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die bank 09 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

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¾¾ INTERVIEW Der Überzeugungstäter Jens Schmidt-Bürgel ist seit Oktober 2015 Geschäftsführer der Moody’s Deutschland GmbH und steuert von Frankfurt aus das Deutschlandgeschäft der Ratingagentur Moody‘s Investors Service. Parallel verantwortet er die Aktivitäten in Österreich, der Schweiz sowie Skandinavien. Zuvor war er 13 Jahre lang Deutschlandchef von Fitch Ratings. Der gelernte Bankkaufmann arbeitete darüber hinaus bei der Londoner Beratungsgesellschaft Management Horizons Europe sowie als Mitglied des europäischen Rating-Advisory-Teams bei der Investmentbank Morgan Stanley. Auch sein Betriebswirtschaftsstudium absolvierte Schmidt-Bürgel u. a. in London. Jens Schmidt-Bürgel hat das deutsche Ratingbusiness maßgeblich mitgeprägt. Seine Expertise wird vor allem in der Geschäftsentwicklung und strategischen Planung geschätzt. So hat er u. a. Deutschland, Österreich und die Schweiz in den letzten 20 Jahren für Kapitalmarktratings erschlossen. Nach der Finanzkrise nahm er mit guten Argumenten und Überzeugungskraft die Ratingagenturen gegen übertriebene Kritik in Schutz. „In Deutschland hat die Ratingbranche eine sehr positive Entwicklung genommen“, sagt Schmidt-Bürgel – er war daran nicht unbeteiligt.

FINANZMARKT ó Den Robo-Ratinganalysten wird es nicht geben Interview mit Jens Schmidt-Bürgel, Deutschlandchef der Ratingagentur Moody‘s Investors Service, über Einflüsse der Digitalisierung auf das Geschäftsmodell der Ratingagenturen und die Veränderungen der Branche durch regulatorische Eingriffe. diebank: Herr Schmidt-Bürgel, die Grundzüge der klassischen Ratingverfahren sind seit mehr als einem Jahrhundert weitgehend unverändert. Kann dies angesichts neuer Informations- und Kommunikationstechnologien so bleiben? Und wo sehen Sie die größte Innovations- oder auch Disruptionskraft? Schmidt-Bürgel: Der Ratingprozess entwickelt sich auf der Grundlage eingehender Analysen und ausführlicher Diskussionen im Ratingkomitee. Die Art und Weise, in der Informationen innerhalb dieses Rahmens zusammengetragen und ausgewertet werden, wird sich gewiss auch künftig mit der Verfügbarkeit neuer Instrumente stetig weiterentwickeln. Heute erfolgt beispielsweise die Infomationsverteilung vor allem durch die neuen Medien in einem viel höheren Tempo. Das hat sich im Vergleich zu der jüngeren Vergangenheit schon extrem gewandelt. Zudem ist die Reaktionsgeschwindigkeit in der öffentlichen Wahrnehmung höher. Das hängt auch mit dem Nutzungsverhalten der Kunden zusammen. Die Adressaten unserer Ratings und Konsumenten der Analysen und Research-Berichte können die Informationen über einen Direct Data Feed, eine App oder E-Mail-Alerts ohne Zeitverzögerung überall auf der Welt empfangen. Die Zeiten des gedruckten Buchs als Nachrichtenträger sind zumindest in der Ratingbranche schon lange vorbei. diebank: Inwieweit werden Big Data und die fortschreitende Digitalisierung das Geschäftsmodell und den analytischen Ansatz von Moody‘s verändern? Schmidt-Bürgel: Alle Marktteilnehmer müssen neuen Technologien und deren Anwendung auf laufende Geschäftsprozesse Beachtung schenken. Wir sind uns der potenziellen Auswirkungen vollkommen bewusst. Gleichzeitig bleibt unsere Fähigkeit, den Märkten unabhängige Bonitätsurteile zu bieten, wesentlicher Bestandteil unserer DNA. Zu versuchen, dies Maschinen zu überlassen, würde uns vor neue Herausforderungen stellen: Wir gehen davon aus, dass es auch in Zukunft einen Bedarf an von Menschenhand gemachter Analyse geben wird. Diese lässt sich durchaus durch neue und aufregende Weiterentwicklungen in der Informationstechnologie stärken. Aber den Robo-Ratinganalysten wird es bei uns nicht geben. Ich sehe die Erfolgsformel eher in der Kombination von qualitativen und quantitativen Faktoren. Durch die fortschreitende Digitalisierung wird es sicherlich zu Veränderungen kommen, wir passen aber auch heute schon Geschäftsmodelle und Rating-Methodiken an bestimmte Ereignisse an. Die Datenmenge schnellt gewaltig nach oben. Das erfordert neue Instrumentarien, um diese Datenvolumina sinnvoll zu handhaben. Bei Ratingagenturen ist das Dateninteresse allerdings immer schon da gewesen. Es ist eine sehr granulare Herangehensweise. fl Ratings sollten nur als eines von vielen Werkzeugen im Werkzeugkasten und nicht als die alleinige Lösung angesehen werden. diebank: Moody‘s hat in Europa nicht dieselbe starke Stellung an den Finanzmärkten wie in den USA, auch die Wertpapiermärkte haben nicht annähernd den gleichen Entwicklungsstand. Inwieweit ist dafür die Politik verantwortlich, oder gibt es Sonderfaktoren am „Standort Europa“? Schmidt-Bürgel: In Europa wird seit jeher stärker auf Bankfinanzierung und weniger umfangreich auf die Kapitalmärkte gebaut, obwohl auch hier unbestritten ein hoher Entwicklungsstand herrscht. Vor dem Hintergrund der Desintermediation im Bankensektor beobachten wir jedoch, wie sich europäische Emittenten zusehends an den Kapitalmärkten zu Finanzierungszwecken engagieren. Die Kapitalmärkte können den Emittenten eine größere Vielfalt an Finanzierungsoptionen eröffnen, was ihnen zusätzliche Kapazität und Zugang zu Investoren verschafft, die an risikoreicheren und längerfristigen Kapitalanlagen interessiert sind. 09.2016 diebank 9

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