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die bank 10 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

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ó BANKING keit des Kunden) verdienen muss. Darüber hinaus sind Transaktionen mit bestimmten Gütern wie Schweinefleisch, Pornografie, alkoholhaltigen Lebensmitteln, Tabak oder Waffen untersagt (Haram). Ebenfalls verboten ist der Aktienhandel, sofern das einzelne Geschäft nicht auf eine langfristige Beteiligung abzielt, sondern spekulative Gewinne unter Ausnutzung kurzfristiger Kursschwankungen beabsichtigt werden (Maysir). Das hieraus abgeleitete Verbot unsicherer Verträge (Gharar) betrifft islamische Banken insbesondere in Bezug auf Spekulationsgeschäfte mit derivativen Finanzinstrumenten. Weil der Vertragsgegenstand bei solchen Finanzprodukten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht existent ist und erst in Zukunft Gestalt annehmen kann, entsprechen solche Produkte nicht den ethischen Maßstäben der Shari'ah. Ebenso betrifft das Verbot die Mehrzahl aller konventionellen Versicherungsprodukte. Die Hürden für ein islamkonformes Geschäftsmodell Die Einhaltung islamischer Glaubengrundsätze stellt islamkonforme Institute kostenseitig vor eine Herausforderung. Die Installation eines zusätzlichen Überwachungsorgans wirkt sich negativ auf den Verwaltungsaufwand aus. Außerdem beschränkt die Shari'ah die Möglichkeiten der Bank, Sicherheiten vom Kunden zu beanspruchen und Vertragsstrafen durchzusetzen, wodurch dem kostenaufwendigen Screening und Monitoring der Kreditnehmer eine besondere Bedeutung zukommt. Darüber hinaus fallen bei bestimmten Geschäften mehrere einzelne Transaktionen an, für die nach islamischem Recht jeweils ein separater Vertragsabschluss erforderlich ist. Für die Immobilienfinanzierung bedeutet dies, dass nach deutschem Recht die Grunderwerbssteuer zweimal fällig wird. Auch das Liquiditätsmanagement stellt sich vor dem Hintergrund des Riba-Verbots als problematisch dar, weil dieses den Handel mit Geldmarktpapieren verwehrt und den Zugang zum Interbankenmarkt beschränkt. Selbst die Gewährung von zinslosen Nothilfen im Fall eines Liquiditätsengpasses durch die Zentralbank als Lender-of-last-Resort ist bisher nur in wenigen Ländern vorgesehen. Aufsichtsrechtlich geraten islamkonforme Institute dadurch unter Druck, dass mit den Beteiligungen ein wesentlicher Bestandteil der Aktivseite nach dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) mit einem Risikogewicht von 400 Prozent belegt werden muss. Ein potenziell risikomindernder Wissensvorsprung, den islamkonforme Banken in diesen Geschäftsbereichen gegenüber konventionellen Wettbewerbern vorweisen können, bleibt im westlich geprägten Aufsichtsrecht unberücksichtigt. Problematisch ist auch die gesetzliche Einlagensicherung, weil diese beim Kunden die Möglichkeit eines risikolosen Gewinns schaffen würde. Dies hätte zur Folge, dass das Einlagengeschäft nicht als islamkonform zertifiziert werden dürfte. Marktlücke in Deutschland Obwohl islamische Banken durch den weitgehenden Verzicht auf die Besicherung von Krediten und das Hedging mittels Finanzderivaten hohen Risiken ausgesetzt sind und ihre Betriebsergebnisse starken Schwankungen unterliegen, ist das Risiko eines Ausfalls geringer als bei konventionellen Banken. Dies zeigte sich in der Finanzkrise, welche die islamkonformen Banken vergleichsweise unbeschadet überstanden. So besteht die Möglichkeit, auftretende Verluste durch eine Minderung der Verbindlichkeiten an den Kunden weiterzuleiten, um Solvenzproblemen vorzubeugen. Die Bereitschaft der Kunden, an Verlusten des Instituts zu partizipieren, lässt sich durch das sog. „Religious Branding“ erklären, bei dem die Gleichheit der Wertevorstellungen von Kunde und Bank das Zugehörigkeitsgefühl bestärkt. Die BaFin organisierte bereits mehrere Konferenzen zum Thema Islamic Finance, die auf die Identifizierung und den Abbau rechtlicher Hürden für die Umsetzung islamkonformer Geschäftsmodelle abzielten. Auch bei der Hauptzielgruppe ist das Interesse gegeben. Mit 55 Prozent bemängeln mehr als die Hälfte der über vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime das aktuell noch geringe Angebot an islamkonformen Finanzprodukten, während drei Viertel glauben, dass eine Zertifizierung der Shari'ah-Konformität einen positiven Einfluss auf ihre Produktentscheidung habe. Besonderes Potenzial bietet die Shari'ah-konforme Baufinanzie- 54 diebank 10.2016

BANKING ó rung, an der ebenfalls rund drei Viertel interessiert sind. Auffällig ist jedoch, dass in der Türkei, wo sich neben dem konventionellen Bankensystem auch islamische Anbieter etablieren konnten, viele gläubige Muslime trotz Akzeptanz der gegebenen religiösen Vorschriften die angebotenen islamkonformen Produkte nicht nachfragen. Die Ursache hierfür wird im dort vorherrschenden Laizismus gesucht, wonach die Religion unter staatliche Kontrolle gestellt wird. Nicht auszuschließen ist, dass sich dies auch auf die Nachfrage in Deutschland auswirkt, wo etwa zwei Drittel der Muslime türkische Wurzeln aufweisen. Zwar ist das Streben nach ökologischer Nachhaltigkeit, das viele mit der Vorstellung von ethischen Investments verbinden, bei islamischen Banken nicht explizit gegeben. Die Nachhaltigkeit aus ökonomischer Sicht stellt jedoch einen Grundbestandteil der Islamic Finance dar. Mit der partnerschaftlichen Beteiligung wird eine langfristige Produktions- und Investitionsstrategie angestrebt, während die Koppelung der Verträge an Realgüter gewährleistet, dass sich die Erträge der Finanzanlagen in einem angemessenen Verhältnis zu den Erträgen realer Wertschöpfung bewegen. Gleichzeitig strebt die Shari'ah die soziale Nachhaltigkeit an. Islamische Banken sind zur Wahrung der Generationengerechtigkeit sowie zur Schaffung von Erwerbschancen und zur Förderung zivilgesellschaftlichen Handelns, im Speziellen durch Zahlung bzw. Eintreibung und Verteilung des Zakat als karitativer Steuer verpflichtet. Dies ermöglicht die Vermarktung islamkonformer Produkte als Socially Responsible Investments, um Kunden über den rein religiösen Hintergrund hinaus anzusprechen. Wachstumsimpulse durch aktuelle politische Entwicklungen Im Jahr 2015 flüchteten etwa 1,1 Millionen Menschen nach Deutschland. Ein beachtlicher Teil von ihnen stammt aus muslimisch geprägten Regionen Nordund Ostafrikas sowie aus dem Nahen Osten. Im ersten Halbjahr 2016 lag die Zahl der beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingegangenen Asylanträge mit knapp 400.000 noch einmal 121,7 Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums, wobei allein 43,2 Prozent der Antragsteller eine syrische Herkunft aufwiesen. Was die Bleibeperspektive dieser meist noch jungen Menschen angeht, lag die Gesamtschutzquote bei den etwa 283.000 im ersten Halbjahr 2016 getroffenen Entscheidungen über Asylanträge bei 61,5 Prozent, bei den knapp 137.000 Antragstellern syrischer Herkunft sogar bei 98,2 Prozent. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist es absehbar, dass sich der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung Deutschlands nachhaltig erhöhen wird. Für islamkonforme Banken kommt dies einer deutlichen Ausweitung des Absatzmarkts gleich. Auch von der Entspannung in den diplomatischen Beziehungen zum Iran könnte das Islamic Banking profitieren. Bisher waren die deutschen Niederlassungen iranischer Institute aufgrund der Finanzsanktionen weitestgehend vom Kapitalmarkt abgeschnitten, während deutschen Anbietern andererseits der Zugang zum weltweit größten Markt für islamische Finanzprodukte verwehrt blieb. Durch die Aufhebung der Finanzsanktionen haben nun auch iranische Geldhäuser die Möglichkeit, aktiv Geschäfte auf dem deutschen Markt zu betreiben. Der „Brexit“ könnte die Entwicklung der Branche in Deutschland zusätzlich begünstigen. Großbritannien nahm bei der Integration islamkonformer Finanzdienstleister bislang eine führende Rolle ein. Bereits im Jahr 2003 erfolgte hier eine Anpassung des Steuerrechts an die Besonderheiten der im Islamic Banking angewandten Vertragsstrukturen. Bei der notwendigen Liberalisierung der Einlagensicherung zeigte das Land einen möglichen Lösungsweg auf, bei dem der Kunde freiwillig auf seinen gesetzlichen Schutz verzichten kann. Fraglich ist jedoch, inwieweit der Standort London nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union seine Attraktivität als Finanzplatz aufrechterhalten kann. Sofern britische Firmen als Reaktion auf den „Brexit“ ins europäische Ausland abwandern, könnte dies auch Wachstumsimpulse für die deutsche Finanzwirtschaft und das Islamic Banking auslösen. Fazit Das Islamic Banking bietet neue Möglichkeiten der Differenzierung in der oft als „overbanked” dargestellten deutschen Bankenlandschaft. Durch das Religious Branding werden religiöse Motive nicht nur zu Marketing- und Vertriebszwecken angesprochen. Durch das nachhaltigkeitsorientierte Partnerschaftsmodell werden die Kundenloyalität, die langfristige Planbarkeit und die Krisenstabilität erhöht. Dass sich das Geschäftsmodell bisher nicht in Deutschland durchsetzen konnte, ist dabei diversen Umsetzungshürden geschuldet. Gerade die problematische Rechtslage hat den Markteintritt und die Geschäftsaktivitäten islamischer Banken erschwert. Aktuelle politische Entwicklungen dürften den Druck auf den Gesetzgeber erhöhen, entsprechende Gesetzesänderungen vorzunehmen. ó Literaturhinweise Ashrati, Mustafa: Islamic Banking, Wertevorstellungen – Finanzprodukte – Potenziale, Frankfurt/Main 2008. Gassner, Michael/Wackerbeck, Philipp: Islamic Finance, Köln 2009. Khoury, Adel Theodor: Der Islam, Freiburg 1988. Momen, Leila: Vertragsmodelle Islamic Finance, Köln 2010. Visser, Hans: Islamic Finance – Principles and Practice, Amsterdam 2009. Yildiz, Ayhan: Islamic Banking in Deutschland, Dortmund 2014. Autoren: Prof. Dr. Oliver Kruse ist Stellv. Rektor der Hochschule der Deutschen Bundesbank, Hachenburg. Jonas Wischermann ist bei der Deutschen Bundesbank im Bereich der Bankenund Finanzaufsicht tätig. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autoren wieder. 10.2016 diebank 55

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