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die bank 10 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT Bankgeschäfte sind künftig schwerer anfechtbar REFORM DER INSOLVENZANFECHTUNG Die Diskussion über die geplanten neuen gesetzlichen Regelungen bei der sogenannten Insolvenzanfechtung schlägt aktuell hohe Wellen. Wenn auch noch nicht klar ist, was letztlich im Detail im Gesetz steht, sollten Kreditinstitute die Zeit bis zum Inkrafttreten nutzen, um sich vorzubereiten. Denn die Änderungen, die das neue Gesetz für Banken bringen wird, sind absehbar. Zudem ist bereits jetzt klar, dass die Reform die Anfechtungsgefahren nicht komplett beseitigen wird. Daher sollten Banken weiter die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Blick behalten. Karsten Kiesel Keywords: Geschäftspolitik, Anfechtungsbegehren, Recht Vorab die gute Nachricht für die Kreditinstitute: Das neue Gesetz wird den Status quo der Banken nicht verschlechtern. Vielmehr sorgen die Regelungen punktuell für Verbesserungen – vor allem beim Einzug von Forderungen. Denn gerade in diesem Punkt ist nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Vorsatzanfechtung kongruenter Zahlungen selbst bei bestehender Zahlungsunfähigkeit möglich. Das wird sich mit dem neuen Gesetz sehr wahrscheinlich ändern: Allein auf die Kenntnis einer drohenden Zahlungsunfähigkeit aufseiten der Bank wird der Insolvenzverwalter sein Anfechtungsbegehren künftig nicht mehr stützen können. Künftig muss der Bank in der Regel bekannt sein, dass die Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist. Die Folge: Die Anfechtungsbegehren gegen Banken beim Einzug von Forderungen – auch aus gekündigten Engagements und gegebenenfalls nach Abschluss von Rückführungsvereinbarungen – dürften weniger werden. Für die Handhabung von Sanierungskrediten wird sich dagegen in der Praxis wenig ändern. Zwar profitieren die sanierungswilligen Institute bei vielen Maßnahmen grundsätzlich davon, dass erst die Kenntnis von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit sich zugunsten des Insolvenzverwalters auswirkt. Wenn Kreditinstitute bei Sanierungskrediten jedoch eine (Teil-)Nachbesicherung ihrer Altforderungen verlangen, stellt dies eine sogenannte inkongruente Deckung dar. Das Risiko: Auch nach den geplanten neuen Regelungen sind diese nicht privilegiert und damit weiterhin grundsätzlich anfechtbar. Das heißt, dass Banken bei Sanierungskrediten auch mit dem neuen Gesetz nicht auf (kostenintensive) Sanierungskonzepte und / oder -gutachten verzichten können, zumal diese in der Regel ohnehin aufsichtsrechtlich notwendig sind. Verkürzung der Anfechtungsfrist Eine Verbesserung für alle potenziellen Anfechtungsgegner – also auch für die Kreditinstitute – ist die Verkürzung der Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre. Selbst bei einer inkongruenten Deckung, wie beispielsweise die erwähnte Nachbesicherung, greift diese Verkürzung ein. Die Zahl der Anfechtungsbegehren von Insolvenzverwaltern wird zwar dadurch nicht erheblich abnehmen. Denn in der Praxis werden nur verhältnismäßig selten Zahlungen angefochten, die länger als vier Jahre vor dem Insolvenzantrag liegen. Allerdings betreffen die Extremfälle mit einem Anfechtungszeitraum von mehr als vier Jahren häufig besonders hohe Anfechtungsbeträge, weshalb es in diesen Fällen zu einer spürbaren Abmilderung des Einzelrisikos kommt. Auch haben potenzielle Anfechtungsgegner nach den neuen Regelungen immerhin bereits nach vier und nicht erst nach zehn Jahren ohne einen Insolvenzantrag Gewissheit, dass sie erlangte Zahlungen definitiv behalten dürfen und diese nicht mehr angefochten werden können. Sofern Kreditinstitute also Rückstellungen bilden, können diese künftig früher aufgelöst werden. Die Erweiterung des sogenannten Bargeschäftsprivilegs liefert Banken eine weitere Verteidigungsmöglichkeit gegen Anfechtungsbegehren von Insolvenzverwaltern. So kann bei der Gewährung von Überbrückungs- oder Sanierungskrediten gegen neue Sicherheiten nun der Bargeschäftseinwand zusätzlich herangezogen werden, wodurch die Unanfechtbarkeit der Bestellung von Sicherheiten gegen neue Darlehen noch einmal unterstrichen wird. 66 diebank 10.2016

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó Insolvenzanfechtung Geld zurückzahlen, das man von seinem Kunden berechtigterweise für die eigene Leistung erhalten hat – zum Teil bereits vor mehreren Jahren? Einer solchen Forderung sehen sich jeden Tag zahlreiche Unternehmen in Deutschland, aber auch viele Banken, ausgesetzt. Grund dafür ist die sogenannte Insolvenzanfechtung, die der Gesetzgeber jetzt ändern will. Dabei werden viele Punkte aufgegriffen, die Unternehmen bis dato behindert haben oder durch die sie sich bisher großen finanziellen Risiken ausgesetzt haben. Das neue Gesetz umfasst neben einer Verkürzung der Frist bei der Vorsatzanfechtung für die Privatwirtschaft unter anderem folgende Neuerungen (Stand August): Schwerer anfechtbar – Vorteile bei vereinbarter Ratenzahlung: Vereinbart ein Unternehmen mit seinem Kunden eine Ratenzahlung, wird dies von Insolvenzverwaltern als ein Indiz dafür angesehen, dass das Unternehmen (Anfechtungsgegner) wusste, dass der Kunde (Schuldner) drohend zahlungsunfähig ist. Künftig sollen Vereinbarungen über Zahlungserleichterungen ausdrücklich privilegiert sein. Zahlungen aus derartigen Vereinbarungen können dann schwerer angefochten werden als bisher. Tatsächlich sollen solche Zahlungen nach der Formulierung des Gesetzes vermutlich sogar schwerer anzufechten sein als „reguläre“ Zahlungen ohne Ratenzahlungsvereinbarung. Für Unternehmen ist das positiv, da sie gerade in langjährigen Geschäftsbeziehungen oder bei saisonbedingten Liquiditätsengpässen einem Kunden oftmals die Möglichkeit zur Ratenzahlung gewähren. Weitgehende Privilegierung von Bargeschäften auch bei Vorsatzanfechtung: Hat der Schuldner eine Leistung erbracht, für die er unmittelbar – i. d. R. innerhalb von 30 Tagen – eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat (sogenanntes Bargeschäft), ist diese nach dem neuen Recht nur anfechtbar, wenn der Insolvenzverwalter nachweist, dass der Schuldner „unlauter“ gehandelt hat. Letzteres wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Schuldner sein Vermögen etwa für den Kauf von Luxusgütern verschleuderte, die den Gläubigern unter keinen Umständen nützen können, oder beim Verkauf betriebsnotwendigen Vermögens mit dem Vorsatz, den Erlös den Gläubigern vorzuenthalten. Bislang war ein solches „Bargeschäftsprivileg“ im Bereich der Vorsatzanfechtung generell ausgeschlossen und ein vom Bundesgerichtshof entwickeltes und vergleichbares Rechtsinstitut nur sehr eingeschränkt anwendbar. Verzinsung erst nach Mahnung – reduzierte Zinsnachforderungen: Der Anfechtungsgegner muss den angefochtenen Betrag erst ab dem Zeitpunkt verzinsen, zu dem der Verzug eingetreten ist – i. d. R., wenn er vom Insolvenzverwalter eine Mahnung erhält. Bislang mussten Zinsen (aktuell etwa 4,17 Prozent pro Jahr) automatisch ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung gezahlt werden. Das führte oftmals zu erheblichen Zinsforderungen, wenn der Insolvenzverwalter seinen Anfechtungsanspruch erst spät im Verfahren, durchaus auch noch nach Jahren, geltend macht. Privilegierung der öffentlichen Hand – doppelte Schädigung anderer Gläubiger: Treibt ein Unternehmen seine Forderung durch eine Zwangsvollstreckung ein, kann dieser Betrag nach der Reform schwerer angefochten werden als bisher. Diese Neuerung ist für Unternehmen jedoch nicht nur positiv. Denn eine solche Privilegierung ist primär ein Vorteil für die Sozialversicherungsträger und Finanzämter. Sie können sich ihre Vollstreckungstitel selbst beschaffen und ihre Forderungen damit schneller als andere Gläubiger durchsetzen. Andere Gläubiger müssen sich unter Umständen ihre Vollstreckungstitel zeitraubend in einem gerichtlichen Verfahren erwirken und kommen seltener zum Zuge. Durch die Privilegierung der Zwangsvollstreckung wird die Insolvenzmasse zugunsten öffentlich-rechtlicher Gläubiger reduziert, wodurch alle anderen Gläubiger des Verfahrens weniger Geld erhalten – weshalb auch von einem Fiskusprivileg gesprochen wird. Benachteiligt sind dadurch Unternehmen, aber auch Arbeitnehmer. Zahlungen mit Anspruch – Vorsatzanfechtung nur bei positiver Kenntnis des Geschäftspartners: Zahlungen, auf die das Unternehmen einen Anspruch hatte (sog. kongruente Zahlungen, z. B. die vereinbarungsgemäße Bezahlung einer Leistung durch den Kunden), werden künftig generell privilegiert. Nur wenn dem Geschäftspartner die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Kunden bekannt war, sind daran negative Folgen geknüpft. Die Folge: Nur dann darf künftig davon ausgegangen werden, dass der Kunde dadurch die anderen Gläubiger benachteiligen wollte und dies dem Geschäftspartner bekannt war. Erst die Kenntnis von der tatsächlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit wirkt sich – in den Fällen der kongruenten Zahlungen – positiv für den Anfechtungsgegner aus. Bislang war es ausreichend, wenn das Unternehmen wusste, dass dem Kunden die Zahlungsunfähigkeit (lediglich) drohte. 10.2016 diebank 67

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