REGULIERUNG BEHANDLUNG VON ERWARTETEN ESG-VERLUSTEN IN BANKBILANZEN Eine pauschalierte Risikovorsorge könnte die Lösung sein Die Behandlung von erwarteten Verlusten durch ESG-Faktoren in der Bankbilanz hat sowohl nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) als auch nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) erhebliche Auswirkungen auf die Finanzberichterstattung von Banken. In diesem Beitrag untersuchen die Autoren die Unterschiede in der Erfassung und Bewertung von erwarteten Verlusten nach HGB und IFRS und analysieren deren Auswirkungen auf die Bilanzierung von Kreditrisiken in Banken. Sie berücksichtigen dabei die relevanten Vorschriften und Standards der beiden Rechnungslegungssysteme sowie deren Hintergrund und Zielsetzungen. Es wird ein bilanzieller ESG-Risikovorsorgepuffer als gangbarer Weg zur Berücksichtigung von erwarteten Verlusten in den verschiedenen Rechnungslegungsstandards vorgeschlagen. Die angemessene Behandlung von erwarteten Verlusten in der Bankbilanz ist von großer Bedeutung, um die finanzielle Stabilität von Banken zu gewährleisten und Anlegern verlässliche Informationen über das Institut zu liefern. Der Begriff „erwartete Verluste“ bezieht sich auf den durchschnittlichen Verlust, der aus einer Investition oder einem Kredit erwartet wird. Die Bilanzierung von erwarteten Verlusten ist eng mit dem Kreditbereich verbunden. Wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Kreditnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nur unvollkommen nachkommen kann, müssen Banken diese erwarteten Verlustbeträge bewerten und insbesondere in ihrer Bilanz erfassen. ESG-Faktoren – insbesondere die Auswirkungen des Klimawandels – werden nicht ohne Auswirkungen auf die Finanzstabilität bleiben. Das Akronym ESG steht dabei für Environmental, Social und Governance (auf Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). So werden mit großer Wahrscheinlichkeit „erwartete“ klimabezogene Ereignisse, wie extreme Wetterereignisse oder der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, mit finanziellen Verlusten für Kreditnehmer einhergehen. Auch können physische Schäden an Immobilien und Infrastrukturen entstehen. Möglicherweise müssen Vermögenswerte abgeschrieben werden, da sie in einer „grüneren“ Wirtschaft weniger wertvoll sind. Für Banken kann dies zu erheblichen Kreditausfällen führen. Vor dem Hintergrund haben Aufsichtsbehörden und Rechnungslegungsstandards zunehmend den Druck auf Banken erhöht, erwartete Verluste aus ESG-Faktoren im Risikomanagement und in den Bilanzen zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass Banken insbesondere auch ESG-bedingte zukünftig erwartete Verluste aus ihrem Kreditportfolio bewerten und entsprechende Risikovorsorge 36 09 | 2023
REGULIERUNG bilden müssen. Dieser präventive Ansatz soll sicherstellen, dass Banken ausreichend kapitalisiert sind, um potenzielle Verluste abzudecken. Gleichzeitig sollen die Maßnahmen das Vertrauen der Anleger und Stakeholder in die finanzielle Robustheit der Banken gewährleisten. Sowohl das Handelsgesetzbuch (HGB) als auch die International Financial Reporting Standards (IFRS) bieten Rahmenbedingungen für die Bilanzierung von erwarteten Verlusten, die jedoch in einigen Aspekten voneinander abweichen. Die Unterschiede in der Behandlung von erwarteten Verlusten nach HGB und IFRS haben Auswirkungen auf die Finanzberichterstattung von Banken und können zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dieser Beitrag untersucht die HGB- und IFRS-Vorschriften zur Erfassung von erwarteten Verlusten im Allgemeinen und im Kontext der ESG-Faktoren und analysiert deren Auswirkungen auf die Bilanzierung von Kreditrisiken in Banken.1 Darüber hinaus werden auch die Konvergenzbestrebungen zwischen HGB und IFRS hinsichtlich der Behandlung von erwarteten Verlusten betrachtet, um mögliche zukünftige Entwicklungen zu berücksichtigen. ESG-Faktoren Die steigende Bedeutung der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitrisiken im Rahmen des Risikomanagements von Banken lässt den ESG-Aspekt in den Mittelpunkt der derzeitigen Aufsichtsbestrebungen rücken. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) definiert Nachhaltigkeitsrisiken als Ereignisse oder Bedingungen aus den ESG- Bereichen, deren Eintreten tatsächlich oder potenziell negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines beaufsichtigten Unternehmens haben können. ESG-Faktoren sollen auch im Rahmen nachhaltiger und verantwortungsbewusster Investitionen und Finanzierungen berücksichtigt werden. Der Übergang von einem theoretischen Konzept der ESG-Faktoren und einer Anlegerpräferenz zu regulatorischen Anforderungen – wie die von der BaFin Ende Juni 2023 veröffentlichten Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) verlangen – stellt eine Herausforderung für die Banken 09 | 2023 37
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