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die bank 10 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT 9 Mrd.

ó FINANZMARKT 9 Mrd. €. Im zweiten Quartal 2015 schossen die Geschäfte zwar signifikant um fast 58 Prozent auf 57.157 in die Höhe, der Umsatz ging jedoch wieder um 23 Prozent auf 1,6 Mrd. € zurück. Eine Entwicklung, die die Börse mit dem Wechsel der Anleger von Anleihen zu Aktien erklärt. Großen Spaß kann einem Börsenchef in Deutschland der Handel mit Wertpapieren ohnehin nicht machen. Hatten zu Zeiten des Neue-Markt-Booms im Jahr 2000 noch 6,2 Mio. Deutsche Aktien gehalten, ging diese Zahl nach dem Zusammenbruch dieses Marktsegments kontinuierlich zurück, um nach einem kleinen Zwischenhoch in 2012 wieder zu sinken – zuletzt 2014 auf 4,14 Mio. So errechnete es das Deutsche Aktieninstitut. Selbst immer wieder neue Rekordhochs der Indizes Dax & Co. lassen keine echte Euphorie aufkommen. Auch die stetig steigende Regulierung sei schuld, findet Dirk Elberskirch. „Viele Anleger haben Aktien nicht auf dem Radar, weil der allgemeine Kenntnisstand über Dividendenwerte zu gering ist und Banken sich aus der Beratung zurückziehen.“ Ein bedeutungsvoller Schritt war es deshalb, die Postbank an den Handelsplatz Quotrix anzubinden, denn das Institut verwaltet mehrere hunderttausend Depots für ihre Kunden. So richtig scheint sich auch Jörg Walter mit der mauen Aktienkultur nicht arrangieren zu wollen. Unermüdlich wirbt er für diese Anlageklasse, bei Veranstaltungen der Börse, bei Messen und Börsentagen. „So oft wie möglich suche ich das Gespräch mit dem privaten Anleger, auch wenn der nicht direkt unser Kunde ist. Als Kunde der Bank entscheidet er aber durchaus bei der Wahl des Börsenplatzes mit.“ Wie sein Kollege Artur Fischer versucht Walter mit Services für die Handelsteilnehmer zu punkten. „Gibt es Fragen oder Probleme bei einer Order, können unsere Kunden über eine Hotline binnen kürzester Zeit die Handelsüberwachungsstelle erreichen.“ Für welchen Börsenplatz sich ein Anleger letztlich entscheidet, hängt laut einer Umfrage der Börse Düsseldorf unter börsenaffinen Kunden vor allem von der Transparenz bei den Preisen ab. 83 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen ein verbindlicher Preis vor der Ordervergabe „sehr wichtig“ sei. 75 Prozent nannten Liquidität als weiteres ausschlaggebendes Kriterium für einen Börsenplatz. Mehr als die Hälfte gab an, dass sie bei der Ordervergabe den Börsenpatz immer selbst bestimme. Angesichts der Vielfalt der Börsenplätze und neuer Wettbewerber wie Tradegate fällt die Wahl jedoch nicht leicht. Für Prof. Dr. Peter Gomber von der Uni Frankfurt steht zwar fest, dass die Privatanleger, aber insbesondere auch ihre Banken bzw. Broker, durch diesen Wettbewerb in Form neuer Services und auch in Bezug auf die Handelskosten profitierten. „Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, ob der Anleger die Vielfalt der Angebote noch überblicken und den für ihn wirklich besten Marktplatz sowohl im Hinblick auf die Gebühren als auch im Hinblick auf die Qualität der Orderausführung identifizieren kann.“ Anleger schätzen Transparenz Die hochschwingenden Stahlbögen, die pfotenartigen Stützen und die „schuppige“ Fassade des Berliner Ludwig-Erhard- Hauses sollen nach dem Willen des britischen Architektenteams ein Gürteltier nachempfinden. Biologen wissen, dass Gürteltiere die einzige überlebende Säugetierfamilie der sogenannten Gepanzerten Nebengelenktiere sind. Eine gewisse Symbolkraft hat das schon. Den immer härter werdenden Existenzkampf leugnen die Chefs der Berliner Börse zwar keineswegs. Aber sie scheinen zuversichtlich, dass auch kleine Börsen in einer globalen Welt überleben können. Walter und Fischer sind überzeugt: „Mit unseren zwei, auf die jeweils unterschiedlichen Nutzerbedürfnisse ausgerichteten Handelsplattformen ist die Börse Berlin für die künftigen Herausforderungen bestens gerüstet.“ ó Die Chefs An ihre ersten Aktienkäufe können sich Jörg Walter (Foto rechts) und Artur Fischer noch bestens erinnern. Walter kaufte mit 15 Jahren Papiere von Hoechst, Fischer setzte bei seiner Premiere auf IG Farben. Heute ist der persönliche Handel mit Wertpapieren für beide tabu, zu groß wäre die Gefahr eines Interessenkonflikts. Walter ist seit 2000 Vorstand der Berliner Börse. Unter Walters Führung verlängerte die Börse Berlin die Handelszeiten und weitete das Berliner Angebot an internationalen Wertpapieren deutlich aus. Im Vorstand ist der gebürtige Berliner verantwortlich für den maklergestützten Xontro-Handel. Seine Karriere startete der heute 60-Jährige als selbstständiger Rechtsanwalt und ging danach in die Rechtsabteilung der Handelskammer zu Berlin. Artur Fischer (Foto links) rückte im April 2007 in den Vorstand der Börse. Unter dem heute 61-Jährigen gingen die Berliner eine Mehrheitsbeteiligung am europäischen Nasdaq-Ableger Easdaq NV in London ein und damit auch an der vollelektronischen Handelsplattform Equiduct. Der Finanzfachmann entwickelte ein innovatives Handelssystem und baute als Executive Director von Easdaq und CEO von Equiduct ein europaweites Vertriebssystem für die Handelsplattform auf. Seine Karriere startete der gebürtige Hesse bei Banken und der Frankfurter Börse AG, wo Fischer die konzeptionelle und technische Realisierung des Aktienindex DAX verantwortete. Es folgten Stationen im Vorstand einer englischen Tochter der Hypo Bank und als Konzernbereichsleiter Organisation Investmentbanking und COO der Londoner Niederlassung der Bankgesellschaft Berlin. Von 2000 an arbeitete Fischer als Unternehmensberater, bevor er zur Börse Berlin stieß. 36 diebank 10.2015

FINANZMARKT ó Regionalbörsen ohne Zukunft? INTERVIEW Prof. Dr. Peter Gomber, der seit 2004 die Professur für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Frankfurt innehat, erläutert im Interview mit diebank wie die deutschen Regionalbörsen aufgestellt sind. Der 49-Jährige ist Mitglied des Börsenrats der Frankfurter Wertpapierbörse und sitzt im Wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Aktieninstituts. Gomber: Ja, wir sehen im Moment eine Konsolidierung von Plattformen, aber immer wieder auch neue Wettbewerber, die den Markt weiter fragmentieren. Diese Entwicklung stellt die Regionalbörsen natürlich vor die grofi INTERVIEW diebank: Herr Professor Gomber, der größte Teil der Wertpapiertransaktionen in Deutschland wird über die elektronische Handelsplattform XETRA abgewickelt. Dennoch ist es immerhin sechs Regionalbörsen gelungen zu überleben. Was hat deren Überleben bislang begünstigt? Gomber: Einigen Regionalbörsen ist es in der Vergangenheit gut gelungen, Nischen – etwa im Bereich strukturierter Produkte oder Fonds – zu besetzen oder mit innovativen Ideen wie beispielsweise die Ausweitung der Handelszeiten immer wieder, wenn auch zum Teil nur kurzfristig, Interesse bei Privatanlegern zu generieren. Trotzdem muss man natürlich auch sehen, dass die Regionalbörsen zum Teil nur deshalb überlebt haben, weil es politischer Wille im jeweiligen Bundesland ist, eine eigene Börse zu haben. diebank: Anders als in Deutschland hat weltweit ein Trend zur Konsolidierung stattgefunden. Gleichzeitig sind aber auch neue Handelsplattformen etabliert worden, wie BATS-Chi-X und die mehrheitlich zur Deutschen Börse gehörende Tradegate für Privatanleger. Was bedeutet diese Entwicklung für die deutschen Regionalbörsen? ße Herausforderung, nicht nur im deutschen Markt konkurrenzfähig zu sein, sondern auch die neuen Wettbewerber in Europa genau analysieren zu müssen. Trotzdem muss man feststellen, dass beim Wettbewerb um den deutschen Privatanleger die neuen europäischen Plattformen nur eine untergeordnete Rolle spielen, da dieser Wettbewerb sich bisher primär auf die institutionellen Marktteilnehmer und deren Orderströme bezieht. diebank: Berlin setzt auf eine Zwei-Säulen- Strategie mit den zwei Plattformen Xontro und Equiduct. Wie bewerten Sie dieses Geschäftsmodell? Gomber: Grundsätzlich ist es natürlich geschickt, nicht nur im nationalen Wettbewerb aktiv zu sein, sondern auch die europäischen Handelsströme als Zielmarkt zu adressieren. Mit Equiduct ist dies jedoch bisher nur eingeschränkt gelungen, und man wird abwarten müssen, inwieweit hier zukünftig, zum Beispiel im Kontext der MiFID II/MiFIR, neue Potenziale erschlossen werden können. diebank: Wie stark schätzen Sie die Geschäftsmodelle der Konkurrenz in München, Stuttgart, Hannover/Hamburg und Düsseldorf ein? Gomber: Viele der aktuellen Aktivitäten der Regionalbörsen sind Me-too-Ansätze, und man versucht erfolgreiche bzw. vermeintlich erfolgreiche Ansätze der Konkurrenz zu replizieren. Dies alleine wird langfristig nicht tragfähig sein, sondern es gibt Bedarf für eine klare Abgrenzung und erfolgreiche Kommunikation des Werts der jeweiligen Plattform für den Anleger. diebank: Unter ihrem neuen Chef Karsten Kengeter macht die Deutsche Börse Tempo. Der Konzern kauft die Devisenplattform 360T für 725 Mio. € und wird die Indexanbieter Stoxx und Indexium künftig allein besitzen. Haben solche Großeinkäufe Auswirkungen auf die regionalen Marktplätze? Gomber: Sowohl im Bereich der Indexangebote als auch im Bereich des FX-Handels spielen die Regionalbörsen heute nur eine untergeordnete oder keine Rolle. Daher dürften diese Zukäufe keine direkten Auswirkungen auf die Regionalbörsen haben. diebank: Ein Blick in die Zukunft: Wie sieht die deutsche Börsenlandschaft in zehn Jahren aus? Gomber: Obwohl solche Prognosen bei der heutigen Dynamik der Märkte und in der Regulierung fast unmöglich sind, sehe ich das wahrscheinlichste Szenario in einer Konsolidierung, die aber nicht zu einem völligen Verschwinden der Regionalbörsen führt. diebank: Herr Professor Gomber, vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Eli Hamacher. 10.2015 diebank 37

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