Aufrufe
vor 5 Jahren

die Bank 09 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

INTERVIEW Der

INTERVIEW Der Verbriefungsmarkt leistet enorm viel Interview mit Dr. Hartmut Bechtold, Chef der Verbriefungsinitiative TSI, über politische Kompromisse im Verbriefungsmarkt, den Nutzen für realwirtschaftliche Unternehmen und Leasinggesellschaften sowie die Perspektiven neuer Assetklassen. diebank: Herr Dr. Bechtold, nach monatelangen Verhandlungen haben sich Vertreter der EU-Staaten und des EU- Parlaments in diesem Sommer auf neue Regeln für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen (simple, transparent and standardised securitisations; STS) geeinigt. Im Ergebnis steht ein politischer Kompromiss. Wie bewerten Sie das Resultat? Bechtold: Es ist in der Tat ein politischer Kompromiss. Die Vorrangigkeit des Standardansatzes verbessert die Ausgangsbedingungen südeuropäischer Verbriefungen. Die Auswirkungen dieser Hierarchieveränderung auf hochwertige deutsche Auto-ABS hat man abgeschwächt, diese Transaktionen können weiter einen – allerdings für sie schlechter als bisher ausgestalteten – externen Ratingansatz nutzen. Das Parlament hat sich mit seinen doch sehr weitgehenden Transparenzvorschriften durchgesetzt. Viele der noch sehr unbestimmten Qualitätskriterien wurden an die EBA zur Ausgestaltung verwiesen und können somit noch nicht abschließend beurteilt werden; der wenig transparente Prozess der STS-Werdung und die harschen Strafvorschriften für den Originator wurden etwas verbessert, aber noch bestehen erhebliche Unsicherheiten, was die Umsetzung angeht. Nun kommt es darauf an, das neue Regelwerk mit Leben zu erfüllen und zu einem Erfolg zu machen, d. h. sicherzustellen, dass die Regulatory Technical Standards (RTS) und die STS-Umsetzung praxisnah ausgestaltet werden, sodass sich STS wirklich zu einem Qualitätssegment entwickeln kann. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Markt und Aufsicht ist gefragt. diebank: Wo sehen Sie den möglichen Nachbesserungsbedarf? Bechtold: Man muss sicherlich im Auge behalten, ob die verschiedenen, nebeneinanderstehenden Ansätze wirklich ein Level Playing Field mit sich bringen. Deutschland und UK haben ja in ihrem speziellen Statement die Auswirkungen der Anwendung des Standardansatzes hinterfragt; ich denke die EK-Anforderungen an ABCP-Transaktionen, vor allem auch mit Leasingforderungen, sind zu hoch und das Level Playing Field verletzend. Auch bei synthetischen Transaktionen sollte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Man muss sicherlich auch schauen, ob manche Transparenzanforderungen – vor allem bei Verbriefungen von Handelsforderungen – nicht in den Bereich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hineinreichen, und sicherlich muss man auch sehen, dass das Zusammenspiel in der STS-Anwendung und -Werdung von Originatoren, Aufsicht und auch der Drittparteienzertifizierung reibungslos funktioniert. diebank: Der Kompromiss, der nun am 1. Januar 2019 eingeführt werden soll, weicht damit ja in einigen Punkten von den ursprünglichen Vorstellungen des Baseler Ausschusses ab. Wie beurteilen Sie das Verhältnis beider Regelwerke? Bechtold: Generell ist es gut, dass Europa sich entschlossen hat, einen eigenen Weg zu gehen. Wenn Hase und Igel um die Wette laufen, heißen gleiche Regeln nicht wirklich Gleichheit. Europa hat einen anderen Banken- und Kapitalmarkt als die USA. Europa braucht starke Banken in der Wirtschaftsfinanzierung und ebenso einen funktionierenden Verbriefungsmarkt, der im Wesentlichen regulierte Kapitalmarktakteure miteinander verbindet. Dies ist in den USA anders. Insofern 12 09 // 2017

ist zunächst einmal zu begrüßen, dass Europa im Rahmen des Projekts Kapitalmarktunion den Anspruch erhebt, einen Verbriefungsmarkt zu schaffen, der zu Europas Strukturen passt. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass Anspruch und Umsetzung zusammenpassen. diebank: Beim Risikoselbstbehalt, der festlegt, wie viel Prozent des verbrieften Volumens in die Bankbilanzen eingestellt werden muss, blieb es bei den fünf Prozent, die auch Basel vorsieht. Können die Beteiligten damit zufrieden sein? Bechtold: Diese Fünf-Prozent-Regel ist ja nicht neu. Sie hat sich bewährt, was auch viele Untersuchungen von EBA, EU-Kommission und CEBS zeigen. Von daher ist es begrüßenswert, dass es dabei bleibt. diebank: Für verbriefte Forderungen in Form von Handels-, Finanzierungs- oder Leasingforderungen (z. B. Asset Backed Commercial Paper und Equipment Leases) wurden Schutzklauseln vereinbart, nachdem vor allem ABCPs in der Diskussion über qualitativ hochwertige Verbriefungen lange Zeit nicht hinreichend gewürdigt wurden. Zu Recht? Bechtold: Über 200 deutsche, realwirtschaftliche Unternehmen und Leasinggesellschaften nutzen den Verbriefungsmarkt für ihre Working-Capital-Finanzierung. Der Markt wächst seit 2009 sehr dynamisch, gerade weil sich diese Finanzierungsform in der Krise als sehr stabil erwiesen hat. Heute dürften über die ABCP-Programme von Banken in Deutschland etwa 20 Mrd. € p. a. Finanzierungsbeitrag für die Wirtschaft bereitgestellt werden. Kaum ein anderes Segment des Markts hat einen derart hohen realwirtschaftlichen Bezug. Von daher wäre es folgerichtig, dass diesen Programmen in dem ganzen STS-Projekt eine besondere Fürsorge zugutekäme. Doch ganz so ist es leider nicht. Die Anforderungen für die Eigenkapitalunterlegung bei den Sponsorbanken derartiger Programme gehen deutlich nach oben, die Transparenzvorschriften drohen bei zu weitgehender aufsichtsrechtlicher Interpretation, in den Bereich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Industrie und Handel einzugreifen. Von daher sollte man gerade in diesem Bereich die Auswirkungen kritisch betrachten und gegebenenfalls bereit sein, nachzubessern. Dr. Hartmut Bechtold ist seit ihrer Gründung Anfang 2004 Geschäftsführer der True Sale International GmbH, einer von deutschen Banken gegründeten Finanzorganisation zur Förderung des deutschen Verbriefungsmarkts. Zuvor war Bechtold viele Jahre in führenden Positionen bei der SEB AG bzw. der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) tätig, die im Jahr 2000 in der SEB aufgegangen ist. Neben seiner Bankkarriere war er in der Wirtschaftsberatung, Wissenschaft und Industrie tätig. Bechtold studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und promovierte mit einer volkswirtschaftlichen Arbeit zur Wirtschaftsgeschichte. diebank: In den Vorverhandlungen wurden bei Nichteinhaltung der Kriterien exorbitant hohe Strafen für Originatoren gefordert, was den Anreiz für die Emission von STS-Transaktionen sicherlich nicht verstärkt hat. Ist die Strafzahlungsdiskussion jetzt vom Tisch? 09 // 2017 13

die bank