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die Bank 09 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT Bechtold: Nun ja,

MARKT Bechtold: Nun ja, als Nicht-Jurist habe ich dennoch irgendwann einmal gelernt, dass eine Straftat aus Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld besteht. Dies vorausgestellt, möchte ich darauf hinweisen, dass die STS-Kriterien oft sehr allgemein formuliert worden sind und eine verbindliche Auskunft, wie sie vor dem Hintergrund einer konkreten Transaktion zu interpretieren sind, nicht vorgesehen ist. Der Originator muss aber eindeutig erklären, dass er alle Kriterien einhält. Von daher sind die potenziellen Strafen bei Verletzung der Kriterien abschreckend. Es gibt allerdings in der verabschiedeten Verordnung Verbesserungen gegenüber den ursprünglichen Entwürfen. So wird nun der zuständigen Aufsicht die Schlüsselrolle zugewiesen anstatt bei dem ursprünglich sehr verworrenen und wenig praktikablen Prozess der Einbindung aller europäischer Aufsichten zu bleiben. Des Weiteren wird auf die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit hingewiesen, und auch eine externe Zertifizierung durch eine aufsichtsrechtlich registrierte Stelle wird dazu beitragen, die rechtliche Sicherheit des Originators zu erhöhen, da er damit die Sicherheit erhält, dass er sich mit seiner Interpretation der Tatbestandsmerkmale im Einklang mit dem Markt bewegt. Letztlich bleibt abzuwarten, wie der Prozess in der Praxis funktioniert. diebank: Ziel der EU-Kommission ist, den nach der Finanzkrise eingebrochenen Verbriefungsmarkt wieder anzukurbeln und neue Spielräume in den Bankbilanzen zu schaffen, damit Finanzmittel für die Realwirtschaft freigesetzt werden. Zusätzliche Jobs sollen geschaffen und das Wirtschaftswachstum in Europa angeschoben werden. Ist das in Summe vielleicht ein bisschen viel erwartet? Was kann der Verbriefungsmarkt wirklich leisten? Bechtold: Der Verbriefungsmarkt leistet ja bereits einiges. Und dies unter schwierigen Bedingungen. Schauen wir uns nur Deutschland an. In den letzten Jahren zwischen 10 und 20 Mrd. € Term-Transaktionen, überwiegend im Bereich der Autofinanzierungen, gut 20 Mrd. € ABCP-Transaktionen, hier im Wesentlichen mit Forderungen aus Industrie und Handel sowie Leasinggesellschaften unterlegt, und darüber hinaus privatplatzierte synthetische Transaktionen aus dem SME-Bereich mit Milliardenvolumen, die außer der Aufsicht niemand im Markt so richtig wahrnimmt. Sicherlich werden die nunmehr günstigeren Bedingungen für südeuropäische Transaktionen unter dem Standardansatz dort den Markt für SME-Verbriefungen beleben. Auch könnte die Übertragung des STS-Gedankens auf Versicherungen – was ja geplant ist – bei guter Umsetzung sicherstellen, dass auch diese wieder stärker investieren. Wobei natürlich sichergestellt sein muss, dass ein Level Playing Field hergestellt wird und am Ende Blankokredite von Versicherungen an Privatpersonen und Unternehmen nicht besser wegkommen als erstrangige Verbriefungsanleihen. Falls in Europa die vorliegenden Regeln klug umgesetzt und die oben aufgeführten Schwachstellen noch ausbügelt werden, könnte die Verbriefung als intelligente Verknüpfung von Bank- und Kapitalmarktfinanzierung zur tragenden Säule des EU Projekts Kapitalmarktunion werden. Zwar etwas viel Konjunktiv in einem Satz – aber ich bin durchaus optimistisch. 14 09 // 2017

diebank: Die neuen Verbriefungsregeln gelten als Kernelement der Kapitalmarktunion, doch andere zentrale Faktoren, wie beispielsweise die Harmonisierung des Insolvenzrechts in der EU und Fragen der Bilanzierung mittelgroßer und kleiner Unternehmen, sind weiterhin ungelöst. Zudem hat der anstehende Brexit das Vorhaben zusätzlich verkompliziert. Wie sehen hier die mittelfristigen Perspektiven aus? Bechtold: Von dem alten Griechen Plato stammt die Erkenntnis, dass der Anfang der wichtigste Teil der Arbeit sei. Und es war sicherlich klug, nicht mit dem Insolvenzrecht, sondern der Verbriefung anzufangen, denn bei Änderungen im Insolvenzrecht rechnet man in Dekaden. diebank: Welches Potenzial hat der Verbriefungsmarkt in Deutschland? Bechtold: Wenn aufsichtsrechtliche Sicherheit sowie ein Level Playing Field mit anderen Kapitalmarktinstrumenten für Banken, Versicherungen und Fonds gegeben sind und nach QE und LTRO-Programmen wieder normale Verhältnisse am Finanzmarkt eingekehrt sind, sollten etwa 80 bis 100 Mrd. € p. a. möglich sein. diebank: Angesichts der Vielzahl von ausfallgefährdeten Krediten in Europa könnten neue Assetklassen, beispielsweise NPL-ABS, stärkeren Zulauf erhalten. Tendenziell gefragt sind auch Market-Place-Lending-Transaktionen, die starken Rückenwind durch die neuen Kreditplattformbetreiber erhalten. Welche Volumina sind hier möglich? Bechtold: Der NPL-Markt ist ein besonderer Markt. Er verlangt gute Kenntnisse der regionalen Märkte und des regionalen Rechts, er ist naturgemäß wenig transparent, da der letztendliche Cashflow schwer prognostizierbar ist, und somit eignet sich diese sehr spezielle Assetklasse nur für erfahrene Investoren. Einen STS-NPL-Verbriefungsmarkt kann ich mir nur schwer vorstellen. Market Place Lending ist ein anderes Feld. Auch dieses Segment wird aber wahrscheinlich aus dem STS-Regelwerk herausfallen, da es aufgrund des konkreten Geschäftsmodells schwer werden wird, alle Anforderungen zu erfüllen. diebank: Mit dem ABS-Ankaufprogramm (ABSPP) hat die EZB vor fast drei Jahren ein deutliches Signal für den Verbriefungsmarkt gegeben. Und dennoch ist die Wiederbelebung des ABS-Markts eher zögerlich angelaufen. Wo hakt es? Bechtold: ABS hat im ABSPP der EZB nur eine geringe Bedeutung; die EZB kauft im Rahmen ihres Purchase-Programms vor allem Staatsanleihen, Covered Bonds und Unternehmensanleihen an. Gut ein Drittel der Staatsanleihen und CBs, etwa zehn Prozent der Unternehmensanleihen, aber nur drei Prozent der ABS-Bonds liegen jetzt bei der EZB. Der ABS-Markt ist darüber nicht traurig, denn die anderen Märkte leiden unter der Käuferdominanz der EZB. Dass der ABS-Markt nur langsam anläuft, hat im Wesentlichen zwei andere Gründe: Zum einen schwimmen Banken aufgrund der EZB-Politik in Geld, sodass wenig Anreize bestehen, ABS als Refinanzierungsinstrument zu nutzen. Zum anderen sorgt jedoch das nach wie vor unsichere regulatorische Umfeld bei Versicherungen und Banken noch für eine gewisse Zurückhaltung. diebank: Die TSI ist einer der Shareholder der European DataWarehouse GmbH (EDW), die 2012 gegründet wurde, um Investoren Einzelkreditdaten aus ABS- Transaktionen zur Verfügung zu stellen. Inwieweit konnte durch diese Maßnahme die Transparenz im Markt signifikant verbessert werden? Bechtold: Die TSI war ein früher Verfechter von hoher Transparenz und Qualität im ABS-Markt. Lange vor STS gab es den „Deutschen Verbriefungsstandard“ der TSI. Von daher lag es nahe, dass die TSI auch die Transparenzinitiative der EZB mit dem EDW frühzeitig unterstützte. Heute sind ABS-Bonds die bei weitem transparenteste Assetklasse in Europa und beispielhaft für das, woran Covered Bonds – aber auch Staatsanleihen – noch arbeiten müssen. diebank: Herr Dr. Bechtold, haben Sie vielen Dank für dieses Interview. Die Fragen stellte Stefan Hirschmann. 09 // 2017 15

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