REGULIERUNG zur Neugestaltung von Produkten oder Dienstleistungen zur Erreichung von Klimazielen gehören dazu. IFRS 7 (Financial Instruments Disclosures) schreibt die Offenlegung von Informationen insbesondere über die Art und das Ausmaß von Risiken von Finanzinstrumenten sowie über die Art von deren Steuerung vor. Klimabezogene Sachverhalte können eine Bank in Bezug auf Finanzinstrumente Risiken aussetzen. Zum Beispiel kann es für Kreditgeber notwendig sein, Informationen über die Auswirkungen klimabezogener Sachverhalte auf die Messung der erwarteten Kreditverluste oder auf die Konzentration des Kreditrisikos bereitzustellen. Der zentrale IFRS 9 (Financial Instruments) verlangt bei der Erfassung und Bewertung von erwarteten Kreditverlusten die Verwendung von allen angemessenen und vertretbaren Informationen, die ohne unangemessene Kosten oder Aufwand zur Verfügung stehen. Da es beim Thema „Auswirkung des Klimawandels“ an kostenlosen Studien nicht mangelt, sind von den Banken die dort aufgeworfenen Aspekte zu berücksichtigen. Die erwarteten Verluste einer Bank sollen den Studien zufolge durch eine ganze Reihe von Ereignissen deutlich ansteigen. So ist es möglich, dass klimabezogene Sachverhalte die Bonität der Kreditnehmer verschlechtern (Ausfallwahrscheinlichkeit) und damit die erwarteten Verluste einer Bank vergrößern. Klimabezogene Aspekte können sich durch eine Änderung der Ansichten der Marktteilnehmer auf die Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten zum beizulegenden Zeitwert gem. IFRS 13 (Fair Value Measurements) in der Bilanz auswirken. So benutzen die in Level 3 der Fair-Value-Hierarchie angewendeten internen Verfahren zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts nicht beobachtbare Inputfaktoren der Marktteilnehmer – wie auch die Klimafaktoren – zur Bewertung. Der Rechnungslegungsstandard verlangt auch eine Beschreibung der Sensitivität dieser Bewertung in Bezug auf Änderungen der nicht beobachtbaren Inputfaktoren. Eine Änderung der Klima-Inputfaktoren dürfte zu einem wesentlich niedrigeren beizulegenden Zeitwert führen. Klimabezogene Ereignisse können die Annahmen beeinflussen, die zur Bewertung der Verbindlichkeiten aus Versicherungsverträgen unter Anwendung von IFRS 17 (Insurance Contracts) getroffen werden. Demgegenüber können Klimafaktoren die Häufigkeit oder das Ausmaß der versicherten Ereignisse erhöhen oder den Zeitpunkt ihres Eintretens beschleunigen. Beispiele für versicherte Ereignisse, die von klimabezogenen Angelegenheiten betroffen sein könnten, sind Betriebsunterbrechungen, Sachschäden, Krankheit und Tod. 44 09 | 2023
REGULIERUNG Zentrale Ziele der Rechnungslegung Zentrales Ziel der HGB- und IFRS-Rechnungslegung ist die Ermittlung des Periodengewinns, wobei es sowohl in der Herangehensweise als auch in den zugrunde liegenden Prinzipien wesentliche Unterschiede gibt. Der anschaffungswertorientierte (vorsichtige) Gewinn in der HGB-Rechnungslegung dient der nominalen Kapitalerhaltung verbunden mit Ausschüttungssperren zum Schutz der Gläubiger (Gläubigerschutz und kapitalerhaltungsorientierte Bilanzierung). Die nationalen Rechnungslegungsvorschriften und -standards verlangen, dass Einzelunternehmen in Deutschland einen HGB-Einzelabschluss erstellen. Die IFRS-Rechnungslegung zielt darauf ab, Investoren und anderen Stakeholdern ein möglichst realistisches Bild der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens zu vermitteln (Informationsfunktion). Der informative IFRS-Gewinn – generiert aus der Fair-Value-Bewertung – dient als Prognosemaß zur Einschätzung der künftigen Periodengewinne für die Investoren und als Performance-Maßstab zur Beurteilung der Leistung des Managements (Investor- und kapitalmarktorientierte Bilanzierung). Die Berücksichtigung von erwarteten Verlusten kann sowohl im HGB als auch nach den IFRS-Regelungen vor dem Hintergrund der verschiedenen Zielsetzungen als sachgerecht beurteilt werden. Die HGB-Rechnungslegung betont den Gläubigerschutz und basiert auf dem Vorsichtsprinzip, um alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen. Dazu zählen auch die erwarteten Verluste. Einzel- sowie Pauschalwertberichtigungen und Rückstellungen müssen dem Vorsichtsprinzip Rechnung tragen. Der IFRS-Ansatz enthält deutlich mehr konkrete Vorgaben zur Ermittlung der Kreditrisikovorsorge als das HGB, wie die Berücksichtigung zukünftiger Risiken, soweit dazu entsprechende quantitative und qualitative Informationen bekannt sind. Es ist anzumerken, dass das ECL-Modell komplex ist, und dass es viel Ermessensspielraum bei der Schätzung erwarteter Verluste lässt (siehe EZB-Blogbeitrag). Selbst bei identischen Ausgangsbedingungen wird man in den beiden Rechnungslegungsstandards selten den gleichen erwarteten Verlust ausweisen. Das gilt nach der IFRS-9-Analyse der EZB auch für den Vergleich der Banken untereinander, da IFRS 9 sehr detaillierte Vorgaben mit erheblichen Ermessenspielräumen enthält. Klima- und Umweltrisiken Die HGB- und IFRS-Rechnungslegungsvorschriften erlauben nach unserer Beobachtung keinen soliden, umfassenden und einheitlichen Ansatz zur Bildung von Risikovorsorgepositionen für erwartete Verluste aus ESG-Faktoren. So gehen auch aktuelle Studien wegen der derzeitigen schlechten Datenbasis und den bestehenden Informationslücken davon aus, dass Klima- und Umweltrisiken in den Bewertungen nicht ausreichend oder überhaupt nicht eingepreist sind. 10 Trotz der bekannten Unsicherheiten über Bestand, Höhe und Art des künftigen Schadens aus ESG-Risiken muss die Bilanzierung diese Risiken erfassen. Die Quantifizierung einer Risikovorsorgeposition für die multidimensionalen ESG- Herausforderungen ist sehr schwierig. State-of-the-Art-Methoden für dieses Unterfangen müssen noch entwickelt werden. Auch müssen erwartete Verluste nicht nur für den wichtigen Kreditrisikobereich, sondern für alle relevanten Vermögenswerte und Verpflichtungen der Banken bestimmt werden. Dazu kommt, dass die Rechnungslegungswerke mit ihren Ansätzen die Dynamik und Langfristigkeit des Nachhaltigkeitsproblems nicht vollumfänglich erfassen können. Erwartete Verluste aus ESG-Risiken müssen aufgrund des HGB-Vorsichtsprinzips und der Vorgaben für Pauschalwertberichtigungen unbedingt berücksichtigt werden. Das HGB benötigt als prinzipienbasierter Rechnungslegungsstandard keine explizite Anleitung für die Berücksichtigung von ESG-Faktoren, abgesehen von den genannten Offenlegungsvorgaben. Es gibt auch mit der ESG-Situation vergleichbare Sachverhalte für Unternehmen, die langfristiger und dynamischer Natur sind und bei der Forderungsbewertung berücksichtigt werden müssen. Beispiele hierfür ist ein Investitionsstau (veraltete Techniken), ein verändertes Nachfrageverhalten (wie z. B. Plastik- vs. Papierverpackungen), Produkte sind nicht mehr absetzbar, geopolitische Unsicherheiten, unsichere Nachfolgeregelungen sowie steuerliche Anreize oder Förderinstrumente fallen vielleicht weg (wie in der Landwirtschaft der alte „Butterberg“ im Jahre 2007). ESG-Risikovorsorge Eine Lösung des Problems der bankinternen Bestimmung der erwarteten Verluste aus ESG- Faktoren wäre die Einführung einer pauschalen ESG-Risikovorsorge in Anlehnung an die bankaufsichtliche Behandlung von Länderrisiken in den 1980er und 1990er Jahren. Damals war von den Banken der Bestand für pauschalierte EWB, Rückstellungen sowie Pauschal- 09 | 2023 45
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