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die bank 10 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

nierung von Eigenkapital

nierung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital (durch die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsausgaben) und der weitgreifenden staatlichen bzw. supranationalen Aufsicht des Bankensektors. Die einseitige Fokussierung auf den Bankensektor („bank-bias“) ist dabei sowohl aus volkswirtschaftlicher, als auch politischer Sicht nicht ideal. Eine aktuelle empirische Studie der EZB kommt zu dem Ergebnis, dass die systemischen Risiken einer bankbasierten Wirtschaftsfinanzierung höher sind als die einer kapitalmarktbasierten – bei tendenziell niedrigerem Wirtschaftswachstum. Zudem hat die europäische Finanzmarktkrise bewiesen, dass eine überproportionale Abhängigkeit vom Bankensektor die europäische Volkswirtschaft über Jahre hinweg lähmen kann, während der US-Markt von diesen Auswirkungen weitestgehend verschont blieb. Aufgrund der einseitigen Fokussierung auf den Bankensektor in der Eurozone und der unheilvollen Rolle der Banken bei der Staatsfinanzierung kämpft die Politik seit Jahren darum, den noch immer angeschlagenen Bankenmarkt zur Finanzierung neuer Projekte zu bewegen. Trotzdem ist seit 2008 die Neukreditvergabe im europäischen Durchschnitt um 40 Prozent zurückgegangen. Dies liegt zum einen an der großen Ungewissheit im Markt, zum anderen an den regulatorischen Erfordernissen. Banken mussten in den letzten Jahren ihre Eigenkapitalpuffer erheblich aufstocken, was dazu führte, dass weniger und zudem weit überwiegend nur sehr sichere Projekte finanziert wurden. Der Zugang zu Finanzmitteln gestaltete sich dadurch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die meist ein schlechteres Risikoprofil als größere Unternehmen aufweisen, weitaus schwieriger. 1 Dabei machen KMU 99,8 Prozent aller Unternehmen in Europa aus, erwirtschaften 58 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung und stellen etwa 67 Prozent der Arbeitsplätze im privaten Sektor. Trotzdem erhielten 2013 rund 35 Prozent der KMU in der Eurozone nicht die gesamte Finanzierung, um die sie ihre Banken gebeten hatten. Dies ist im Hinblick auf deren Stellenwert in der Eurozone besonders problematisch. Trotz dieser Unterfinanzierung durch den Kreditmarkt wendeten sich europäische KMU nicht dem Kapitalmarkt zu. Dies liegt zum einen daran, dass sie den Anforderungen des Kapitalmarkts nicht gerecht werden konnten (z. B. aufgrund hoher Transaktionskosten). Zum anderen wollen sich insbesondere familiengeführte Unternehmen nicht den Transparenzund Offenlegungsanforderungen des Kapitalmarkts unterwerfen. Daher bestehen meistens langjährige Kontakte zu lokalen Banken und insbesondere den Sparkassen, die aufgrund ihrer Nähe und den langjährigen Geschäftsbeziehungen zu den Unternehmen auch qualitative Informationen berücksichtigen können (z. B. Managementkompetenzen). Hieraus erwächst vielerorts ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis, das der Bank ebenfalls als Sicherheit dienen kann („relationship-lending“). Die europäischen Kapitalmärkte sind darüber hinaus nach wie vor fragmentiert und überwiegend national ausgerichtet. Während die Kapitalisierung der Aktienmärkte 2013 im Vereinigten Königreich 121 Prozent des BIP entsprach, waren es in Deutschland 51 Prozent, in Lettland sogar nur 4 Prozent. Schließlich ist seit der Finanzmarktkrise das Vertrauen in die Finanzmärkte und Finanzinstitute erheblich zurückgegangen. Dies führte zu einem erheblichen Rückgang der Liquidität im Markt und beeinträchtigte unter anderem den Verbriefungsmarkt substantiell. Insbesondere durch die Schaffung der Bankenunion konnte verloren gegangenes Vertrauen zwar teilweise wieder zurückgewonnen werden, durch immer neue Krisen ist die Unsicherheit jedoch wieder zurückgekehrt (z. B. durch die „Flüchtlingskrise“ oder den Brexit). Der US-Kapitalmarkt als Vorbild für Europa Die Kommission begründet das Erfordernis einer europäischen Kapitalmarktunion zudem anhand eines Vergleichs mit den USA. Inwieweit die USA jedoch als Vorbild für Europa dienen können, erscheint aufgrund einiger Systemunterschiede fraglich. Unterschiede bestehen insbesondere bei der Altersvorsorge. Durch die kapitalgedeckte Altersvorsorge in den USA fließen weite Teile der Einkommen dem Kapitalmarkt zu. Diese Mittel fehlen dem europäischen Kapitalmarkt. Zwar wird zunehmend auch in Europa die Bedeutung der kapitalgedeckten Altersvorsorge erkannt (Stichwort: umgekehrte Alterspyramide). An der strukturellen Ausrichtung auf die Umlagefinanzierung ändert dies gegenwärtig jedoch wenig. Unterschiede bestehen weiterhin in der Struktur des Hypothekenmarkts. Während Hypotheken in Europa weitestgehend kreditfinanziert sind, überwiegt in den USA eine Finanzierung mittels Anleihen. 10 diebank 10.2016

Aufgrund dieser Unterschiede kann keine einfache Kopie des US-Kapitalmarkts angestrebt werden. Es kommt vielmehr auf eine Verknüpfung von Kapitalund Kreditmarkt an. Hierfür bieten sich etwa Schuldscheindarlehen, Kreditfonds und Verbriefungen an, bei denen die traditionelle Beziehung zwischen Unternehmen und Bank gewahrt bleibt. Gleichzeitig ermöglichen solche Kapitalmarktinstrumente den Banken, über die Kapitalmarktnutzung Bilanz, Eigenkapital und Finanzierungskennziffern zu entlasten, um so aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen gerecht zu werden. Initiative der EU-Kommission Zur Umsetzung der europäischen Kapitalmarktunion veröffentlichte die EU- Kommission ein Grünbuch und einen Aktionsplan. Das Grünbuch verweist zum einen auf eine Reihe bereits bestehender Maßnahmen (etwa die Rechtsvorschriften über Märkte für Finanzinstrumente MiFID II und MiFIR, Marktmissbrauch MAD II und MAR, Verwalter alternativer Investmentfonds AIFM-Richtlinie, europäische Marktinfrastrukturen EMIR und Zentralverwahrer CSD-VO). Zum anderen wurden kurzfristige, mittelfristige und langfristige Maßnahmen für verschiedene Bereiche festgelegt und in einem Aktionsplan mit einer zeitlichen Dimension versehen. Dabei wird ein Großteil der im Grünbuch angekündigten Maßnahmen auch im Aktionsplan weiterverfolgt. Vorerst zurückgestuft hat die Kommission einheitliche EU- Regeln zu Kreditinformationen über KMU, Privatplatzierungen und zum Crowdfunding. In der öffentlichen Konsultation ist klargeworden, dass diese Bereiche entweder eher lokalen Charakter haben oder sehr länderspezifisch geregelt sind. Insgesamt sollen Anleger und Unternehmen mit Finanzierungsbedarf wirksamer und kostengünstiger zusammengebracht werden, und zwar sowohl innerhalb der Mitgliedstaaten als auch grenzübergreifend. Brexit als Bremse der Kapitalmarktunion? Die Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion wird ganz überwiegend positiv gesehen, jedoch bleibt die weitere Umsetzung im Rahmen der Brexit-Debatte fraglich. Mit London als Finanzzentrum Europas stellt das Vereinigte Königreich unter den Mitgliedstaaten naturgemäß die stärkste treibende Kraft für eine europäische Regelung des Finanzsektors dar. Darüber hinaus war es der renommierte britische Finanzmarktkommissar Jonathan Hill, dessen Bemühungen die Idee einer Kapitalmarktunion zu einem handfesten Plan werden ließen. Anlässlich des Brexit-Votums am 23. Juni 2016 entschied sich Jonathan Hill jedoch, sein Amt als Kapitalmarktkommissar nicht länger fortzuführen und trat zurück. Der Verlust Hills als größter Verfechter der Kapitalmarktunion legt bereits die Vermutung nahe, dass das Brexit-Votum für das Fortkommen der Kapitalmarktunion nicht folgenlos bleibt, jedenfalls aber dem politischen Momentum der Kapitalmarktunion schwer zusetzen könnte. Gemäß den EU-Verträgen müsste die britische Regierung nach Jonathan Hills Abtritt einen Nachfolger nominieren. Da dies bisher nicht geschah, übernahm der Lette Valdis Dombrovskis zunächst interimistisch die Aufgaben Hills. Dombrovskis war bisher als Vizepräsident für den Euro und den sozialen Dialog tätig und übernimmt fortan zusätzlich die operative Leitung der Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion. Wenngleich sich Dombrovskis jetzt mit einem erheblichen Aufgabenpensum konfrontiert sieht, kann er sich doch am Aktionsplan orientieren, der bereits die nächsten Schritte bis 2018 skizziert. Die bereits bestehenden Strukturen und die kaum bis nicht veränderte personelle Besetzung unterhalb des Kommissars sollten Dombrovskis weiterhin eine funktionierende Infrastruktur und gute Unterstützung bieten. Entsprechend sind durch die personelle Veränderung nur geringe Abweichungen der bisherigen Vorgehensweise unter Jonathan Hill zu erwarten. Allerdings ist zu bedenken, dass ohne das Vereinigte Königreich ein großer Treiber für die Kapitalmarktunion fehlen wird. Im Wesentlichen haben bislang das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland die Entwicklung einer europaweiten Regelung des Finanzsektors bestimmt. Andere Mitgliedstaaten, die über einen ausgeprägten nationalen Finanzmarkt verfügen (z. B. die Niederlande, Schweden, Belgien), haben in der Vergangenheit kaum nennenswerte eigene Initiativen eingebracht, sondern sahen ihre Interessen bisher durch die Beiträge des Vereinigten Königreichs repräsentiert. Frankreich und Deutschland verfügen zudem über ein bankorientiertes Finanzsystem und verstehen die Kapitalmärkte eher als Ergänzung ihrer bereits weit entwickelten Kreditmärkte. Bezüglich der Unterstützung und Finanzierung von KMU ist Deutschland vorwiegend auf seine öffentlich-rechtlichen Banken, also Sparkassen, Landes- und Förderbanken, 10.2016 diebank 11

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