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die bank 09 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE

BERUF & KARRIERE ARBEITEN 4.0 Zwischen Kundenorientierung und Mitarbeiterwünschen Der Siegeszug der digitalen Technologien verändert außer dem Geschäft der Banken auch die Arbeitsstrukturen und -beziehungen in den Häusern. Das stellt die Verantwortlichen im Personalmanagement vor gänzlich neue Herausforderungen. Doch auch diese können mit dem richtigen Know-how „gemanagt“ werden, wie dieser Praxisbericht zeigt. Die Arbeitswelt der Zukunft wird durch die technischen Umwälzungen radikal verändert. Neue Berufsbilder entstehen, alte fallen weg. Neue Aufgaben und Arbeitsplätze im digitalen Umfeld werden geschaffen, viele Routineaufgaben sollen dagegen Algorithmen und Programme übernehmen. Ein nicht unerheblicher Teil der derzeit gängigen Studien prophezeit einen Beschäftigungsrückgang. Doch ganz gleich, welche Untersuchung welche Zahlen über wegfallende Arbeitsplätze auch immer aufführt: Wie die Beschäftigungsbilanz in der digitalen Ökonomie tatsächlich ausfallen wird, haben die betroffenen Unternehmen selbst in der Hand. Sie können den Wandel in der Arbeitswelt (noch) weitgehend mitgestalten. Es ist also Zeit für eine Bestandsaufnahme in den Unternehmen und für die Frage: Lassen sich die Vorstellungen und Sorgen der Mitarbeiter und die Wünsche der Kunden überhaupt zusammenbringen? Digitale Technik ist in Banken bereits omnipräsent Fakt ist: Neue Technologien revolutionieren das Privatkundengeschäft der Banken. Die Kunden wählen ihre Finanzprodukte und -lösungen nicht mehr ausschließlich in Bankfilialen, sondern auch situativ und mobil. Sie entscheiden zunehmend autonom und wünschen vollständige Transparenz, z. B. über die Kosten des Angebots. Die sinkende Loyalität erleichtert den Kunden das Abschiednehmen von der Hausbank. Kunden zu binden gelingt nur noch durch individuelle Beratung, Schnelligkeit im Service und wenn der Kunde einen Mehrwert erfährt. Dafür müssen Mitarbeiter und Technik der Bank qualifiziert sein. In Sachen Technik ist vieles längst Standard: Große Bankinstitute scannen Kunden- oder Bankschreiben seit mehr als einem Jahrzehnt zentral ein und machen sie über einen zweiten Arbeitsplatz-Monitor ortsunabhängig lesbar. Vertriebspartner senden Kundenunterlagen längst digital ein und sparen dadurch lange Postwege. Auch die Kreditbearbeitung erfolgt seit Jahren weitgehend automatisiert, solange es sich um Standardparameter handelt. Grenzfälle greifen die Sachbearbeiter auf und bereiten sie für die weitere automatisierte Verarbeitung vor. Digitalisierung der letzten Meile Neu ist die Digitalisierung der letzten Meile zum Verbraucher. Dieser will und kann für den Weg zum Anbieter verschiedene physische und immer mehr technische Kanäle nutzen. Statt über Bankfiliale und Hotline erfolgt die Interaktion verstärkt über Apps, Serviceportale und Chatfunktionen samt Video-Legitimation. Die zunehmende Unabhängigkeit von Filialöffnungszeiten und die verstärkte Echtzeit-Kommunikation mit Kunden haben im Gegenzug Konsequenzen für die Ablauforganisation in den Instituten. Gerade Mitarbeiter und Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche stehen mit ihrem großen Verwaltungsapparat und einer breiten Kundenbasis vor Veränderungen im Arbeitsablauf. Oft haben sie auch in Sachen Kundenorientierung noch einen weiten Weg vor sich, denn die Kunden vergleichen den Service ihrer Bank zunehmend mit dem Servicelevel von Online-Händlern, die diese Schnittstelle schon nahezu perfekt beherrschen. Gleichzeitig kämpfen Finanzdienstleister noch mit tariflich gebundenen Arbeitszeiten, die zum Beispiel Samstagsarbeit nur in Ausnahmefällen und nur mit Zuschlägen zulässt. Doch mithilfe von vier Leitsätzen oder Thesen lässt sich die Lücke zwischen Kundenorientierung einerseits und Mitarbeiterwünschen andererseits vermessen. 1. Die Regelarbeitszeit bleibt nicht die Regel. Nicht nur das veränderte Kundenverhalten führt zu Anpassungen in den Abläufen. Durch den kulturellen und gesellschaftlichen Wandel entstehen parallel neue Ansprüche der Mitarbeiter an die Arbeit. So sind die Lebensentwürfe individueller und vielfältiger geworden, klassische Rollenbilder weichen weiter auf. Der Wunsch nach einer ausgewogeneren Work-Life-Balance nimmt zu – bei der Generation Y, die in die Arbeitswelt hineinwächst, genauso wie bei den 30- bis 50-Jährigen, die gleichzeitig beruflich erfolgreich, privat aktiv und in ihrer Familie als Eltern präsent sein wollen. Dabei wird ein Arbeitstag im Bankgewerbe mit der Regelarbeitszeit von 7:48 Stunden weder den Ansprüchen der Mitarbeiter noch den Aufgaben gerecht. Warum also nicht in Projekthochphasen zehn Stunden pro Tag vorankommen und dafür in Projektpausen nach sechs Stunden mit den Kindern ins Freibad gehen? Warum sollte man – trotz Vollzeit – nicht an einem Wochentag früher nach Hause gehen können, um die Kinder nach der Hausaufgabenbetreuung zu übernehmen, und dafür Freitagnachmittags den Wochenstatus für das Projekt zusammenfassen? 74 09 // 2018

BERUF & KARRIERE Und warum nicht zur Betreuung kranker Eltern mal ein Jahr lang die Regelwochenstunden reduzieren, bis vor Ort die Betroffenen, die Nachbarschaftshilfe oder die ambulante Betreuung eingespielt ist? Und warum überhaupt nur Reduktion? Warum nicht für ein Projekt mit strategischem Wert für sich 50 Wochenstunden definieren und planen – und diese in den Abendstunden vom heimischen Arbeitsplatz aus leisten? 2. Arbeitszeitmodelle helfen bei Kundenwünschen rund um die Uhr Die verstärkte Einrichtung von Telearbeitsplätzen z. B. für Mitarbeiter in der Kreditbearbeitung und mit längeren Anfahrtswegen erhöht die verfügbare Arbeitszeit für beide Seiten, ohne das Freizeitkonto zu belasten. Die an der Kundenschnittstelle auf Finanzdienstleister zukommende Samstags-, Feiertags- und Abendarbeit lässt sich so schneller und pragmatischer erledigen, und das von Zuhause aus mithilfe einer End-to-End-verschlüsselten Verbindung zur Hauptverwaltung. Auch hier gilt wieder: Wer will nicht mal am Samstag arbeiten, um einen freien gemeinsamen Wochentag zu genießen, wenn der Lebenspartner ebenfalls am Samstag für seine Firma arbeitet? Ebenso kann die Spätschicht im Kundendialogcenter eine durchaus sinnvolle Alternative sein, wenn tagsüber die Kinderkrippe geschlossen hat und sich jemand daheim um den Nachwuchs kümmern muss. Ein weiterer Schritt sind individualisierte Arbeitsvereinbarungen mit einem Zeitwertkonto, das angespart und aufgezehrt oder ausbezahlt werden kann. Damit können Unternehmen saisonale Arbeitsspitzen besser abfedern. Und Arbeitnehmer können auf einen Zeitpuffer zurückgreifen, um auf Wunsch eine Zeitlang ohne finanzielle Einbußen kürzer zu treten. 3. Lernen und Arbeiten gehören zusammen – und beides macht Spaß Der technologische und strukturelle Wandel wird Berufsbilder, Anforderungen und Standards verändern. Arbeitsmarktforscher gehen davon aus, dass durch Automatisierung insbesondere mittlere Tätigkeiten mit hohem Routinegrad wegfallen werden. Sie erwarten eine Polarisierung mit einer relativen Zunahme von gering- sowie hochqualifizierter Beschäftigung. Dadurch werden andere Kompetenzen erforderlich, und es verändern sich dadurch die Lerninhalte und -anwendungen. Parallel werden die Lernformen vielfältiger. Für alle Beschäftigten gilt: Der Bedarf an IT-Anwendungs-Kenntnissen und -kompetenzen durch den technologischen Wandel sowie die immer kürzer werdenden Innovationszyklen werden weiter zunehmen. Gefragt ist also eine zunehmende Tool-Kompetenz. Sie befähigt dazu, neben den klassischen Anwendungen neue und deutlich mehr Daten- 09 // 2018 75

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