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die bank 09 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

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ó BERUF & KARRIERE ber angesprochen werden. Dies sichert eine hinreichende Vergleichbarkeit der Gesprächsverläufe. Innerhalb der Themenfelder können dann flexibel und bedarfsorientiert Vertiefungen oder Variationen bei den Fragen vorgenommen werden. Dieses Vorgehen sichert eine hinreichende Individualität in der Gesprächsführung bei gleichzeitig hinreichender Vergleichbarkeit der Gespräche. Stress-Interview Dabei soll ein Bewerber gezielt unter Druck gesetzt werden, um seine physische und psychische Belastbarkeit zu testen oder um Widersprüche in seinen Aussagen aufzudecken. Dazu werden verschiedene Techniken eingesetzt, beispielsweise eine schnelle Abfolge von Fragen, die dem Bewerber kaum Überlegenszeit lassen, die permanente Hinterfragung aller Antworten, indem verbal und nonverbal eine geringe Überzeugung signalisiert wird (z. B. nachdenkliches Kopfwiegen, Lippen schürzen) oder zu allen Aussagen weitere Begründungen („Warum denken Sie das?“) und Belege („Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?“) abgefordert werden. Stressig ist auch ein permanenter Widerspruch zur Verunsicherung des Bewerbers („Das sehe ich aber ganz anders“), häufiges Springen zwischen den Themenkomplexen, um es dem Kandidaten zu erschweren, einen stringenten Argumentationsfaden zu entwickeln, und gezielte Provokationen („Das glauben Sie doch selbst nicht“, „Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein?“). Alternativ kann auch eine Kreuzverhörtechnik angewandt werden, bei der sich mehrere Interviewer gezielt abwechseln, um den Bewerber zu zwingen, sich ständig auf einen neuen Gesprächspartner und eine veränderte Fragentechnik einzustellen. Das Risiko dieser Strategie liegt darin, dass sie den Bewerber tiefgreifend verunsichert oder verärgert und den Interviewer kalt, distanziert und unfreundlich erscheinen lässt. Es kann beim Bewerber eine massive negative Einstellung zum Unternehmen entstehen (Personalmarketingaspekte des Interviews!). Das Stress- Interview sollte also nur als maßvolle Beimischung eingesetzt werden, und auch nur dann, wenn den Bewerber später bei seiner Aufgabe ähnlich kritische oder konflikthafte Situationen erwarten (z. B. schwierige Verhandlungen mit Kunden). Dann sind die Stress-Sequenzen eine realitätsnahe Simulation späterer Arbeitssituationen und haben damit eignungsdiagnostischen Wert. Auf alle Fälle sollte aber der Interviewer die Situation auf sympathische Art auflösen und dem Bewerber offen erläutern, warum er ihn in den vorangegangen Minuten „härter rangenommen“ hat. Verhaltensorientierte Interviews Diese Interviewtechnik folgt dem Grundsatz, dass vergangenes Verhalten der beste Prädiktor für zukünftiges Verhalten ist. Also wird durch Interviewfragen intensiv danach gefahndet, wie sich ein Bewerber in der Vergangenheit in bestimmten Situationen verhalten hat (z. B. ein Projekt ist zeitlich völlig aus dem Ruder gelaufen, ein Mitarbeiter zeigt problematisches Leistungsverhalten, ein Kunde wird unangemessen aggressiv). Ziel ist die Überprüfung der Angemessenheit von Reaktionsstrategien und die Aufdeckung typischer Verhaltensmuster des Bewerbers. Die Fokussierung auf konkretes Verhalten verhindert, dass ein Bewerber auf Befragen nur allgemeine Verhaltensregeln oder angelesenes Lehrbuchwissen präsentiert. Er wird stattdessen „in vergangenen Situationen abgeholt“, die er selbst schon durchlebt hat. Verhaltensorientierte Interviewsequenzen zielen auf Situationen, die auf einer Stelle immer wieder auftreten und besonders erfolgskritisch sind. Man möchte mit dieser Interviewstrategie eruieren, ob ein Bewerber nachweislich (!) über die erforderlichen Verhaltensmuster verfügt, um die Situation mit gutem Erfolg zu bewältigen. Situatives Interview Das situative Interview ist im Gegensatz zum verhaltensorientierten Interview zukunftsorientiert. Dem Bewerber werden detailliert besonders erfolgskritische Situationen geschildert, die auf der vakanten Stelle immer wieder auftreten. Es wird dann gefragt „wie er sich in dieser Situation verhalten würde“. Der Bewerber wird also quasi mit „Mini-Fallstudien“ seines möglichen späteren Arbeitsplatzes konfrontiert, die er lösen muss. Es ist dabei nicht erforderlich, dass er ähnliche Situationen bereits erlebt hat. Mit dieser Interviewstrategie kann geprüft werden, wie schnell und differenziert sich ein Bewerber in typische, wichtige Arbeitssituationen hineindenken und eine angemessene Verhaltensstrategie entwickeln kann. Plakativ formuliert: Wer schon falsch denkt, kann sich im Gefolge auch nicht richtig verhalten. Allerdings vermag das situative Interview nicht aufzuklären, ob ein Bewerber in der Realität dann auch tatsächlich seine geschilderte Verhaltensstrategie einsetzt oder überhaupt dazu in der Lage ist, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Der Einsatz dieser Interviewtechnik setzt voraus, dass im Vorfeld zusammen mit den Experten aus den Fachabteilungen Mini-Fallstudien entwickelt werden, die die wichtigsten erfolgskritischen Handlungssituationen auf der vakanten Stelle abbilden. Weiterhin müssen mögliche Reaktionsstrategien erarbeitet und hinsichtlich ihrer Eignung zur Situationsbewältigung als „gute“, „akzeptable“ oder auch „unangemessene Lösung“ klassifiziert werden. Praxisempfehlungen Professionelle Interviews beinhalten eine angemessene Beimischung der oben dargestellten verhaltensorientierten, situativen und stressorientierten Elemente. Aufgrund der Verwendung unterschiedlicher 74 diebank 9.2015

BERUF & KARRIERE ó Befragungsstrategien spricht man auch vom multimodalen Interview. Weiterhin gilt es die nachfolgenden Empfehlungen zu berücksichtigen. Ausführliche Anforderungsanalyse im Vorfeld: Nur auf Basis der zentralen Anforderungen einer Stelle können gezielt die relevanten Fragen für das Interview entwickelt werden. Andernfalls ergibt sich eine belanglose „Plauderstunde“ ohne eignungsdiagnostischen Wert. So viel Standardisierung wie möglich, so viel Individualisierung wie nötig: Eine möglichst weitgehende Standardisierung bei der Formulierung von Fragen und der Auswertung über vordefinierte Skalen sichert eine hohe Objektivität und eine gute Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen verschiedenen Bewerbern. Konsequente Interviewvorbereitung: Nur wenn der Interviewer die wichtigsten Lebenslaufstationen und die im Anschreiben behaupteten Stärken und Qualifikationen des Bewerbers geistig präsent hat, ist er in der Lage, gezielt klärend nachzufragen und Widersprüche aufzudecken. Insofern ist eine konzentrierte Durchsicht der Bewerbungsunterlage kurz vor dem Gespräch unverzichtbar (fünf bis zehn Minuten genügen). Verwendung offener Fragen: „Spielt die Höhe des Gehalts für Sie eine wichtige Rolle?“ – „Nein!“. Der Interviewer hat hier eine geschlossene Frage gestellt, die mit „ja oder nein“ beantwortet werden kann. Solche Fragen sind untauglich, um den Bewerber zur Preisgabe möglichst umfassender Informationen zu seiner Vita, seinen Einstellungen und Motivationen zu animieren. Sinnvoll ist daher die Verwendung von offenen Fragen. Man bezeichnet sie auch als „W-Fragen“ („welche?“, „was?“, „warum?“). Die Frage „Welche Rolle spielt für Sie die Höhe des Gehalts?“ zwingt den Bewerber zu einer ausführlicheren Stellungnahme. Keine Suggestivfragen: Es sind Frageformulierungen zu vermeiden, die die erwartete Antwort „durchscheinen“ lassen. Bei der Diskussion des möglichen weiteren Karriereverlaufs hat es der Bewerber leicht, auf Basis der Frage „Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn es bis zur Übernahme der ersten Führungsfunktion etwas länger dauert?“ dem Interviewer eine (vermeintlich) gewünschte Antwort zu liefern. Sinnvoller wäre eine neutrale Formulierung, etwa „Wie stellen Sie sich in zeitlicher Hinsicht Ihren Karriereverlauf bei uns im Unternehmen vor?“. Systematische Informationsverarbeitung: Der Interviewer sollte sich während des Gesprächs ausführliche Notizen machen. Möglichst zeitnah nach dem Interview sollten die dann noch frischen Eindrücke zunächst ergänzt werden. Und dann sollte sich idealerweise eine sofortige Gesprächsauswertung anschließen. Dies stellt sicher, dass möglichst viele Informationen erinnert werden und Eingang in die Abschlussbeurteilung finden. Trennung von Beobachtung und Bewertung: Es entspricht menschlichen Wahrnehmungsgepflogenheiten, dass bei der Beobachtung anderer Menschen sehr schnell Bewertungen stattfinden (z. B. sympathisch/unsympathisch, überzeugt mich/überzeugt mich nicht). Die Akte der Beobachtung und der Bewertung verschmelzen also sehr stark miteinander. Im Interview ist dies unerwünscht. Um zu verhindern, dass Hypothesen zur Eignung eines Kandidaten vorschnell aufgestellt werden, sollten Interviewer für sich versuchen, analytisch die beiden Akte über eine 3-Schritt-Logik zu trennen: 1. Was habe ich gesehen und gehört? (= Beobachtung) 2. Zu welchen Aspekten des Anforderungsprofils lässt sich mit dieser Beobachtung eine Aussage machen? (= Klassifizierung) 3. Wie ist die Beobachtung im Licht des Anforderungsprofils zu werten? Positiv oder negativ? (= Bewertung) Kurze zeitliche Abstände zwischen den Interviews: Sie sichern eine aktuelle kognitive Präsenz aller Eindrücke und eine gute Vergleichbarkeit aller interviewten Bewerber. Verhaltensebene statt abstrakt-verbale Ebene: Interviews sollen einen starken Verhaltensbezug aufweisen. Es ist weniger relevant, was ein Bewerber denkt, sondern eher wie er sich verhält. Ein stärkerer Einbezug der oben dargestellten verhaltensorientierten und situativen Interviewelemente stellt genau das sicher. Regelmäßige Erfolgskontrolle: Zur Anpassung der Interviewpraxis muss regelmäßig kritisch hinterfragt werden, wie sich die über Interviews ausgewählten Bewerber im beruflichen Alltag bewähren. Rechtliche Hinweise In einem Einstellungsinterview hat der Bewerber Anspruch auf den Schutz seiner Persönlichkeitsrechte, hier: Unverletzlichkeit der Individualsphäre. Achten Sie also darauf, nur zulässige Fragen zu stellen. Sie müssen vom Bewerber wahrheitsgemäß beantwortet werden. Gibt er auf eine zulässige Frage eine unwahre Antwort und wird auf dieser Basis eingestellt, dann hat der Arbeitgeber nach § 123 BGB die Möglichkeit, den entstandenen Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Zulässig sind Fragen nach den Leitlinien der Rechtsprechung, wenn ein objektiv be- 9.2015 diebank 75

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