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die Bank 09 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULIERUNG REFORM DER

REGULIERUNG REFORM DER INSOLVENZANFECHTUNG BGH, bitte übernehmen Sie! Die neuen Regelungen zur Insolvenzanfechtung sind seit dem 5. April in Kraft. Sie bringen für Banken wichtige Änderungen, die die Institute kennen und beachten sollten – besonders vor dem Hintergrund, dass die Reform die Anfechtungsgefahren keineswegs beseitigt. Eine zentrale Rolle spielt auch zukünftig die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Die gute Nachricht vorab: Das neue Gesetz stellt Banken bei der Insolvenzanfechtung nicht schlechter als vor der Reform. Vielmehr sorgen die Regelungen punktuell für Verbesserungen – vor allem beim Einzug von Forderungen. Im Einzelnen legen die neuen Regelungen die folgenden Punkte fest: ZZ Verkürzte Anfechtungsfrist – Abmilderung des Einzelrisikos im Regelfall: Eine Verbesserung für alle Gläubiger des Schuldners – also auch für Banken – ist die Verkürzung der Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre. Diese zeitliche Beschränkung greift bei einer Befriedigung oder einer Besicherung von Forderungen eines Insolvenzgläubigers. Selbst bei einer inkongruenten Deckung, wie sie beispielsweise die Nachbesicherung darstellt, greift diese Verkürzung. Nur in Ausnahmefällen bleibt es weiter bei der Frist von zehn Jahren. Die Folge: Für die in der Bankenpraxis relevanten Sachverhalte hat die Fristverkürzung keine wesentlichen Auswirkungen. Schon bislang werden nur selten Zahlungen angefochten, die zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags länger als vier Jahre zurückliegen. Allerdings betreffen die wenigen Ausnahmen dieser Regel oftmals besonders hohe Beträge. Für solche Fälle wird das Risiko im Einzelfall spürbar abgemildert. Durch die Fristverkürzung besteht jetzt bereits nach vier Jahren ohne einen Insolvenzantrag Gewissheit, dass die Empfänger die Zahlungen auf ihre Forderungen in jedem Fall behalten dürfen. ZZ ZZ Banken können daher eventuelle Rückstellungen früher als bislang auflösen. Weniger Anfechtungsbegehren beim Einzug von Forderungen: Dieser Punkt ist von besonderer Bedeutung, da nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Vorsatzanfechtung beispielsweise von Ratenzahlungen selbst dann möglich ist, wenn die mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt ist. Mit den neuen gesetzlichen Regelungen kann der Insolvenzverwalter sein Anfechtungsbegehren nicht mehr allein darauf stützen, dass die Bank Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit hatte. Jetzt muss der Bank in der Regel bekannt sein, dass die Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist. Darüber hinaus will das Gesetz nun Zahlungen privilegieren, die auf Zahlungserleichterungen basieren, die dem Schuldner gewährt wurden. Auch wenn die Reichweite der Privilegierung erst durch den BGH konkretisiert werden wird, verbessert sich die Position der Bank in solchen Fällen. Die Folge: Die Anfechtungsbegehren gegen Banken beim Einzug von Forderungen – auch aus gekündigten Engagements und gegebenenfalls nach Abschluss von Rückführungsvereinbarungen – sollten weniger werden. ZZ Handhabung von Sanierungskrediten: Der für Banken wichtige Bereich der Sanierungs- und Überbrückungskredite ist weiterhin nicht gesetzlich geregelt. Zwar profitieren zur Mitwirkung bei der Sanierung bereite Institute oft davon, dass sich erst die Kenntnis von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zu ihren Nachteilen auswirkt. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn Banken bei Sanierungskrediten eine (Teil-) Nachbesicherung ihrer Altforderungen verlangen. Dies stellt eine sogenannte inkongruente Deckung dar, die insoweit nach den neuen Regelungen nicht privilegiert ist. Auch wenn die Frist hier auf vier Jahre verkürzt ist, bleibt die Anfechtungsgefahr ohne entsprechende positive Sanierungsgutachten weiterhin bestehen. Die Folge: Banken können bei Sanierungskrediten auch mit dem neuen Gesetz nicht auf (kostenintensive) Sanierungskonzepte oder -gutachten verzichten. Diese sind aber in der Regel ohnehin aufsichtsrechtlich notwendig. Erweiterung des Bargeschäfts als weitere Verteidigungsmöglichkeit: Durch die neuen Regelungen wird das sogenannte Bargeschäftsprivileg erweitert und seine grundsätzliche Anwendbarkeit bei der Vorsatzanfechtung angeordnet. Die Folge: Banken erhalten durch die Erweiterung eine extra Verteidigungsmöglichkeit gegen Anfechtungsbegehren von Insolvenzverwaltern. Der Bargeschäftseinwand kann, wenn die Institute Überbrückungs- oder Sanierungskredite gegen dafür zeitnah neu hereingenommene Si- 56 09 // 2017

REGULIERUNG cherheiten gewähren, jetzt zusätzlich herangezogen werden. Dadurch wird die Unanfechtbarkeit der Bestellung von Sicherheiten gegen neue Darlehen noch einmal unterstrichen. Was wird der BGH mit dem neuen Gesetz anfangen? Auch wenn das neue Gesetz inzwischen bereits einige Zeit in Kraft ist, sollten Banken insbesondere die Rechtsprechung des BGH, aber auch die der Instanzgerichte im Blick behalten. Denn rechtliche Klarheit wird es erst dann geben, wenn der Bundesgerichtshof den unbestimmten Rechtsbegriffen – von denen es im Gesetz eine Vielzahl gibt – greifbare Konturen gegeben hat und Unsicherheiten aus einer unklaren rechtssystematischen Einordnung von Regelungen beseitigt. Bis dahin werden jedoch noch einige Jahre vergehen. Solange gibt es keine vollständige rechtliche Klarheit. Autor: RA Karsten Kiesel ist im Bereich Sanierungs- und Insolvenzberatung bei der Kanzlei Schultze & Braun tätig. RELEVANTE ENTSCHEIDUNGEN: DER BUNDESGERICHTSHOF UND DIE INSOLVENZANFECHTUNG Mit Blick auf die Insolvenzanfechtung und die neuen gesetzlichen Regelungen sind zwei Entscheidungen des BGH besonders bemerkenswert: ZZ ZZ Urteil vom 21. Januar 2016 – IX ZR 84/13: Nach diesem Urteil ist nach bisherigem Recht eine Vorsatzanfechtung selbst dann möglich, wenn bei uneingeschränkt bestehender Zahlungsfähigkeit zum Zeitpunkt einer geschuldeten und erfolgten Zahlung bereits feststeht, dass erst künftig die Zahlungsunfähigkeit eintritt. Nach der Neuregelung kann der Insolvenzverwalter bei aktuell nur drohender Zahlungsunfähigkeit sein Anfechtungsbegehren in solchen Fällen nicht mehr mit dem Eingreifen einer gesetzlichen Vermutung begründen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob der BGH der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit unabhängig von den gesetzlichen Regelungen eine beweisrechtliche Wirkung zukommen lässt. Urteil vom 16. Juni 2016 – IX ZR 23/15: Der BGH geht bei dieser Entscheidung davon aus, dass der Anfechtungsgegner von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit seines Geschäftspartners bereits weiß, wenn die fälligen Verbindlichkeiten ihm gegenüber stark anwachsen und der Schuldner ankündigt, diese nur in Raten und im Fall des Zuflusses neuer Mittel begleichen zu können. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Kenntnis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit setzt der BGH in dieser Entscheidung verhältnismäßig niedrig an. Sollte sich diese Tendenz im Rahmen der Vorsatzanfechtung bestätigen, bedeutet dies eine Entwertung der Privilegierung kongruenter Zahlungen durch die Reform. Die Hürde zum Nachweis der Kenntnis von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ist vom Insolvenzverwalter dann einfacher zu nehmen, was deren formale Erhöhung durch die Reform relativiert. Der eingangs erwähnte und insbesondere für Banken positive Aspekt der Reform würde dann fühlbar abgeschwächt. 09 // 2017 57

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