geringes Bewusstsein im Vertrieb über die Notwendigkeit einer hohen Datenqualität markiert die wesentliche Ursache. Dieser grundlegende Mangel bei Datengrundlagen verhindert eine stärkere Clusterung von Kunden gemäß Bedarfsprofilen. Typische Segmentierungen beschränken sich auf vier bis fünf (Teil-)Bereiche, die mittels weniger, statischer Kriterien gebildet werden. 4 Sozio- oder psychografische Kriterien kommen nur in Ausnahmefällen bei der sog. ABCD-Segmentierung zum Einsatz. Diese Beschränkung 10.2016 diebank 81

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