MANAGEMENT BANKORGANISATION Vorstände tappen strategisch im Dunkeln Deutsche Banken wittern Morgenluft bei der Regulierung. Nur 28 Prozent sehen derzeit größeren Handlungsbedarf bei der Bewältigung gesetzlicher Vorgaben. 69 Prozent konzentrieren sich jetzt darauf, interne Abläufe zu verbessern. 63 Prozent wollen die Kosten weiter senken. Veränderungen treibt aber nur eine Minderheit der Institute voran. Vor allem bei der Kernbank-IT soll alles so bleiben wie es ist. Das wirft Fragen nach den richtigen Prioritäten auf. Eine aktuelle Umfrage unter 104 Fachund Führungskräften zu den aktuellen Herausforderungen der Branche sowie der Qualität des Prozessmanagements in der Bank zeigt, dass die meisten Institute keine elementaren Veränderungen wünschen. So sehen 62 Prozent der befragten Personen keinen Grund, an der Veränderungsfähigkeit im eigenen Haus zu arbeiten. Zwei Drittel wollen am etablierten Geschäftsmodell unverändert festhalten. ÿ 1 Ein Zielkonflikt bahnt sich zudem beim Ausbau von Digitalangeboten an. Weniger als ein Viertel der Befragten will das Kernbanksystem modernisieren, obwohl das nötig wäre, damit digitale Services direkt auf die wichtigsten Geschäftsdaten einer Bank zugreifen können. In vielen Fällen enden Kundenprozesse noch immer intern als eine Aufgabe für Mitarbeiter, erhaltene Informationen manuell in die dafür vorgesehenen Systeme zu übertragen. Ein Großteil der Banken behilft sich damit, digitale Angebote wie eine Überweisung per App oder Wertpapierkäufe über ein Begleitsystem (Middleware) zu steuern. Dadurch wird gegenüber dem Kunden eine Auftragsausführung in Echtzeit simuliert, obwohl die tatsächliche Buchung erst später stattfindet, wenn die tagsüber gesammelten Daten nachts durch den Transfer von Batch- Dateien in die Legacy-IT übertragen werden. Das steigert die Komplexität der Prozesse erheblich. Am Problem vorbei optimiert Banken schaffen sich so eine zu stark nach innen gerichtete Prozesslandschaft, die Kosten verursacht, ohne dem Kunden einen unmittelbaren Mehrwert zu bieten. Es liegt auf der Hand, dass solche Prozesse zu verbessern bedeutet, am zentralen Problem vorbei zu optimieren. N26 hat das rechtzeitig erkannt und ein eigenes Kernbanksystem entwickelt, bevor es die Erweiterung seines Geschäftsmodells anging, das ursprünglich als reine Smartphone-Bank konzipiert war. Dieser Schritt erleichtert zudem Kooperationen zwischen FinTechs und Banken, die innovative Dienste schnell einbinden wollen. End-to-End-Prozesse verlaufen künftig über die Grenzen der beteiligten Unternehmen hinweg. IT-technische Medienbrüche können solche Kooperationen jedoch unwirtschaftlich machen und dafür sorgen, dass das Institut Kundenbedarfe nicht mehr erfüllen kann und im Wettbewerb zurückfällt. Künftiger Erfolg hängt also maßgeblich davon ab, interne Prozesse vom Aufwand her schlank und IT-technisch möglichst anschlussfähig zu halten. Dieser strategisch übergreifende Blick auf das 34 09 // 2018
MANAGEMENT eigene Geschäft scheint vielen Banken immer noch zu fehlen. Überdies legen die Ergebnisse der Umfrage nahe, dass viele Abteilungen keine Kompetenzen abgeben wollen an eine Bank organisation, die als strategischer Umsetzungspartner für den Vorstand fungiert. Aufgabenfelder klären Dazu passt, dass Uneinigkeit darüber herrscht, welche Aufgaben die Bankorganisation überhaupt wahrnehmen sollte. Gewöhnlich sind die Organisatoren dafür zuständig, interne Abläufe aufsichtsrechtlich konform zu dokumentieren, zu modellieren und idealerweise auch zu optimieren. Die befragten Fach- und Führungskräfte sind jedoch unentschlossen, was den Aufgabenschwerpunkt angeht. Jeweils die Hälfte bevorzugt den Bereich „Run the Bank“ beziehungsweise „Change the Bank“. Dieses undifferenzierte Zielbild bestätigt sich bei der Beschreibung von bankorganisatorischen Tätigkeiten. Nur 56 Prozent verorten das Prozessmanagement in der Bankorganisation. Alle übrigen für Veränderung relevanten Handlungsfelder, wie Projektmanagement oder die Gestaltung der Aufbauorganisation, rangieren teils weit unterhalb der 40-Prozent-Marke. Das gilt auch für klassische „Run“-Aufgaben wie IT-Betrieb und Support, Administration des Kernbankensystems oder die Steuerung von Dienstleistern. Darüber hinaus droht ein Konflikt mit der Bankenaufsicht. Mit der fünften MaRisk-Novelle rückt das zentrale Auslagerungsmanagement in den Fokus der BaFin – und das be- trifft auch Dienstleister. Zudem sind der Umfrage zufolge in jeder dritten Bank die Prozesse unzureichend dokumentiert und Verantwortlichkeiten nicht geregelt. Das sind direkte Verstöße gegen die MaRisk (AT 5) und verhindern darüber hinaus ein effizientes Prozessmanagement. Insgesamt scheint die Bankorganisation ihre Rolle als zentrale Triebfeder für Veränderungen verloren zu haben. Dem Vorstand fehlt somit ein aktiver Ansprechpartner, der Veränderungen operativ und zentral gesteuert herbeiführen kann. Das wiederum begünstigt Insellösungen, die vor allem in Abteilungen mit starken Charakteren an verantwortlicher Position entstehen. Prozesskompetenz zentralisieren Einen Hinweis auf die „Leerstelle Bankorganisation“ geben zudem widersprüchliche Antworten zur Qualität des Prozessmanagements. 68 Prozent vergeben die Note gut oder sehr gut für die Dokumentation der Prozesse. Bei der Automatisierung liegt dieser Wert um zehn Prozentpunkte höher, obwohl vor einer möglichen Automatisierung Prozesse zunächst standardisiert werden müssen. Die Vermutung liegt nahe, dass Abteilungen ihre eigenen Prozesse gut im Griff haben, jedoch keinem übergeordneten Zielbild folgen. Hinzu kommt, dass weniger als die Hälfte der Befragten angibt, über ein Werkzeug für die Prozessmodellierung zu verfügen. Das erklärt die vergleichsweise schlechteren Bewertungen bei Aspekten wie Visualisierung und Anpassung von Prozessen. Gleichzeitig scheint auch hier der strategische Überbau zu fehlen, da die Visualisierung von Prozessen ihre Stärke insbesondere bei einer End-to-End-Betrachtung über Abteilungsgrenzen hinweg voll ausspielt. Eine optimal aufgestellte Bankorganisation hätte das gewährleisten können. Die Rolle als Umsetzungseinheit für den Vorstand bietet sich auch deshalb an, weil wesentliche Themen, die etwa die Zukunft der Bank betreffen, nicht vollkommen autark aus einzelnen Fachbereichen vorangetrieben werden dürfen. AT 3 MaRisk regelt ausdrücklich, dass die Gesamtverantwortung immer bei den Geschäftsleitern liegt, selbst wenn interne Zuständigkeitsregelungen oder die geübte Praxis etwas anderes vorsehen. Die Chefs stehen also wie ein Unternehmer in der Verantwortung und müssen sich deshalb sicher sein, dass die Bank wie ein Uhrwerk auf die Bedürfnisse der gewünschten Kundenzielgruppe eingestellt ist. Dazu zählt auch, eine Vision zu entwickeln, die so stark ist, dass alle Abteilungen ihr eigenes Handeln daran ausrichten. Wie wichtig dieser strategische „Focal Point“ ist, hat die Strategieberatung Oliver Wyman vor kurzem erst betont. Selbstverständnis als Bank überdenken In einem Zeitraum von nur zehn bis 15 Jahren erwarten die Berater, dass von den heute noch mehr als 1.600 Kreditinstituten nur 150 09 // 2018 35
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