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die bank 10 // 2016

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fokussiert. Auch

fokussiert. Auch Frankreich verfügt über einen vergleichsweise traditionellen Finanzsektor und bringt dem internationalen Finanzmarkt noch immer wenig Vertrauen entgegen. Unter den maßgebenden Mitgliedstaaten verfügt einzig das Vereinigte Königreich über ein stark marktbasiertes Finanzsystem und bereichert die Kapitalmarktunion um einen dem internationalen Finanzmarkt gegenüber offenen Einfluss. Entfiele dieser Einfluss des Vereinigten Königreichs infolge des Brexit, würde sich die weitere Entwicklung der Kapitalmarktunion vermutlich insgesamt konservativer gestalten als unter der Federführung der Briten. Brexit als Chance für eine effektive Kapitalmarktunion? Insoweit besteht zwar das Risiko, dass der Brexit das Großprojekt Kapitalmarktunion bremst, dies ist aber nicht die zwingende Konsequenz. Denn das Brexit-Votum könnte die Etablierung der Kapitalmarktunion unter Umständen auch beschleunigen. Die jetzige Ausgangslage legt nahe, dass die Briten zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit Londons als Finanzmetropole Europas, zukünftig auf eine liberalere Regulierung setzen werden, um auf internationale Anleger und Emittenten aufgrund geringerer regulatorischer Anforderungen weiterhin attraktiv zu wirken. Auf der anderen Seite bietet der Brexit den EU-Mitgliedstaaten die Chance, im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Kapitalmarktunion ein neues Selbstverständnis zu entwickeln. Die restlichen Mitgliedstaaten – einschließlich jener, die sich bisher nur in geringem Umfang eingebracht haben – sind fortan gehalten, unabhängig von dem Vereinigten Königreich eigenständig eine attraktive und effektive Kapitalmarktunion zu begründen, um die durch den Brexit hervorgerufene Unsicherheit gegenüber dem Standort London für sich zu nutzen und einen starken Kapitalmarkt innerhalb der EU aufzubauen. Zudem wird durch den Brexit eine wesentliche Bremse für eine effektive Kapitalmarktunion womöglich erst gelöst. Grundvoraussetzung für eine effektive Kapitalmarktunion ist die einheitliche Umsetzung europäischer Vorgaben durch die Mitgliedstaaten. Einen zentralen Kontrollmechanismus auf europäischer Ebene sollte es bislang jedoch nicht geben. Stattdessen sollte die Aufsicht weiterhin dezentral durch nationale Institutionen der Mitgliedstaaten erfolgen. Der damit einhergehende Nachteil liegt auf der Hand. Bei dezentraler Aufsicht ist zu befürchten, dass vorwiegend nationale Interessen und nicht die Interessen der Kapitalmarktunion im Vordergrund stehen und eine effektive Kapitalmarktunion schon daher nicht effektiv gewährleistet werden kann. Allerdings würde die Einrichtung einer zentralen Aufsichtsbehörde der EU oder die Übertragung der Aufsicht auf eine bereits existierende Aufsichtsbehörde, z. B. die European Securities and Markets Authority (ESMA), voraussetzen, dass die Mitgliedstaaten weitere Kompetenzen an die EU übertragen. Im Hinblick auf das Brexit-Referendum wollten aber vor allem die Briten ein Leave-Vote seinerzeit nicht zusätzlich durch eine weitere Kompetenzübertragung an die EU begünstigen. Diese Restriktionen dürften nun aber der Vergangenheit angehören. Auch in dieser Hinsicht ist der Brexit als Chance zu begreifen. Als Chance – und nicht als Risiko – könnte auch die personelle Umbesetzung gesehen werden. So war Jonathan Hill als zuständiger EU-Kommissar für Finanzstabilität und Finanzdienstleistungen nicht unumstritten. Seine Berufung wurde im Europaparlament in der ersten Anhörung abgelehnt und erst nach weiterer kritischer Anhörung bestätigt. Grund hierfür ist Hills frühere Tätigkeit als Finanzlobbyist. Mit Auftraggebern wie der City of London Corporation oder der britischen Großbank HSBC vertrat er oftmals die Interessen der Gegner einer strengeren Kapitalmarktregulierung. Die personelle Veränderung könnte nun dazu führen, dass auch Pläne eines strenger regulierten kontinentaleuropäischen Kapitalmarkts auf weniger Widerstand stoßen und ernsthaft diskutiert werden. Ob die Chancen letztlich genutzt werden, hängt davon ab, wie die restlichen Mitgliedstaaten ihre neue Verantwortung wahrnehmen und ob sie jene Maßnahmen durchsetzen, die für eine effektive Kapitalmarktunion erforderlich sind (z. B. eine Zentralaufsicht oder Schritte in diese Richtung). Maßgeblich ist, wie sich der Brexit konkret vollziehen und sich die anderen federführenden EU-Mitglieder positionieren werden. Premierministerin Theresa May hat inzwischen eindeutig signalisiert, dass das Vereinigte Königreich aus der EU austreten wird, doch das Wann und das Wie sind weiterhin fraglich. Vor allem das Wie ist hierbei entscheidend. Die Briten könnten sich komplett von der EU und damit der Kapitalmarktunion lösen und sich somit verstärkt auf ihren nationalen Kapitalmarkt konzentrieren. Dann gilt es, einen Konkurrenzkampf zwischen den Finanzmärkten um Emittenten und das Kapital nationaler und internationaler Anleger zu verhindern und eine synergetische Koexistenz der beiden Märkte zu schaffen. Hierbei kommt es darauf an, dass der kontinentaleuropäische neben dem britischen Finanzmarkt seine eigene Marktidentität findet. Dabei ist davon auszugehen, dass London auch weiterhin das Finanzmarktzentrum Europas bleiben wird und aufgrund seiner liberaleren Regulierung internationale Investoren und Emittenten, die auf geringe Kosten und praktikable Regularien setzen, anzieht. Auf der anderen Seite bietet das EU-Projekt Kapitalmarktunion dann insbesondere europäischen Investoren und Emittenten einen größeren, weniger fragmentierten europäischen Marktplatz. Dadurch ergä- 12 diebank 10.2016

en sich zwei Märkte, die nebeneinander koexistieren könnten. Die Briten könnten sich aber auch einem ähnlichen Modell wie der Schweiz und Norwegens verpflichten, über bilaterale Staatsverträge an Projekten der EU mitzuwirken. Interessant in diesem Zusammenhang ist insbesondere, ob London Passporting-Rechte für die Erbringung von Finanzdienstleistungen in Kontinentaleuropa gewährt werden. Dann wäre das Vereinigte Königreich weiterhin Profiteur der Kapitalmarktunion, würde sie also weiterhin fördern. Eine zentrale Aufsichtsbehörde oder strengere Regulierungen des Finanzmarkts könnte sie mangels Stimmrechten innerhalb der EU jedoch nicht verhindern. Die Federführung in der Gestaltung der Kapitalmarktunion würde dann allein den Mitgliedstaaten obliegen. Fazit Der Brexit bietet für die Kapitalmarktunion Risiken und Chancen zugleich. Der Austritt des Vereinigten Königreichs nimmt der Kapitalmarktunion einen wichtigen Auftrieb. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Brexit vollziehen wird und insbesondere, ob die Briten Passporting-Rechte erhalten werden. Für die EU wird es wichtig sein, dass die restlichen Mitgliedstaaten fortan die Kapitalmarktunion eigenständiger und unabhängiger vorantreiben, um einen international wettbewerbsfähigen Kapitalmarkt in Europa zu schaffen und so das Momentum der Kapitalmarktunion trotz des Brexits weiter nutzen zu können. Fest steht bislang nur, dass eine Kapitalmarktunion trotz des Brexit und der Ungewissheit über seine Gestaltung kommen wird. Fraglich bleibt nur, welche Rolle die Briten im Rahmen dieser Kapitalmarktunion spielen werden. ó Autor: Dr. Dennis Heuer ist Rechtsanwalt und Partner bei White & Case LLP in Frankfurt/Main. Der Verfasser dankt für die Mithilfe den wissenschaftlichen Mitarbeitern Thorsten Rohde und Alexander Kreibich. 1 Die Kommission definiert KMUs als Unternehmen, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € erwirtschaften oder deren Jahresbilanzsumme höchstens 43 Mio. € beträgt. Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen. Erleben Sie die Digitalisierung der Wirtschaftsauskunft. Die SCHUFA-B2B-Expertise Die digitale Revolution hat die Art, wie wir Geschäfte machen, grundlegend verändert. Genau hier setzen wir an. Mit unseren volldigitalen Prozessen der Informationsbeschaffung, -verarbeitung und -bereitstellung bieten wir Ihnen einzigartige Schnelligkeit, Objektivität und exzellente Datenqualität. Für passgenaue Prognosen und kalkulierbare Geschäftsrisiken. Die Zeit ist reif für Risikomanagement einer neuen Generation. Weitere Informationen finden Sie auf www.schufa.de/ b2b-expertise 10.2016 diebank 13

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