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die bank 10 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ties) und / oder

ties) und / oder Funktionsanforderungen in der Dokumentation sowie öffentlichrechtlich möglicherweise gegen regulatorische Lizenzanforderungen verstoßen. ó Höhere Gewalt (Force Majeure): Force- Majeure-Klauseln enthalten gelegentlich sehr individualisierte Regelungen dafür, was unter sie fallen soll. Auch wenn der Austritt eines Staats aus einer supranationalen Gemeinschaft nicht unbedingt das erste ist, an das man bei „höherer Gewalt“ denkt, ist es doch keineswegs ausgeschlossen, dass dies im Einzelfall unter eine solche Klausel fallen kann und deswegen individuell zu prüfen ist. ó Wesentliche Verschlechterung der Verhältnisse (Material Adverse Change, MAC): Im Prinzip gilt für MAC-Klauseln das Gleiche wie für Force-Majeure-Klauseln. Schwierig ist, dabei zu sagen, wie Gerichte dann mit dem Argument umgehen würden, dass man eine solche Entwicklung habe vorhersehen müssen. ó Andere Nichterfüllungen (Events of Default): Wie zuvor beschrieben können Rating-Herabstufungen, Qualitätsabfälle bei der Besicherung etc. und insbesondere auch der Brexit-bedingte Wegfall von EUrechtlichen Lizenzen zu Kündigungenauslösenden Ereignissen werden. Das betrifft auch Illegality- oder Unlawfulness- Klauseln, die im Einzelfall zu prüfen sein werden. ó Steuern: Auch im Steuer-Kontext werden die individuellen Verbriefungs-Dokumentationen zu prüfen sein, entweder um das eventuelle Auslösen von Kündigungsrechten wegen eines Steuerereignisses vorherzusehen oder z. B. durch Umstrukturierung zu vermeiden. Das betrifft insbesondere jene Fälle, in denen die Parteien auf eine privilegierte Steuerbehandlung auf der Basis von Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem UK und einem oder mehreren EU-Staaten bauen. ó Risikofaktoren in Prospekten: In zahlreichen Prospekten für ABS (mit Bezug zum UK) gab es bereits Risikofaktoren, deren Wortlaut auf Unsicherheiten durch das Referendum bzw. den künftigen Brexit und daraus resultierende Risiken für die Verbriefungstransaktion hingewiesen hat. Während manche im Markt das als „Angstmacherei“ abqualifizieren, weisen andere darauf hin, dass für die Prospektprüfung zuständige Aufsichtsbehörden bereits solche Risikohinweise nachgefragt haben. Wiederum kommt es wohl ganz auf den Einzelfall an. ó Börsennotierung (Listing): Noch haben viele Wertpapier-Emittenten das UK als ihren Heimatstaat für Zwecke der EU-Prospektrichtlinie und der EU-Transparenzrichtlinie sowie die London Stock Exchange für ihre Listings gewählt. Dabei ist naturgemäß unklar, was das Austrittabkommen im Hinblick auf die EU-Pässe unter diesen Richtlinien regeln wird, und/ oder ob es zwecks Erhalt solcher EU-Pässe zu umfangreicheren Abwanderungen aus dem UK bzw. zur Verlagerung von Börsennotierungen kommen wird. Aufsichtsrecht Im Rahmen eines Brexit könnten sich die aufsichtsrechtlichen Regimes für Verbriefungen im UK und in der Rest-EU auseinanderbewegen und so neue Strukturierungs- und Compliance-Herausforderungen zur Folge haben. Wenn das UK eine solche Auseinanderentwicklung in diesem Bereich nicht will, würde es die bisherige EU- und EU-getriebene UK-Gesetzgebung in diesem Bereich zu erhalten und deren künftige Veränderungen zu replizieren haben. Aber ob eine solche Äquivalenz der Regeln ausreichen wird, hängt von den Ergebnissen der Austrittsverhandlungen ab. Ansonsten droht dem UK der Drittstaaten-Status, das heißt eine den USA vergleichbare Position im Hinblick auf den Zugang zum Gemeinsamen Markt mit EU / EWR. All das gilt für eine Vielzahl von auch für Verbriefungen bereits wichtigen Regelungen (CRR, Solvency 2, MiFID / MiFIR, MAD 2 / MAR, BRRD, InsoV, ProspRili u. v. m.) sowie künftigen Regelungen, wobei bei einem Brexit die direkt anwendbaren EU-Verordnungen (z. B. CRR) wegfallen und die Zukunft der Umsetzungen von EU-Richtlinien in nationales Recht (z. B. Solvency 2) noch von UK-Regierung und Parlament zu entscheiden wäre. Hinzu kommt das Problem, dass zahlreiche Verweise auf europäische Behörden unter Umständen ins Leere führen werden; hier könnte eine äußerst umfängliche Einzelanalyse erforderlich werden. Zu einigen Vorschriften noch etwas mehr im Detail: ó CRR: Die Regularien zur regulatorischen Eigenkapitalberechnung für Banken in der Kapitalanforderungsverordnung CRR enthalten auch zahlreiche Vorschriften für Verbriefungen. Auch wenn einzelne Regelungen nicht auf die Baseler Eigenkapitalregeln zurückgehen (namentlich der Originatoren-/Sponsoren- Risikoselbstbehalt, das UK diese also bei Wegfall der CRR nicht im UK-Recht replizieren müsste, um auch weiterhin mit den Baseler Regeln im Einklang zu bleiben), ist eine starke Abweichung vom EU-Recht insoweit doch unwahrscheinlich, da beim Verkauf von Verbriefungspositionen an Investoren im EU- / EWR-Gebiet diese ja weiterhin an die CRR gebunden sind und man auf diesen großen Markt beim Vertrieb wohl kaum verzichten will. ó LCR: Auch die Regeln zur regulatorischen Liquiditätsberechnung von Banken sind in der CRR enthalten, ebenso in einer Delegierten Verordnung (DV) zur Liquidity Coverage Ratio (LCR). Letztere regelt unter anderem die Kategorisierung anerkennungsfähiger Vermögenswerte als hochliquide Aktiva (HQLA) zur Deckung der Liquiditätsanforderungen. Dazu gehören auch bestimmte ABS und RMBS (Typ 2B-Verbriefungen), aber soweit die Referenzwerte solcher Transaktionen KMU-, Automobil-, Verbraucherdarlehen- oder Verbraucherkreditkarten-Forderungen sind, müssen diese in der EU originiert sein. Bei einem Brexit wären UK-ABS also nicht mehr LCR-fähig. Allerdings sollen 16 diebank 10.2016

die Typ 2B-Verbriefungsregeln im Rahmen des STS-Projekts ersetzt werden. ó STS: Fraglich ist zur Zeit, ob die künftigen Regeln über qualitativ hochwertige und deshalb priviligiert zu behandelnde Verbriefungen (Simple, Transparent, Standardised – STS) auch nach einem Brexit auf UK-ABS anwendbar sein werden. Der ursprüngliche STS-Verordnungsentwurf sah nur vor, dass Originatoren, Sponsoren und Kreditgeber regulierte Einheiten sein müssen. Nun ist auch ein EU-Bezug gefordert, zum Beispiel ein unter die MiFID fallendes Unternehmen. Dann würden (post-Brexit) EU- / EWR-institutionelle Investoren vermutlich kaum noch in UK-ABS investieren, da diese nicht als STS qualifizieren würden und ihr Erwerb unter den CRR-und LCR-Regeln zu teuer würde. ó MiFID/ MiFIR: Durch einen Brexit würde das UK seine EU-Pass-Rechte unter der Finanzmärkterichtlinie und -verordnung verlieren und auch insoweit zum Drittstaat werden. Unter den derzeitigen Mi- FID-Regeln aber gibt es kein gemeinschaftliches Drittstaaten-Regime, sondern jeder EU-/EWR-Staat hätte insoweit seine eigenen nationalen Regeln. Das wird sich mit der MiFID II ändern, die vermutlich 2018 die bisherigen Regeln ablösen soll. Dann wird im Hinblick auf Drittstaaten zwischen Retail- und professionellen Kunden unterschieden. In jedem Fall aber wird es darauf ankommen, dass der Drittstaat äquivalente Aufsichts- und Geldwäsche-Regeln etc. vorweisen kann und eine Kooperations- und Steuerregulierungsvereinbarung zwischen den betreffenden Staaten besteht. ó InsVO, WUD, BRRD: Die EU-Insolvenzverordnung (InsoV) würde nach einem Brexit im UK nicht mehr gelten, was Auswirkungen auf die Behandlung der von ihr erfassten Verbriefungsvehikel hätte. Englische Kanzleien betonen in diesem Zusammenhang gern, dass ähnliche Prinzipien und Regeln vielleicht auch unter englischem Recht existieren. Die UK-Umsetzungen der EU-Winding Up-Richtlinie (WUD) über die Sanierung und Liquidation von Banken ebenso wie die der EU-Bankensanierungs- und -abwicklungsrichtlinie (BRRD) könnten nach dem Brexit beibehalten, abgeändert oder abgeschafft werden. Besonders bedeutsam mag in diesem Kontext Artikel 55 BRRD werden, wonach die EU-Mitgliedstaaten den Banken vorschreiben, dass deren relevante Gläubiger eine mögliche Gläubigerbeteiligung (Bail-In) für den Krisenfall der Bank vertraglich akzeptieren müssen. Was im UK-Recht künftig gelten wird, ist derzeit naturgemäß noch offen, aber EU-/EWR-Banken werden auch in jedem Fall von UK-Gläubigern die Bail-In- Akzeptanz vertraglich verlangen, auch in englisch-rechtlichen Verträgen. ó Gedeckte Schuldverschreibungen: Zahlreiche Banken und Building Societies im UK haben Programme zur Ausgabe von gedeckten Schuldverschreibungen (Covered Bonds) ob der Vorteilhaftigkeit für Investoren so gestaltet, dass die Anforderungen der 4. EU-Investmentfondsrichtlinie (OGAW 4) eingehalten werden. Diese aber verlangt, dass der Emittent solcher gedeckten Schuldverschreibungen seinen Sitz in der EU hat. Das wäre post-Brexit so nicht mehr machbar. ó Eurosystem: Eine besonders schwerwiegende Folge eines Brexit ist, dass dann UK-Verbriefungen bei der EZB nicht mehr als Sicherheit für die Refinanzierung von Banken über das Eurosystem genutzt werden können. Um notenbankfähige Sicherheiten zu sein, müssen ABS von einem im EU-/EWR-Raum ansässigen SPV emittiert, von einem dort ansässigen Originator originiert werden, Schuldner und Gläubiger der verbrieften Vermögenswerte müssen ebenfalls im EU-/EWR-Raum ansässig sein und die Sicherheiten sich dort befinden und dem Recht eines solchen Staates unterliegen, ebenso der Erwerb der relevanten Vermögenswerte. Wenn UK-ABS diese Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllen, können diese auch nicht von der EZB im Rahmen ihres ABS- Ankaufsprogramms unter ihrer Quantitative-Easing-Politik erworben werden, was schwere Nachteile für die UK-Verbriefungsindustrie mit sich bringen dürfte. Fazit Der Vorhang zum „Drama Brexit“ ist gerade erst aufgegangen. Schon mangels Klarheit über Beginn, Inhalt, Ablauf und vor allem über das Ergebnis der Austrittsverhandlungen erfordert jede Prognose über den Verlauf des Stücks – zum Beispiel wie sich der Brexit auf Verbriefungstransaktionen und die Verbriefungsindustrie auswirken wird – intensive Kristallkugelleserei. Am Ende könnte es sogar mit Bertolt Brecht heißen: „Der Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Wahrscheinlicher ist freilich eine „Lösung“ per Austrittsabkommen. Aber auch dabei würden beide Seiten vermutlich nichts zu beklatschen haben. Die UK-Verbriefungsindustrie (wie der Rest des Landes auch) dürfte wohl unter dem Brexit stark, die Rest-EU aber mitleiden. Schon heute ist es wichtig, sich über mögliche Brexit-bezogene Probleme in Verbriefungsdokumentationen klar zu werden, d. h. eine sorgfältige und umfassende Due Diligence und Analyse existierender Dokumentationen durchzuführen und gegebenenfalls Vorgaben für künftige solche zu entwickeln. Auch aufsichtsrechtlich werden sich im Hinblick auf zahlreiche EU-Verordnungen und -Richtlinien, aber auch im Hinblick auf die EZB/Eurosystem-Regeln, viele Strukturierungs- und Compliance-Herausforderungen stellen. Ob das UK und die EU am Ende ein für sich befriedigendes oder wenigstens erträgliches Ergebnis erzielen werden, hängt vom Verlauf und den Ergebnissen der Austrittsverhandlungen ab. Keine guten Aussichten, auch nicht für das „zarte Pflänzchen“ europäische Verbriefungsmärkte. ó Autor: Peter Scherer, Rechtsanwalt und LL.M. (IU), GSK Stockmann & Kollegen, Frankfurt am Main. 10.2016 diebank 17

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