DIGITALISIERUNG DIE REPUBLIK EL SALVADOR IM ÜBERBLICK Die Republik El Salvador liegt in Mittelamerika und hat 6,5 Millionen Einwohner. Die offizielle Landessprache ist Spanisch, die Währung ist neben dem Bitcoin seit 2001 der US-Dollar (US-$). Zuvor hatte das Land eine eigene Währung namens Colón. Etwa ein Drittel der El Salvadorianer lebt im Ausland, rund ein Fünftel der Bevölkerung in den USA. Die im Ausland lebenden Personen tragen zur salvadorianischen Wirtschaft bei, indem sie Überweisungen zur Unterstützung ihrer Familien in ihrem Heimatland tätigen (sogenannte Remittances). In den 1980-er Jahren wurde El Salvador von einem Bürgerkrieg erschüttert, dessen Folgen sich bis heute durch eine ausgeprägte Bandenkriminalität sowie den Vertrauensverlust in Banken und staatliche Institutionen bemerkbar machen. Auch die Einführung des US-$ als offizielle Währung im Jahr 2001 hat die Wirtschaft El Salvadors stark beeinträchtigt. Das Land kann kein eigenes Geld drucken und ist daher vollständig auf ausländisches Kapital angewiesen, wenn es darum geht, inländische Projekte zu finanzieren. Dies schränkt den Zugang zu Investitionsmitteln stark ein. Darüber hinaus kann El Salvador nicht mit geldpolitischen Maßnahmen auf die Wirtschaftslage reagieren und ist von der US-Geldpolitik abhängig. Hohe Haushaltsdefizite und eine anhaltend expansive Fiskalpolitik haben in den vergangenen Jahren zu einer schnell wachsenden Staatsverschuldung geführt. Im Januar 2023 werden Schulden in Höhe von 800 Mio. US-$ fällig. Um das Geld zurückzahlen zu können, hat die Regierung den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe gebeten. Der übliche Ausweg wäre ein multilaterales Darlehen. Der IWF hat die Verhandlungen um ein Kreditpaket in Höhe von 1,3 Mrd. US-$ jedoch aufgrund des Bitcoin Law gestoppt. Präsident Bukele hält trotzdem an der Krypto-Währung fest und versucht, die Finanzierungsprobleme derweil kreativ mithilfe von Bitcoin zu lösen. 54 09 | 2022
DIGITALISIERUNG Die Volatilität ist das größte Problem Das wahrscheinlich größte Problem stellt jedoch die Volatilität des Bitcoin-Kurses dar, siehe ÿ 1. Im September letzten Jahres verzeichneten viele Bitcoin-Nutzer in El Salvador durch steigende Kurse positive Saldenentwicklungen in ihren Wallets. Gleiches gilt für die Entwicklung des Bitcoin-Staatsfonds, den Präsident Bukele als Teil des Projekts geschaffen hat. Als die Kurse anfingen zu fallen, kaufte El Salvadors Regierung stets Bitcoin nach. El Salvador erwarb rund 2.300 Bitcoins zu einem Kurs von 45.000 US-$, insgesamt also für circa 105 Mio. US-$. Mitte Juni 2022 waren diese Reserven lediglich noch ca. 52 Mio. US-$ wert. Bukele bleibt bei seiner Buying-the-dip-Strategie und veröffentlicht via Twitter stets neue Posts, in denen er von günstigen Bitcoin-Käufen berichtet, siehe ÿ 2. Unter https://nayibtracker.com lässt sich verfolgen, zu welchen Kursen der Präsident Bitcoins nachgekauft hat. Bukeles Finanzminister Alejandro Zelayashowed bezeichnet das fiskalische Risiko des aktuellen Bitcoin-Crashs als äußerst gering, da keine Bestände der Krypto-Währung verkauft und demnach Verluste nicht realisiert worden seien. Kleinunternehmer aus El Salvador bekamen die fallenden Preise jedoch am eigenen Leib zu spüren und bevorzugen nun wiederum Zahlungen in bar. Bitcoin-Kurs ist aktuell unter Druck Die straffe Geldpolitik der Notenbanken, der Ukraine-Krieg sowie weitere Unsicherheiten im globalen Wirtschaftssystem setzen den Bitcoin-Kurs aktuell unter Druck. Dabei gehören Schwankungen im Bitcoin-Kurs zur Normalität. Betrachtet man die Vergangenheit, so erkennt man, dass die Kurse ebenso schnell wieder nach oben schnellen können und durch eine hohe Volatilität charakterisiert sind. Eine Besonderheit des aktuellen Crashs ist jedoch, dass aufgrund der Inflationsent- wicklung die Geldpolitik der Fed eine Zinswende mit sich bringt. Im Umfeld niedriger Zinsen wurden Investoren in riskantere Assets getrieben, um ihre Renditen zu steigern. Das ist Vergangenheit. Ein günstiges Umfeld für spekulative Anlagen wie Krypto-Währungen wird es auf absehbare Zeit nicht mehr geben. Viele Regierungen versuchen mit der Einführung digitaler Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies, CBDC) ähnliche Effekte wie El Salvador mit seinem Bitcoin-Projekt zu bewirken. Es geht um den Zugang möglichst breiter Bevölkerungsschichten und der Wirtschaft zu einem sicheren und effizienten Zahlungsverkehrssystem. Diese CBDC-Pläne sind aller- dings weit weniger spekulativ. Ob Bitcoin eine Alternative zum klassischen Fiat-Geld sein und dessen Funktionen (Tauschmittel, Recheneinheit, Wertaufbewahrungsmittel) erfüllen kann, ist mehr als fraglich. Bitcoin ist nicht wertbeständig, und gerade die Volatilität führt zu großen Risiken. Auch die allgemeine Unsicherheit und Inakzeptanz bezüglich des Bitcoins als Zahlungsmittel ist sowohl in der Bevölkerung als auch auf internationaler Ebene deutlich geworden. Somit sollte Bitcoin aus dieser Perspektive nicht als konventionelles Geld angesehen werden. El Salvadors Bitcoin Law kann als Wette betrachtet werden. Bei einer positiven Kursentwicklung können die Pläne von Präsident Bukele das mittelamerikanische Land zu Reichtum und wirtschaftlichem Aufschwung führen. Im negativen Falle rutscht der Staat aufgrund mangelnden Zugangs zu Finanzierungskanälen in eine Pleite. FAZIT Es bleibt abzuwarten, ob sich die Bitcoin- Kurse stabilisieren werden und wie die zwingend notwendige internationale Regulierung fortschreitet, die gegen jegliche Prinzipien des ursprünglichen Bitcoin-Konzepts sprechen würde. Doch nur damit kann Bitcoin als Krypto-Währung neben Fiat- Währungen als Zahlungsmittel bestehen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Bitcoin – zumindest als digitale Geldalternative – nur ein kurzzeitiges Phänomen ist, das nicht die disruptive Kraft besitzt, sich nachhaltig als Zahlungsmittel durchzusetzen. Das Land El Salvador und sein Präsident Bukele sind seit einem Jahr in den Schlagzeilen. Die Utopie, dass die neu gewonnene Aufmerksamkeit den wirtschaftlichen Befreiungsschlag mit sich bringt, steht derzeit eher unter einem schlechten Stern. Autoren Susanne Klein, M. Sc., ist Absolventin des Master-Studiengangs Versicherungs- und Finanzwirtschaft der Wiesbaden Business School der Hochschule Rhein-Main. Prof. Dr. Stefan Schäfer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der gleichen Hochschule. Seine bevorzugten Forschungsgebiete sind die europäische Währungsintegration und die Digitalisierung des Geldes. 09 | 2022 55
0 9 | 2022 OPEN FINANCE ALS GROSSE
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