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die bank 09 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó IT & KOMMUNIKATION

ó IT & KOMMUNIKATION Mehr Digitalisierung wagen ROUND TABLE Über diese brisante Frage und den Status, den unterschiedliche Institute im Prozess der Digitalisierung aktuell erreicht haben, diskutierten Thessa von Hülsen, Head of Business & Operations Development der UniCredit Bank, Dr. Gerhard Kebbel, Bereichsleiter Digitalisierung der Helaba, Tomas Peeters, Chief Strategy Officer der ING-DiBa, Stephan Rupprecht, Partner bei Hauck & Aufhäuser, Dr. Andreas Hackethal, Professor für Finanzen an der Goethe-Universität in Frankfurt, Dr. Martin Deckert, bis September 2015 Mitglied des Vorstandes der UBS Deutschland AG sowie Dr. Daniel Pehle und Hartmut Skubch von Skubch & Company Management Consultants. diebank: Frau von Hülsen, wie und in welchem Ausmaß wird die Digitalisierung das spezifische Geschäftsmodell in der Bank verändern? von Hülsen: Die Digitalisierung hat das Corporate Banking für Kunden und Banken bereits heute verändert. Der Grund dafür liegt vor allem in der deutlich gestiegenen Erwartungshaltung der Unternehmenskunden gegenüber der Nutzerfreundlichkeit, Schnelligkeit, Verfügbarkeit und Transparenz von Bankdienstleistungen. Die Unternehmer Bank der HypoVereinsbank hat diese Entwicklung früh antizipiert und vorrangig einfache und standardisierte Services und Produkte digitalisiert. Mit „Business Easy“ haben wir beispielsweise bereits seit 2012 eine Online-Plattform, auf der wir aktuell über 125.000 Firmenkunden digital beraten. Über diesen Kanal können wir im direkten Kundengespräch Spezialisten auf einem mobilen Endgerät per Video zuschalten und so die Beratungsqualität und -effizienz auch für kleinere und mittelgroße Unternehmen deutlich steigern. Im gehobenen Mittelstand und für große Unternehmen spielt der persönliche Kontakt mit dem Berater vor Ort nach wie vor eine zentrale Rolle. Für dieses Kundensegment zählen vor allem die Bereitstellung international anwendbarer Systeme und Schnittstellen für ausgewählte Produkte und Servicebereiche, wie beispielsweise im Cash- und Liquiditätsmanagement oder in der elektronischen Abwicklung von Transaktionen im Außenhandel. Firmenkunden erwarten von uns dabei neben neuen digitalen Lösungen auch digitale Kompetenz – und zwar entlang ihrer jeweiligen brancheneigenen Wertschöpfungskette. Deshalb bringen wir unser Fachwissen in Kooperationen auch mit dem Knowhow von Technologieunternehmen zusammen. Ganz 56 diebank 09.2016 generell registrieren wir bei unseren Kunden ein wachsendes Interesse daran, Bankprodukte und Services jederzeit, auf jedem Gerät und über jeden gewünschten Kanal zu nutzen. diebank: Dies gilt sicherlich für alle Institute, oder? Kebbel: Vermutlich schon. Mit der Frankfurter Sparkasse hat die Helaba-Gruppe einige Erfahrungen mit Digitalisierungsprojekten im Privatkundengeschäft gemacht. Auch im Verbundgeschäft mit den Sparkassen gibt es digitale Schnittstellen und Angebote. Im Geschäft mit Firmen- und Immobilienkunden steht die Helaba in Sachen „Digitalisierung“ aber ziemlich am Anfang. Eine systematische Herangehensweise an das Thema gab es vor allem deshalb noch nicht, weil viele Geschäftsbereiche sich bis vor etwa einem Jahr von der Digitalisierung nicht so richtig betroffen gefühlt hatten. Die Helaba verstand sich hier als eine Art Manufaktur, als Spezialanbieter für Einzelprodukte, zugeschnitten vor allem auf den Bedarf von Großkunden, Immobilienspezialisten und Institutionellen. Und die Grundhaltung bei der Helaba war immer: Alles sollte möglichst im persönlichen Kontakt erledigt werden. diebank: So langsam weicht diese Grundhaltung nun auf? Kebbel: Ja, wir arbeiten an der Entwicklung einer Digitalstrategie. Dabei geht es zunächst darum, im Rahmen eines Projekts mit allen Geschäftsbereichen der Bank Thessa von eine „Digitalisierungslandkarte“ für jeden Be- Hülsen, Head of Business & Operations Development der HVB reich zu zeichnen. Wir Unternehmer Bank/ UniCredit.

IT & KOMMUNIKATION ó identifizieren also die Initiativen im Markt, die für das jeweilige Geschäft relevant und von der Marktreife weit genug fortgeschritten sind, sodass die Bank tätig werden sollte. Diese „Landkarten“ haben wir inzwischen fertiggestellt und darauf basierend sechs Themen identifiziert, die wir derzeit mit ausgewählten Kunden überprüfen, um so Projekte für erste Frontend-Produkte aufsetzen zu können. Auf diese Weise versuchen wir „Quick Wins“ zu erzielen, die die Digitalisierung in der Bank greifbar machen und die es erlauben, eine ganzheitliche Perspektive zu entwickeln, in der dann Ziele und Ressourcenbedarf für die nächsten drei bis fünf Jahre beschrieben werden können. Aus den zahlreichen Kundengesprächen, die wir geführt haben, lässt sich übereinstimmend eines festhalten: Ganz egal ob Großkunde, Mittelstandsunternehmen oder Immobilienkunde – alle wollen eine digitale Schnittstelle in ihre ERP-Systeme. Und zwar nicht nur für den Zahlungsverkehr. Gerade die größeren Kunden mit eigenen Treasury-Systemen möchten auch bei der Finanzierung eine elektronische Schnittstelle zu ihrer Bank haben. Und was aus den Kundengesprächen ebenfalls klar herauszuhören war: Die meisten Kunden haben selbst gar keine klare Vorstellung, was genau sie denn sonst in Sachen Digitalisierung möchten. Erwartet wird, dass die Bank initiativ wird und mit interessanten Lösungen auf den Kunden zukommt. Und genau das machen wir jetzt. Und da stellt sich für uns – selbstkritisch – natürlich sofort die Frage: Hat eine Bank wie die Helaba überhaupt die Innovationskultur, um solche Lösungen zu entwickeln? Eine unserer besonderen Herausforderungen sehen wir darin, diese Innovationskultur aufzubauen. Was uns ebenfalls wichtig ist: Wir beobachten ganz genau, was sich bei den multibankenfähigen Plattformen tut. Breit eingeführt sind solche Plattformen ja im Bereich der Derivate. 360T ist zum Beispiel bei Firmen, die regelmäßig plain vanilla FX swaps benötigen, heute schon der Marktstandard. Jedes Unternehmen, das häufiger Währungshedging braucht, und dies noch immer bilateral macht, hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Eine Frage, die uns in diesem Zusammenhang intensiv beschäftigt, ist, welche Wholesale-Produkte als nächstes auf vergleichbaren Plattformen angeboten werden. Wir scannen hier den Markt – was gar nicht so einfach ist –, und es ist auch klar, dass wir versuchen müssen, stärker mit FinTechs in Kontakt zu kommen und ganz gezielt mit ihnen zusammenzuarbeiten. Nicht weil wir befürchten, dass FinTechs uns im Kerngeschäft das Wasser abgraben könnten. Es geht vielmehr darum, bei Dr. Gerhard Kebbel, Bereichsleiter Digitalisierung der Helaba. passenden Produkt- oder Plattform-Ideen frühzeitig dabei zu sein und diese Ideen voranzutreiben – gemeinsam mit den FinTechs oder mit anderen Banken. Rupprecht: Unsere Kunden – bei Hauck & Aufhäuser – signalisieren uns: Digitalisierung ist wichtig, aber viel wichtiger ist die Beratung. Als traditionelle Privatbank mit einer 220-jährigen Historie und als klassischer Asset- und Wealth-Manager betreuen wir sowohl vermögende private Unternehmer-Kunden als auch institutionelle Kunden sowie externe Vermögensverwalter. Eine unabhängige professionelle Beratung und – ganz wichtig – Vertrauen stehen bei unseren Kunden ganz oben an. Trotzdem haben wir uns ganz bewusst dazu entschieden, in die Digitalisierung zu investieren. Ich glaube fest, dass in der Bankenbranche langfristig eine Transformation zu digitalen Angeboten stattfindet und dass sich dadurch das Verhältnis der Kunden zu Finanzdienstleistern signifikant verändert. Aktuell lässt sich allerdings nur schwer einschätzen, wohin die Reise geht, mit welcher Geschwindigkeit sich dies alles tatsächlich entwickelt und wie disruptiv die Stephan Rupprecht, Partner bei Hauck & Aufhäuser. Entwicklung wirklich ist. Insofern sehen wir die größte Herausforderung darin, eine langfristig kluge strategische Aufstellung auf diesem neuen und dynamischen Gebiet zu entwickeln. Digitalisierung bedeutet für uns nicht, sich gegen den klassischen stationären Vertrieb zu entscheiden, sondern ganz im Gegenteil: Digitalisierung ist für uns ein zweiter Vertriebsweg, der uns die Möglichkeit bietet, unsere Expertise weiterzugeben und neue Kunden zu generieren. diebank: Wie wichtig bzw. ausgeprägt wird das Zusammenspiel zwischen Maschine und Mensch zukünftig sein? Rupprecht: Dies wird sich erst noch zeigen. Dies richtig einzuschätzen und sich entsprechend zu positionieren, um sowohl neue 09.2016 diebank 57

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